Der Plan ist eine Dreifaltigkeit

 In FEATURED, Kultur

Die Band “Fehlfarben”, einst Teil der “Neuen Deutschen Welle”

skug trifft das Gründungsmitglied, bzw. langjährige Mitglied von Fehlfarben Frank Fenstermacher und Kurt Dahlke am Morgen nach deren Wiener Konzert im Café beim Radiokulturhaus. Wir wollen uns allerdings vornehmlich über die neue Plan LP »Unkapitulierbar« unterhalten, die am 23.6,2017 erscheinen wird. Mit Formalitäten wird keine Zeit verloren und wir starten gleich hinein in die Misere unserer Zeit, die dadurch zu charakterisieren wäre, dass eine Kritik am kapitalistischen Produzieren kaum innerhalb kapitalistischen Produzierens möglich ist. Wo gibt es also noch Freiräume, die verhindern dass MusikerInnen, PerformerInnen und auch MusikjournalistInnen nicht zu prekären Spaßnagestellten reduziert werden? Zu Unterhaltungspunks, die so tun, als ob… Ein paar erfreuliche Entwicklungen gibt es aber auch und es werden sogar einige dieser raren Geschichten über finanzielle Erfolge ausgepackt werden. Irgendwann schaltet dann endlich jemand das Aufnahmegerät ein. (Frank Jödicke, www.skug.at)

Kurt Dahlke: Irgendwas läuft hier komplett in die falsche Richtung. Man wird einmal bezahlt für eine Komposition, ein Aufführung, eine Produktion und danach war es das. Vom Urheberrecht kann man sich verabschieden.

skug: Es geht nicht um Urheberrechte, es geht um Verwertungsrechte.

KD: Ja, genau das meine ich. Wir merken als Band Fehlfarben, dass früher beim Merchandising CDs gekauft wurden, vor vier, fünf Jahren wurde das Vinyl wieder gekauft und jetzt eigentlich nur mehr T-Shirts. Die Leute schauen sich das Album an und sagen, »Oh das sieht aber hübsch aus« und kaufen sich das T-Shirt. Nach dem vierten Konzert der Tour sind wir mit T-Shirts ausverkauft.

Frank Fenstermacher: Wir machen eigentlich nur mehr Musik um T-Shirts zu verkaufen. Nur T-Shirts würde wohl leider nicht ziehen…

KD: Aber um jetzt mal wirklich was Positives zu sagen, ich habe mir damals meinen Umzug nach Berlin finanziert mit dem Verkauf von drei Vinyl-Schallplatten.

skug: Ja und welche waren das?

KD: Die erste Platte von La Monte Young, von der der Händler meinte dies sei keine Schallplatte sondern ein Kunstwerk. Die zweite war Le Forte Four eine kalifornische Band…

FF: Aus dem Umfeld der LAFMS [Los Angeles Free Music Society].

KD: ..und die haben eine Platte gemacht, die sollte die lauteste der Welt sein. Ich war bei einem Konzert, man bekam beim Eintritt Ohrenstöpsel.

skug: Klar.

KD: Und es war ein handkopiertes Cover in ganz kleiner Auflage. So war mit drei Platten der Umzug finanziert und das sind dann wieder die Vorteile vom Vinylsammeln.

FF: Zum richtigen Zeitpunkt abgestoßen – nicht wahr.

skug: War das diese La Monte Young Platte wo nur ein stehender Ton drauf ist.

KD: Genau. So ein Gong. Vorne war ein Gong aufgezeichnet. Ach ja, die dritte war die Kassettensammlung von Beate Bartel und Chrislo Haas, woraus nachher Liaisons Dangereuses entstanden ist. Die Sammlung war wirklich großartig.

FF: Ach Mensch, die hättest Du behalten sollen, da hätten wir eine CD draus gemacht bei Atatak.

skug: Wie waren denn gestern die Fehlfarben im Museum, der Sound und so?

FF: Ja, die Bilder haben die Farben leider gänzlich verloren, wie das halt mit Fehlfarben so ist. Farbe verschwunden, verändert. Vermutlich ein Riesenschaden.

skug: Der Herr Richter wird toben.

FF: Ist noch nicht klar ob die Versicherung das zahlt oder wir.

KD: Ich war überrascht über den Raum, der ist ja eigentlich sehr geometrisch und viel Glas. Wir haben sehr Angst gehabt vor den Shutter Delays, aber sie hatten eine ausgezeichnete PA mit Line Arrays die die Plätze einzeln bestrahlen.

skug: Reden wir ein bisschen über Der Plan.

FF: Wenn es unbedingt sein muss, da war noch nie viel zu sagen.

skug: Aber zu fragen. Wie hat sich euer Produzieren in den letzten Jahrzehnten gewandelt? Auf »Unkapitulierbar« scheint stellenweise eine altehrwürdige Liedtradition anzuklingen. Die Platte ist eine Art »Winterreise« und wirkt thematisch schwerblütiger als frühere Aufnahmen, Titel wie »Der Herbst«, »Gesicht ohne Buch«, »Wie schwarz ist ein Rabe«. Es gibt die Liedzeile: »Ich weiß ich werde vergebens warten, denn das Tor wird kontrolliert« Diese inhaltliche Stimmung wird getragen von melodisch klaren und reichen musikalischen Erfindungen, die – darf ich sagen – nur mehr moderat absurd sind… Erleben wir hier einen milden und gereiften Plan?

KD: Die Altersmilde kommt sicherlich hinzu. Aber wenn ich auf die Frage des Produzierens zurückkommen darf. Wir haben angefangen mit nichts. »Geri Reig« war ein Programm, »making the most out oft he least«. Wir hatten damals nur einen Synthesizer, den MS 20, ein schönes Sennheiser-Mikrophon, eine Revox-Bandmaschine und damit haben wir alles gemacht.

FF: Na und davor hatten wir ein Diktiergerät und einen Übungsraum, den Robert Görl von DAF und den Chrislo Haas als Mitmusikanten bei der ersten EP und das Diktiergerät hatte dann auch noch eine Batterieschwäche.

KD: Es haben sich mit den Jahren bis 1991 die Produktionsmittel verändert. Wir haben ein eigenes Studio gebaut. Und waren erstmals in der Lage zu dritt Musik zu machen und nicht mehr einer nach dem anderen im Playbackverfahren. Bei der jetzigen Platte war es so, wir haben uns ein schweres Konzept vorgenommen hatten. Das ganze sollte wie aus einem Guss klingen und wie eine Radiosendung funktionieren. Die Stücke sollten ineinander übergehen.

FF: Ja so wie bei Zappa.

skug: »A movie for your ears.«

KD: Genau. Von dem Konzept sind wir dann, je weiter wir kamen immer weiter abgerückt. Eigentlich ist die Stärke das wir Songs machen. Ein Singer-Songwriter-Album von der Plan – wenn ich so sagen darf. Die Ideen waren eher Songorientiert und weniger experimentell. Vom ursprünglichen Konzept bleiben nur einige Stellen, wo wir so Collagen dazwischen gestreut haben oder Stücke ineinanderfließen ließen. Es ist eher in der Tradition der letzten Platten wie »Fremde und seltsame Welt« oder »Tiki Ballroom«, die hatten auch eher Songcharakter.

skug: Die Musik von der Plan war immer sehr stofflich, in dem Sinne, dass die elektronischen Mittel immer als die elektronischen Mittel erschienen die sie waren, also weder Sound noch Bilder sollen Natürlichkeit simulieren. Euer Coverbild zu Unkapitulierbar habt ihr mit der DeepDream Software bearbeitet? Nicht wahr?

KD: Ja, stimmt.

skug: Der Werner Herzog reitet auch auf der Metapher rum, dass Maschinen jetzt »träumen«. Und was meint ihr nun, nach eurer jahrzehntelangen Arbeit mit elektronischen Medien, gibt es da die Idee von etwas produktivem und aktivem, das in den Apparaten drin steckt? Träumt da wer?

KD: Na ich träume ja schon ganz lange von so etwas. Es fing an in den Achtziger Jahren mit einer Hardware die nannte sich »Brontologic«, die damals entwickelt wurde von einem Düsseldorfer Elektroniker und diese Hardware steht mittlerweile im rock’n‘popmuseum in Gronau, die sie mir als Dauerleihgabe abgeluchst haben. Allerdings könnte ich sie auch gar nicht mehr aufstellen. Ich hab sie dann in Software verwandelt. Was ich jetzt gerne hätte wäre eine Software die mir die ganze Zeit Musik vorspielt und ich habe nur mehr den roten und den grünen Button und entscheide: finde ich das gut oder nicht. Daraufhin würde sich dann die Musik in meine Richtung verändern. Das Endziel der »Brontologic« ist eine Musik, die meinem Geschmack folgt. Das fließt dann auch in Produktionen ein, wo ich denke hier setzen wir jetzt einen Faktor, einen modifizierten Zufall. Dieser steuerbare Zufall verhindert dann dass es zu klar klingt. Das ist schon ein bisschen so wie du sagst, ein »deep dream«, das die Maschine befähigt wird mitzudenken.

FF: Ich bin ja kein Maschinengläubiger und sehe kein Heil in der Maschine. Jedes Instrument hat seinen Klang und der Klang bringt mich dann auf eine Melodie, eine Rhythmik vielleicht oder auch etwas Atmosphärisches was mich interessiert. Das kann eine Naseflöte oder ein Musikgenerator sein. Die Maschine ist ein Instrument wie es viele andere gibt.

skug: Ihr seid eine Zeit lang aufgetreten als Engel, Teufel und Roboter,…

KD: Jaja ganz genau.

skug: …das schien ja so eine Dreieinigkeit…

FF: Wir sind immer dreifaltig gewesen. Wir waren auch eine Drei-Klassen-Band von unserer Herkunft her. Der Arbeiter, der Moritz [Reichelt] aus dem akademischen Elternhaus und du [Kurt] warst ja der Kapitalist im Grunde genommen.

skug: Das Cover zeigt eine Bearbeitung des Delacroix-Gemäldes »Die Freiheit führt das Volk«. Man sieht am Boden die Flaggen der Nationalstaaten GB/USA und darüber das triumphale Banner der EU. Nun, wie soll ich sagen: Schaut es danach aus?

KD: Ist es nicht wirklich fantastisch die ehemals Linke, die noch vor zehn Jahren gegen Europa und gegen die Globalisierung gestellt hat, plötzlich diejenigen sind, die die Freiheit Europas verteidigen müssen gegen den erstarkten Nationalismus. Das ist eine wunderbare Wendung der Geschichte. Wir müssen jetzt die Freiheit verteidigen die wir lange in trockenen Tüchern geglaubt haben und die uns jetzt Schritt für Schritt genommen wird. Wir haben 1982 ein Konzert gegeben da hat Moritz ganz laut den Slogan gerufen »Europäer wollen reisen ohne Grenzkontrollen«.

FF: Das war auf einem Parteitag der Grünen.

KD: Ja das war einer der ersten Landesparteitage der Grünen und Moritz hat sich in den Vertrag reinschreiben lassen, der Plan darf politisch sagen was er will und Moritz hat dann ein riesiges Poster entrollt da stand drauf: »Die absolute Mehrheit wählt SPD.« Die Grünen haben uns nicht einmal ausgepfiffen, die haben nur gelacht. Und dann auch dieser Slogan »Europäer wollen reisen ohne Grenzkontrollen«. Es hat sich alles bewahrheitet in der EU und jetzt soll uns das wieder genommen werden. Das können wir nicht dulden, deswegen ist dieses Cover eine der zwei politischen Botschaften die wir tatsächlich haben.

skug: Und die zweite ist die mit den Grundrechten?

KD: Genau. Das Recht auf Wohnraum ist ein Recht das die politischen Parteien von heute anscheinend verdrängt oder vergessen haben. Es ist aber ein ganz wichtiges Recht. Die urbanen Zonen in denen sich die Menschen immer mehr ballen, darin geht der Wohnraum verloren, weil Spekulanten am Werke sind, die damit viel Geld verdienen wollen. Das Grundrecht auf Wohnen sollte im Grundgesetz verankert sein. … ansonsten halten wir uns mit politischen Botschaften zurück.

skug: Einige Themen von Der Plan erwiesen sich als prophetisch. Ihr seid in der Sendung »Formel Eins« aufgetreten und habt »Gummitwist« mit den Worten angekündigt: »Was gerade abläuft ist eine Paranoia und Angst können wir nicht gut gebrauchen.« In dem Song redet ihr mit einer kleinen Stubenfliege, die mit der Computerisierung nicht zu tun haben will und der aber gesagt wird: »Ja das musst du kleine Fliege, ich bin der Hacker im System, ich schleich mich in die NATO ein, ich könnte auch ein Russe sein.« Die Nummer ist von 1984, aber diese Zeilen könnten auch aus dem Jahr 2017 stammen.

FF: Absolut!

KD: Ja, aber es ist seitdem noch absurder geworden. Durch viel russisches Geld ist heute das dark net größer geworden als das real net. Das was unter der Oberfläche im Netz stattfindet und was da an Kontrollmechanismen abläuft, sei es NSA oder wer auch immer, das hat sich nochmals potenziert. Und wie wir das in »Gesicht ohne Buch« sagen: Das Tor wird kontrolliert. Das ist auch das [Netzwerk] »tor« im Sinne von dark net. Das selbst wiederum ein Kontrollmechanismus geworden ist, weil man heute Daten miteinander abgleichen kann und die Menschen sich durch ihr eigenes Tun erpressbar machen. Wer heute sagt »Wieso, ich hab doch nichts zu befürchten« muss sich klar sein, das ist ein Quatsch. Durch umfassende Kontrolle sind Freiheit und Pressefreiheit unterminiert.

skug: Man sieht ja auch wie es um Deutungsmacht geht. Wer die hat, der legt fest was verbrecherisch und falsch ist und was opportun.

KD: Genau.

skug: Wie geht es weiter mit der Plan?

FF: Vielleicht mal etwas Tänzerisches. Das Plan-Ballett. Endlich wird die Erdanziehungskraft überwunden – die zunehmende.

skug: Dann heißt es jetzt trainieren.

FF (lacht): Och, es gibt unterschiedliche Ausdrucksformen der Körpersprache. Also du konntest was mit der Platte anfangen?

skug: Ich fand sie gut. Gut auch jenseits des Filters, dass ich den Plan immer schon mochte, womit ich durchaus zuweilen isoliert war. »Oh mein Gott ist das nervig« waren so Reaktionen.

FF: Das geht vielen Plan-Freunden so.

skug: Ja aber auch gerade inhaltlich. Freunde die dann später Rechtsanwälte wurden oder so, die sagten: »Du gräbst immer irgendwelche Punker aus, die einem dann sagen wie man zu leben hat…« Das war so eine typische Reaktion. Was nützt es denen zu erklären, das ist alles gar nicht normativ gedacht,…

KD: Ja, belehrend sollte das alles nicht sein.

skug: Habe ich auch nie so empfunden. – Vielen Dank für das Gespräch.

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