Eine Blamage für die Geheimdienste der USA

 In FEATURED, Politik

Die Russen sind ja viel beschäftigte Leute. Wo auch immer irgendwo auf dem Globus ein Verbrechen geschieht – sie waren es. Das gilt selbst dann, wenn sich die Tat quasi gegen sie selbst richtet. Wie im Fall der Pipelines Nordstream 1 und 2, die ja zur Infrastruktur des russischen Handels mit Gas gehören. Aber Russen neigen offenbar zum selbstschädigenden Verhalten, wie u.a. die grüblerisch-selbstquälerischen Romane von Dostojewskij gezeigt haben. Und vor allem: Die Russen müssen es einfach gewesen sein, denn wären sie es nicht gewesen – welche Schlussfolgerungen müsste man dann ziehen? Wer hat denn ein Interesse daran, die Europäer von der Gasversorgung aus Russland abzuschneiden, um eigenes Fracking-Gas zu verkaufen? Wer hat genug Geld, technisches und militärisches Know How, um so eine Unternehmung zum Erfolg zu führe? Und wer könnte dergleichen vollbringen, ohne dass die sonst fast allmächtigen US-Geheimdienste Alarm schlagen? Der Autor hat mal drüber nachgedacht… Volker Freystedt

 

Am 26.09.2022 fanden in der Ostsee die ersten drei Sabotageakte an den Gaspipelines Nordstream 1 und 2 statt. Sofort stand die – aus Kriminalfilmen vertraute – Frage im Raum: “Whodunit? Wer ist der Täter?” Und wie bei Kriminalfilmen häufig auch (zumindest, wenn der Drehbuchautor über genügend psychologisches Raffinement verfügt) hatten alle ihren Lieblingsverdächtigen: Für die USA war es Putin, und für Russland waren es die USA. Alle anderen Zuschauer hängten sich mit ihrer Meinung an den von ihnen präferierten Meinungsführer an.

Sprich: die Medien des “Wertewestens” zeigten unisono auf den Bösewicht in Moskau – bzw. sie hielten ihren Zeigefinger einfach weiter in die Richtung, in die er bereits seit Ende Februar 2022 zeigte, seit nämlich Russland in die Ukraine einmarschierte. Die Attribute waren damals schnell vergeben: “völkerrechtswidrig” und (in englischsprachigen Medien) “unprovoked”.

Doch versuchen wir einmal so neutral wie möglich an die Sache heranzugehen, dann stellen sich nacheinander drei Fragen: 1. Wer hatte ein Motiv? 2. Wer hatte die Mittel? 3. Wer konnte die Tat unbemerkt ausführen?

1. Wer könnte ein Motiv haben, die Gaspipelines zu beschädigen?

Da ist die Palette ziemlich umfangreich. Jemand, der den Lieferanten (Russland) schädigen will, oder den Abnehmer (Deutschland und teilweise weitere EU-Länder). Oder jemand, der seine eigene Ware ersatzweise anbieten möchte – zu erhöhten Preisen selbstverständlich. Oder Spekulanten, die von der Unsicherheit und den Preissprüngen profitieren. Oder jemand, der die Abkehr vom bösen Gas beschleunigen möchte. Bestimmt kämen theoretisch noch weitere Motive infrage, aber machen wir schon mal weiter mit Frage 2:

2. Wer verfügt überhaupt über die zur Sabotage nötigen Mittel?

Da wird es schon schwieriger, weil zum einen niemand mehr bestreitet, dass die Schäden durch Sprengungen verursacht wurden, zum anderen aber noch Unklarheit herrscht, welche Mittel dazu angewendet wurden. Jedenfalls ist klar, dass es sich um eine größere Menge Sprengstoffe gehandelt hat, die man nicht mit einem unauffälligen Segel- oder Schlauchboot transportieren kann. Und schon gar nicht an drei (später kam noch eine vierte Sprengung hinzu) verschiedenen Orten. Spekulationen gehen von U-Booten, Drohnen oder Spezialtauchern aus, auch die Möglichkeit, dass die Sprengsätze schon früher angebracht und jetzt ferngezündet wurden, wird in Erwägung gezogen.

Damit dürften bereits die meisten unter Punkt 1 Aufgezählten als mögliche Täter wegfallen.

Noch weiter schränkt sich der Kreis der Verdächtigen ein, wenn wir zur dritten Frage kommen:

3. Wer konnte eine solch spektakuläre Tat unbeobachtet ausführen?

Wird z.B. in eine Bank oder ein Firmengebäude eingebrochen, ist eine der zentralsten Fragen der Ermittler: Was zeigen die Aufzeichnungen der Videoüberwachung? Und wenn dann keine Aufnahmen vorhanden sind, weil das System just zu der Zeit versagt hatte… Was denkt sich wohl der Kommissar in einer solchen Situation?

Was im Krimi der Kommissar, sind bei international verflochtenen Anschlägen die Geheimdienste. Davon gibt es allein in den USA (unter der obersten Behörde IC) 18. Nicht alle sind für das Ausland zuständig, aber vor allem die CIA und die DIA. Hinzu kämen in diesem konkreten Fall noch die jeweiligen Dienste der Air Force und der Navy, vor allem aber die NRO mit ihren Spionagesatelliten.

Wie diese Dienste bewiesen haben, entgeht ihnen fast nichts auf diesem Planeten. Wenn es für notwendig erachtet wird im Pentagon oder im White House, finden sie unliebsame Individuen im hintersten Winkel und “eliminieren” sie.

Und jetzt soll dieser Putin es geschafft haben, an mehreren Stellen der Ostsee ziemlich heftige Detonationen hochgehen zu lassen – und das unbeobachtet von US-Amerikanischer “Intelligence”?

Wenn dem so wäre, wenn die Geheimdienste der USA und ihrer verbündeten Staaten bis heute keine Beweise vorlegen können, dann müssten doch Konsequenzen folgen; dann müssten die Medien “Skandal!” schreien, und die Verantwortlichen müssten ihre Posten verlieren. Die Arbeit der Geheimdienste mit ihren vielen Mitarbeitern und gigantischen Ausgaben müsste infrage gestellt werden. Und die Führungsfähigkeit des obersten Dienstherrn, Präsident Biden, in Zweifel gezogen werden.

Zu erwarten gewesen wäre: Russland hat die Pipelines gesprengt – Russland leugnet – da kommen die USA und legen eindeutige Beweise auf den Tisch – Putin ist entlarvt! Fall gelöst! Abspann!

Und jetzt zum Wetter…

 

Verfasst wurde dieser Artikel am 10.10.2022, als auch vom Bundesnachrichtendienst noch ermittelt wurde.

 

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