Donald Trump – Hoffnungen und Chaos (4/4)

 In FEATURED, Friedenspolitik, Politik

Autor Wolfgang Bittner

4. Teil unserer Serie mit Auszügen aus Wolfgang Bittners Buch „Die Eroberung Europas durch Amerika“. Donalds Trump hat – bereits im Wahlkampf – viel Porzellan zerschlagen. Auf ihn richteten sich dennoch auch einige Hoffnungen auf einen Neuanfang. Würde der Neue im Weißen Haus entspannter mit Russland umgehen? Und würde er, der mit dem „Establishment“ der USA oft im Clinch liegt, die Interventionspolitik der USA beenden? Vieles bleibt zum heutigen Zeitpunkt ungewiss. Wolfgang Bittner, Experte für transatlantische und Ost-West-Beziehungen, analysiert den Stand der Dinge scharfsinnig und gibt Anregungen, was zu tun ist. (Wolfgang Bittner)

Die Einstellung Trumps und seiner Regierung zu Russland wird schließlich längerfristig zeigen, wohin der Weg führt, zunächst vor allem hinsichtlich der Krisen in Syrien, dem Irak und in der Ukraine. Manches lässt bedauerlicherweise nicht darauf schließen, dass Trumps Denken und seine Ziele primär dem Frieden in der Welt gelten, auch wenn er davon spricht. Vielmehr steht über allem seine Botschaft: „America First!“, und es hat den Anschein, dass ihm dieser nicht durch Ethik, Moral oder Vernunft gezügelte „Patriotismus“ Macht und Mehrheit in seiner Partei, im Kongress und in der Wirtschaft sichern soll, auch in Kreisen des militärisch-industriellen Komplexes, der Waffen-, und Bankenlobby und in der verarmten, verunsicherten Bevölkerung, die ihn gewählt hat.

Das alles hat selbstverständlich weitgehende internationale Auswirkungen. In Europa befeuert es starke zentrifugal-nationalistische Kräfte, die zunehmend die EU als politische Institution in ihre existenzielle Krise führen, wofür die bereits gescheiterte Flüchtlings-, Wirtschafts-, Finanz- und Sozialpolitik unter Merkels und Schäubles Führung den Boden bereitet hat. Was daraus für Europa und Deutschland folgen müsste, liegt auf der Hand: Eine eigenständige Politik entwickeln und den US-Präsidenten, als der er nun einmal gewählt wurde, überall dort stützen, wo es unseren Interessen, dem Frieden, der Hunger- und Armutsbekämpfung in der Welt und unseren europäischen sicherheitspolitischen Zielen dient. Dadurch könnten sich ganz neue Konstellationen ergeben, die dringend nötig sind, eine politische Neubesinnung und Wende, die sich ein großer Teil der Bevölkerung schon lange erhofft. Es liegt bei den verantwortlichen Politikern, die Gelegenheit zu ergreifen.

Trump sagte in einem Interview mit der New York Times am 23. November 2016, dass er mit Russland gut auskommen wolle und er den Eindruck habe, dass auch Russland mit den USA gut auskommen wolle: „Wäre es nicht schön, wenn wir gut mit Russland auskämen. Wäre es nicht schön, wenn wir gemeinsam gegen den Islamischen Staat vorgingen… Wir müssen dem Wahnsinn, der sich in Syrien abspielt, ein Ende setzen.“[1]

Das war eine der Kernaussagen Trumps. Aber was ist daraus geworden? Inwieweit konnte sich Trump in dieser Frage bisher gegen die massiven Widerstände durchsetzen, inwieweit hat er sich bereits anpassen müssen? Das ist eine entscheidende Frage, und es sieht so aus, dass Trump verloren hat.

Womöglich deutet sich aufgrund dieser indifferenten Sachlage tatsächlich eine Neubesinnung unter den europäischen Politikern an. Das könnte man hoffnungsvoll aus einer Stellungnahme des österreichischen Bundeskanzlers Christian Kern schließen. Auf dem EU-Gipfel in Malta stellte er am 3. Februar 2017 fest: „Die USA tragen durch ihre Interventionen eine Mitverantwortung für die Flüchtlingsströme.“[2] Kern hat das gesagt, was Bundeskanzlerin Merkel seit Jahren verschweigt oder verschleiert. Das Problem ist also inzwischen erkannt, und es wurde ausgesprochen.

Ob diese Erkenntnis Konsequenzen für die europäische Politik haben wird, bleibt abzuwarten. Die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel, die am 17. März 2017 zu einem Gespräch in den USA bei Präsident Donald Trump war,[3] hat erwartungsgemäß nicht viel Hoffnung geweckt. Merkel und Trump bekundeten die Absicht, die NATO zu stärken, über die fortbestehenden Sanktionen gegen Russland wurde nicht gesprochen. Allerdings sollte das Verhältnis zu Russland verbessert werden, wenn Putin die Vereinbarungen von Minsk II einhalte, woran sich aber Poroschenko – mit den USA und ihrer NATO im Rücken – nicht hält. Viel mehr als der Austausch von Phrasen fand zwischen der „Anführerin der freien Welt“, wie Merkel in den US-Medien genannt wurde, und dem geringgeschätzten „mächtigsten Mann der Welt“ in eher frostiger Atmosphäre nicht statt.

Willy Wimmer kommentierte:

„Die Bundeskanzlerin fremdelt mit dem neuen amerikanischen Präsidenten, und als sie nach Washington flog, musste man sich fragen, wen wollte sie eigentlich besuchen? Den neuen Präsidenten Trump oder den ehemaligen Präsidenten Obama, mit dem sie sichtbar für die ganze Welt kollaborierte, oder den amerikanischen Senator John McCain, mit dem sie sich in Münchener Hinterzimmern traf? Das sind alles Fragen, die hochpolitisch sind und die deutlich machen, dass die Bundeskanzlerin mit der institutionellen Revolution, die in den USA durch den Präsidenten Trump stattfindet, nicht fertig wird. Der Besuch hat daran auch nichts geändert.“[4]

Wimmer stellt weiter fest, dass eine Veränderung des Charakters der NATO stattgefunden hat, zu der es zu keiner Zeit eine Zustimmung des Deutschen Bundestages gegeben hat, die jedoch nötig gewesen wäre. Die Rechtslage für die Anwesenheit ausländischer Truppen auf deutschem Territorium sei jedoch an die NATO als Verteidigungsbündnis „und nicht als eine Angriffsformation gebunden“, und deswegen sei alles, was die amerikanischen Streitkräfte und auch die Nachrichtendienste in Deutschland unternehmen, allein schon aufgrund der Charta der Vereinten Nationen völkerrechtswidrig.[5] Wimmer sagte in demselben Interview: „Wenn man die in den letzten Jahren von Wikileaks gemachten Veröffentlichungen zur Grundlage seines Urteils macht, dann leben wir in Deutschland in einer Art NATO-Knast, wenn auch im Moment noch im offenen Vollzug.“[6] Das sind drastische Worte, die aber gehört werden sollten.

Die Situation ist und bleibt unübersichtlich und brandgefährlich. Donald Trump ist mit seinen Dekreten, Gesetzesvorlagen und Twitter-Attacken unberechenbar, und ebenso wenig garantiert das ihn umgebende Personal eine seriöse Friedens- und Sozialpolitik. Seit seinem Amtsantritt wird Trump boykottiert; aber es ist auch nicht auszuschließen, dass er psychisch gestört ist, was gleichermaßen, wenn auch anders, auf seine Gegner zutrifft. Die USA sind seit Langem eine Bedrohung für Frieden und Wohlergehen in der Welt, und das hat sich mit Trump bedauerlicherweise nicht geändert.

Als folgenschwere Erkenntnis ergibt sich, dass Europa nicht nur in Westeuropa und Russland geteilt ist, sondern auch Westeuropa in Gestalt der EU zweigeteilt wird: Auf der einen Seite befinden sich die von den USA aufgerüsteten militanten Baltischen Staaten, Polen, Bulgarien, und Rumänien, wozu nach dem Brexit noch Großbritannien stößt, das sich mehr und mehr den USA annähern und damit Probleme im Festlandeuropa herbeiführen wird. Das ist eine gefährliche Phalanx gegen Russland. Auf der anderen Seite stehen die übrigen EU-Staaten, die sich – mehr oder weniger – um ein vernünftigeres Verhältnis zu Russland bemühen werden und auch bemühen müssen (falls es nicht zu einem von den USA und der NATO angezettelten Krieg in Europa kommt).

Diese Konstellation wird in nächster Zeit zunehmend an Bedeutung gewinnen, insbesondere, wenn sich Großbritannien endgültig von der EU verabschiedet hat. Die Gefahr eines Krieges zwischen den USA mit der NATO gegen die Russische Föderation ist akut. Möge diese Katastrophe, die vor allem den europäischen Kontinent treffen würde, ein Rest gesunden Menschenverstandes verhindern.

Harold Pinter, einer der großen Schriftsteller und Denker, sagte 2005 in seiner Rede zur Verleihung des Nobelpreises für Literatur: „Ich glaube, dass den existierenden, kolossalen Widrigkeiten zum Trotz die unerschrockene, unbeirrbare, heftige intellektuelle Entschlossenheit, als Bürger die wirkliche Wahrheit unseres Lebens und unserer Gesellschaften zu bestimmen, eine ausschlaggebende Verpflichtung darstellt, die uns allen zufällt. Sie ist in der Tat zwingend notwendig. Wenn sich diese Entschlossenheit nicht in unserer politischen Vision verkörpert, bleiben wir bar jeder Hoffnung, das wiederherzustellen, was wir schon fast verloren haben – die Würde des Menschen.“ [7]

Er zitierte den chilenischen Dichter und Nobelpreisträger für Literatur, Pablo Neruda:

„Und eines Morgens brachen die Flammen aus allem,
und eines Morgens stiegen lodernde Feuer
aus der Erde,
verschlangen Leben,
und seither Feuer,
Pulver seither,
und seither Blut …“

Unser ganzes Streben, das der Gutwilligen und Friedliebenden, richtet sich nicht darauf, Recht zu haben oder zu „gewinnen“, sondern darauf, mehr Licht in die Welt zu bringen. Demzufolge sollte weniger auf die in den Netzen der Unlauterkeit, Intoleranz und Kriegshetze verfangenen Politiker und Journalisten gehört werden, als vielmehr auf die Denker und Aufklärer, die zurzeit im politischen Abseits stehen. Denn ohne Frieden in der Welt ist alles NICHTS. Durch die verantwortungslose, menschheitsgefährdende Politik wurden Millionen Menschen ermordet oder heimatlos, ganze Länder wurden zerstört. Wer ist dagegen aufgestanden? Millionen, die gegen Trump demonstriert haben, sollten gegen Krieg und Aufrüstung demonstrieren. Die Welt braucht eine machtvolle Friedensbewegung, damit sich endlich etwas ändert und die Menschheit einer sich anbahnenden Katastrophe noch entgehen kann!

 

[1] The New York Times, Donald Trump’s New York Times Interview: Full Transcript, 23.11.2016 http://www.nytimes.com/2016/11/23/us/politics/trump-new-york-times-interview-transcript.html?_r=0, 19.1.2017.

[2] Christian Kern, zit. n.: Michaela Braune, Kern: „USA mit schuld an Flüchtlingskrise“, Kronen Zeitung, 3.2.2017, http://www.krone.at/welt/kern-usa-mitschuld-an-fluechtlingskrise-scharfe-kritik-story-552237, 3.2.2017.

[3] Andreas Horchler, Ein erstes Abtasten, ARD-Tagesschau, 18.3.2017, https://www.tagesschau.de/kommentar/merkel-trump-125.html, 18.3.2017.

Zur gleichen Zeit fand in Moskau ein Treffen des bayerische Ministerpräsidenten Horst Seehofer mit dem russischen Präsidenten Putin unter wesentlich besseren Bedingungen statt. Offensichtlich wollte Seehofer damit ein Zeichen setzen.

[4] Willy Wimmer, K-Frage – keine Winterstiefel oder zu leise Stimme?, World Economy, 20.3.2017, http://www.world-economy.eu/pro-contra/details/article/k-frage-keine-winterstiefel-oder-zu-leise-stimme/, 19.2.2017.

[5] Willy Wimmer, zit. n.: Alexander Sosnowski, Merkel bei Trump, World Economy, 13.3.2017, http://www.world-economy.eu/details/article/merkel-bei-trump-cia-in-frankfurt/, 13.3.2017.

[6] Willy Wimmer, a.a.O.

[7] Harold Pinter, zit. n.: http://www.nobelprize.org/nobel_prizes/literature/laureates/2005/pinter-lecture-g.html, 20.11.2016.

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