Eine glückliche Familie – und Ihr habt das möglich gemacht!

 In Holdger Platta

68. Bericht zu unserer Spendenaktion „Helfen wir den Menschen in Griechenland!“ Liebe HdS-Leserinnen und liebe HdS-Leser, in meinem letzten Bericht hatte ich Euch relativ ausführlich informiert über das Verhandlungsergebnis der griechischen Regierung mit den sogenannten „Geberländern“ vom 1. Mai. Mein bitteres Fazit lautete (sicher erinnert Ihr Euch): dieser 1. Mai war eher ein Internationaler Kampftag der Ausbeuterklasse gewesen (inklusive Sieg für dieselbe) als ein Tag fairer Verhandlungen mit dem Ergebnis menschlich und volkswirtschaftlich guter Auswirkungen für Griechenland! Ich werde darüber beim nächsten Mal weiterberichten. Nicht zuletzt deshalb, weil dann – vielleicht – schon erste Ergebnisse vorliegen werden dazu, wie das griechische Parlament über diese neuen Kaputtmachersanktionen abgestimmt hat. Heute hingegen will ich ganz ausschließlich darüber berichten, wo und wie unsere ‚Außenhelfer’ inzwischen wieder in Griechenland tätig gewesen sind. (Holdger Platta)Doch zuvor – wie immer an dieser Stelle – zum allerneuesten Spendenstand: In der Vorwoche hatten wir uns – typisch für den Monatsbeginn (der DauerspenderInnen wegen) – über 19 SpenderInnen freuen können und über 797,50 Euro Spendeneingang. In den letzten sieben Tagen kamen, überwiesen von 7 Spenderinnen und Spendern, 265,- Euro hinzu. Ich räume ein: ich hatte mehr erwartet. Einmal deshalb, weil unsere Unterstützerin Bettina Beckröge bei einer gutbesuchten Friedensveranstaltung in Stuttgart 100 Flyer zu unserer Hilfsaktion verteilen konnte, am Anfang dieser Woche war das. Und zum anderen deshalb, weil ich die Möglichkeit hatte, über den Mailverteiler eines linken Bundestagsabgeordneten rund 1.000 Menschen in der Bundesrepublik über unsere Hilfsinitiative informieren zu können, am vergangenen Sonntag schon. Gleichviel: ich danke selbstverständlich allen Spenderinnen und Spendern sehr herzlich für die weitere Unterstützung unserer Aktion! Und selbstverständlich auch Bettina Beckröge für ihr Stuttgarter Engagement!

Karl-Heinz Apel (dessen Ehefrau Ursula leider einen Unfall hatte – gute Besserung, liebe Uschi!) hat inzwischen die beiden Krankenhäuser aufsuchen können, die bei seiner Griechenlandreise dieses Mal auf seiner „Lieferliste“ standen, das Gesundheitszentrum der Stadt Neapolis und das Kreiskrankenhaus von Molai. An beiden Stellen konnte er die – dringend benötigten! – Verbandsstoffe abgeben und auch mit den verantwortlichen Ärzten sprechen, mit Dr. Kefallidis und Dr. Sarangitis in Neapolis sowie Dr. Kellariadis in Molai. Die Freude war überschwänglich, schrieb mir Karl-Heinz Apel dazu. Und an dieser Stelle füge ich ein Foto der beiden Ärzte von Neapolis ein:

 

Tassos Chatzatoglou – Ihr wißt: unser zweiter ‚Außenhelfer’, der zur Zeit in Griechenland unterwegs ist, um in unserem Auftrag den vielen von uns betreuten Menschen wenigstens ein bißchen herauszuverhelfen aus ihrer Not -, Tassos Chatzatoglou hat, zusätzlich zu dieser Arbeit, einen weiteren, überaus eindrucksvollen, Bericht geschrieben über seine Hilfsreise durch Griechenland. Diesen Bericht möchte ich hier einfügen, nahezu ungekürzt. Ein weiteres Mal zeigt sich darin, wie entsetzlich und wie entsetzlich konkret die Not ist, gegen die wir, mit unseren bescheidenen Mitteln, anzugehen versuchen. Und eigentlich müßten Berichte wie diese Zwangslektüre sein für die Politiker der völligen Gleichgültigkeit in Brüssel und anderswo. Tassos’ Bericht erzählt aber auch von der Freude, die Eure Hilfe bei einigen der Betroffenen auszulösen vermochte. Und sehr, sehr gerne gebe ich den Dank dafür auch weiter an Euch:

 

„Lieber Holdger, liebe Alle,

die ist mein Bericht der ersten Woche in Griechenland, einer Woche voller Überraschungen mit wechselnder Wirkung auf mich. Es ist furchtbar, was dieses Volk mitmacht. Es ist ein Kampf ums nackte Überleben. Keiner weiß, was die nächsten Stunden bringen werden. Täglich flattern schlechte Nachrichten in die Wohnzimmer der Hellenen. Das einzige, was die Bevölkerung machen kann, ist, diese Nachrichten zu klassifizieren: schlecht, schlechter als die Nachricht vor einer Stunde oder weniger schlecht. Und das tagtäglich. Sie nehmen das Ganze mit Apathie wahr. Fast sieben Jahre haben sie nichts anderes erlebt. Tagtäglich nur Schlechtes, kein positiver Augenblick. Im Zuge der Wahlen 2015 gab es Momente der Euphorie. Die Hellenen konnten kurze Zeit aufatmen, da sie glaubten, es wird ein Ende dieses Wahnsinns geben. Sie hatten bewusst anders gewählt, sie hatten bei der Volksabstimmung gegen diese menschenverachtende Politik gewählt, und sie hatten ihre Ablehnung bei der dritten Abstimmung innerhalb eines Jahres kundgetan. Geschehen ist nichts!!! Die gleichen Argumente, die gleiche Politik der Verarmung, die gleiche Politik des Wegsehens, was die Existenzprobleme der Griechen betrifft. Nichts hat sich verändert, die Kulisse und das Libretto sind gleich geblieben, nur die Schauspieler sind andere. Die griechische Tragödie bleibt bis auf weiteres am Spielplan. Es gibt nichts Neues in diesem Theater, oder anders gesagt: vom Süden Europas nichts Neues.

Unseren Schützlingen – den „Hauptdarstellern“ in meinem Bericht – geht es soweit gut. Dank unserer Hilfe, dank unserer Spenderinnen und Spender, geben wir einigen Hellenen das Gefühl, nicht allein zu sein. Es sind ca. 600 Familien, denen wir regelmäßig helfen können. Sehr viele kennen wir nichtmal persönlich, da wir den Institutionen helfen, die sie betreuen. Sie wissen aber durch Veröffentlichungen von Berichten zum Teil in Massenmedien, woher diese Hilfe kommt. Die Worte der Dankbarkeit höre ich dann, wenn ich mit Menschen, denen wir persönlich helfen, zusammenkomme, sowie von den Verantwortlichen der Organisationen, die diese Familien betreuen.
Die Ratlosigkeit, wie es weiter gehen soll, bekomme ich auch zu spüren. Ein ehrlich gemeintes Wort ohne Schmalz um die Ohren, um dem Helfer zu imponieren, herrscht bei den Gesprächen, die manchmal länger dauern als geplant: Danke, danke, danke, lieber Spender, und Dank an die Οργανωση, die Organisation, gemeint ist die IHW.

Mein erster Besuch galt dem 70jährigen Schauspieler Alexander. Nachdenklich ist er geworden, der Kampf um seine Pension hat ihn müde gemacht. Ein einfacher Besuch beim Frisör kann das Budget durcheinanderbringen. Der Frisör kostet 5 Euro. Das klingt billig, ist es aber nicht, wenn man sie nicht hat. So einfach ist das. Ich habe ihm Lebensmittel-Bons gegeben, die ich für ihn bereitgehalten hatte. Er hat mich gefragt, wie er mir helfen kann und wann Holdger nach Athen kommt. Ich nahm Alexander mit auf meine Reise nach Platanos, wo unser Schützling Stamatia lebt. Alexander kam das erste Mal seit vielen Jahren aus Athen raus und genoss es sichtlich.
Stamatia geht es wieder besser. Wir haben für Sie eingekauft: Nachthemden, Leintücher, eine Hose wünschte sie sich und eine leichte Jacke. Nach dem letzten Diebstahl hatte sie fast nichts mehr gehabt. Wir haben den Raum, wo sie gestürzt ist, gereinigt und ein wenig Ordnung im Haus gemacht. Alexander übernahm das Bad, und ich mähte den Rasen. Stamatia war überglücklich! Wir wurden Zeugen der Hilfsbereitschaft der Nachbarn. Wir haben mit Nachbarn über Stamatia gesprochen. Die 87jährige weigert sich, ins Altersheim zu gehen. Sie will ihr Ende im eigenen Haus erleben. Das Haus hatte sie mit ihren Mann gebaut, sie bleibt im Haus. Die Sozialfürsorge kommt seit unserer Meldung (Martha hat Stamatia bei der Sozialarbeiterin gemeldet) dreimal in der Woche, um nach dem Rechten zu schauen. Lebensmittel kauft die Nachbarin. Den Dieb der bei ihr alles geklaut hat, hat die Polizei inzwischen in Larissa verhaftet. Larissa liegt ca. 200 Km von Platanos entfernt. Meine Bemühungen, jemanden Vertrauenswürdigen zu finden, der gegen ein kleines Entgelt Stamatia’s Haus reinigt, blieben erfolglos. Der Apotheker in Livanates kümmert sich um das Problem. Wir verabschiedeten uns von Stamatia mit dem Versprechen, bei meiner Rückreise wieder bei ihr vorbeizuschauen.

Unsere Familie in Megara, die alleinstehende Mutter mit den Töchtern, habe ich gemeinsam mit Alexander und Martha besucht. Die Wohnung von Familie K. ist zwar nicht übermäßig groß, aber o. k. und – sie ist sauber! Panagiota bemüht sich sehr, sie sauber zu halten. Die ganze Familie, allen voran die kleine Rafaela, ist wie ausgewechselt. Sie lachen, und Rafaela ist nicht mehr so schüchtern. Maria hat nach wie vor Herzarhythmien. Eine Untersuchung ist geplant. Sobald die Schule aus ist, kommt sie ins Kinderkrankenhaus in Athen. Auch sie hat auf mich einen guten Eindruck gemacht. Sie hat mir das Bad gezeigt. Panagiota, die Mutter, erzählte mir, das erste, was die Kinder gemacht hätten, war zu baden. Auch Angeliki war da. Sie zeigte mir voller Stolz ihren neuen Ausweis. Mit dem wird sie bei der Sozialversicherung angemeldet. Auch dem Kaffeehaus, in dem sie arbeitet, haben wir einen Besuch abgestattet. Es liegt in Pachy direkt am Meer und wird hauptsächlich von jungen Leuten besucht. Die Großmutter kennt den Besitzer. Pachy ist eine für die Region typische kleine Ortschaft, die an Wochenenden hauptsächlich von Athenern besucht wird. Zurück zur Familie: im Zuge eines Gesprächs mit der Mutter hat Alexander Panagiota über die Möglichkeit von Solidaritätszuschüssen der Gemeinde aufgeklärt. Panagiota wird sich beim Bürgermeister erkundigen. Beim Erzählen, was sie alles unternommen hat, um einen Job zu bekommen brach sie in Tränen aus. Die Mutter ist nach meinen Begriffen schwerst traumatisiert. Das Leben im Verschlag, anders kann ich das Haus, in welchem sie wohnten, nicht bezeichnen, hat sie auch depressiv gemacht. Die Kinder werden leichter – denke ich – in ein normales Leben zurückfinden. Rafaela genießt das Spielen mit anderen Kindern, einen Kindergartenplatz bekommt sie bald. Panagiotas größter Wunsch ist es, wieder arbeiten zu gehen. Sie geht jetzt täglich zum Arbeitsamt. Bis jetzt erfolglos. Ich habe die Kinder nach ihrem größten Wunsch gefragt. Die kleine Maria hat sofort geantwortet, die Schule weiter  besuchen zu können:  „Auch wenn ich eine Klasse nicht schaffe, werde ich so lange die Klasse wiederholen, bis ich es schaffe. Meine Schule, das ist mein Wunsch!” Ich muss zugeben, ich war den Tränen nahe. Aber alle waren überrascht von der ehrlichen Antwort dieses Mädchens. Die Möglichkeit, eine Schule zu besuchen in der Nähe des Wohnhauses, ist für das Kind von großer Bedeutung.
Panagiota, bedankt sich bei Bettina, den andern Spenderinnen und Spendern, der IHW und bei uns allen, die sich so liebevoll um sie und ihre Familie kümmern. Insgesamt hatte ich den Eindruck, eine andere, eine glücklichere Familie angetroffen zu haben als bei meinen letzten Besuchen.
Es war spät, als wir uns von der Familie verabschiedeten. Die Rückreise auf der absolut leeren Autobahn hat uns die Möglichkeit gegeben, uns gedanklich ein wenig zu erholen. Eine glückliche Familie lebt nun in einer ordentlichen Wohnung, die Spenderinnen und Spender haben das möglich gemacht.
Es ist eine Tatsache: die Krise hat Griechenland und seine Bewohner verändert. Es bleibt nur der Wunsch, dass sich die Politik auch verändern möge. Die Pensionen werden ab 2019 abermals gekürzt, Schulküchen werden im gesamten Land wie Pilze aus dem Boden schießen. Die Politik wird es schaffen, die Armen noch ärmer zu machen. Griechenland und seine Bewohner werden das Licht der Sonne, die unser Leben hier beeinflusst, ab jetzt als ein Störfaktor betrachten. Die Perser, Römer, Avaren, Osmanen und die Deutschen konnten dieses Land nicht von der Erdkarte löschen. Womöglich schaffen es die Banken! Die Frage, die ich nicht zu beantworten mag, ist, wer ist der nächste?

Ich grüsse Euch alle herzlichst aus Athen,

Eurer Tassos“

 

Tassos Chatzatoglou fügte diesem Bericht vom Sonntag, den 7. Mai, zwei Tage später noch die folgenden Nachrichten hinzu. Auch diesen Bericht möchte ich an dieser Stelle fast ungekürzt zitieren:

„Gestern fuhr ich erneut zu Frau Stamatia nach Platanos. Wie ich in meinem letzten Bericht bereits erwähnt hatte, suche ich eine Frau, die Stamatia hilft. Ein Apotheker in Livadia hatte jemanden gefunden. Leider war die Frau nicht für diese Arbeit geeignet. So muss die Suche weitergehen. Am Abend traf ich Spiros, der ja an Multipler Sklerose leidet. Er hat den Eindruck, erzählte er mir, dass es ihm mit den Nahrungsergänzungsmitteln ein wenig besser gehe. Die Krankheit sei stabil. Einen Job hatte er bekommen, allerdings war er den ganzen Tag der Sonne ausgesetzt (hier in Athen derzeit 27 Grad, für nächste Woche sind sogar 39 Grad vorausgesagt). Nach ein paar Stunden Arbeit bekam er Schmerzen in den Gliedern. Deshalb war er unfähig, die Aufgabe zu bewältigen. Er sucht nun weiter und hofft auf einen anderen Job. Er ist ein Mann mittleren Alters, der seinem Schicksal mit Humor begegnet. Natürlich war er sichtlich froh, als ich ihm versprach, ihm Lebensmittel-Bons bei unserem nächsten Treffen zu geben. Heute, Dienstag, habe ich den kleinen Dionysis besucht. Seine älteren Geschwister waren in der Schule. Chara, die Mutter, übergab mir, penibel sortiert, die Apotheken-Rechnungen. Dionysis verträgt bereits Bohnen, Linsen und Kichererbsen, erzählte mir Chara überglücklich. Weizen, Milch, und Milchprodukte sowie auch Eier sind leider immer noch tabu, weil für ihn gefährlich. So muss Dionysis weiterhin mit einer speziell an seine Bedürfnisse angepasste Diätnahrung ernährt werden. Die IKA, die Sozialversicherung, zahlt nach wie vor nichts dazu! Auch Dionysis bleibt weiterhin auf der Liste unserer Bedürftigen.“

 

Liebe HdS-Leserinnen und HdS-Leser, der Hinweis am Schluß der Mail von Tassos Chatzatoglou hätte eigentlich erneut ein Anlaß zu sein, auch die Politik nicht zu vergessen bei all unserer Hilfe und all unserem Helfenwollen. Und Ihr wisst ja: wir ertränken unseren Protest gegen die Kaputtmacherpolitik der Euro-Staaten sehr, sehr bewusst nicht in „Caritas“. Wieder und wieder stellen wir uns auch der politischen Dimension der Probleme, mit Analyse und Kritik. Aber, wie anfangs mitgeteilt: dazu beim nächsten Mal wieder mehr! Heute sollten, ganz konkret und ganz direkt, die Menschen selber im Mittelpunkt stehen, um die es uns geht, nicht die Verursacher dieses Elends (die permanent behaupten, für sie stünden die Menschen im Mittelpunkt!). Ich denke, die Berichte von Tassos zeigen präzise jene Wahrheit auf, die wieder und wieder das Politikergefasel von Schäuble & Co Lügen straft.

 

Und damit  zu meinen obligaten Schlußhinweisen:

 

Wer uns bei unserer Hilfe für Menschen in Griechenland unterstützen will, unter dem Stichwort „GriechInnenhilfe“,  oder wer auch uns Akteure wieder mal mit Organisationsgeldern helfen will (dann bitte unter dem Stichwort „HDS“), der überweise uns bitte Spendengelder auf das folgende Konto:

Inhaber: IHW
IBAN: DE16 2605 0001 0056 0154 49
BIC: NOLADE21GOE

Und hier nochmal die Kontaktdaten von Peter Latuska, an den Ihr Euch wenden könnt, wenn Ihr Patenschaften übernehmen wollt oder eine Spendenbescheinigung benötigt (für Spendenbeträge bis 200,- Euro genügt fürs Einreichen beim Finanzamt Kopie oder Original Eurer entsprechenden Kontoauszuges):

Peter Latuska
Theodor Heuss Str. 14
37075 Göttingen
Email: latuskalatuska@web.de

Mit herzlichen Grüßen

Holdger Platta

Euer Holdger Platta

 

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