Eine unbequeme Zeitzeugin – auch für die, die sie jetzt instrumentalisieren

 In FEATURED, Politik (Inland)

Esther Bejarano mit Sohn Joram und Kutlu Yurtseven 2015. Foto: Jwh, Wikipedia Luxemburg

HdS-Leserin Ullrike Spurgat gedenkt der Holocaust-Überlebenden und Antifaschistin Esther Bejarano auf ihre besondere Weise. Die aufrechte Kämpferin, Musikerin und Ehrenvorsitzende des „Auschwitz-Komitees“ war nämlich keine leicht handhabbare Unterstützerin des politischen Mainstreams der Nachkriegszeit gewesen. Als Unterstützerin der Organisation BDS, die sich für die Rechte der Palästinenser einsetzte, wurde sie absurderweise sogar mit dem Vorwurf des „Antisemitismus“ konfrontiert. Sie machte auf unbequeme Weise auf die Kontinuität zwischen Nazi-Diktatur und Bundesrepublik sowie auf die innere Verbindung von Faschismus und Kapitalismus aufmerksam. Zudem bekannte sie sich zum Kommunismus. Die Staatsgewalt attackierte sie noch als ältere Dame brutal während einer Demonstration. Nun wollen sich alle gern mit ihr schmücken – auch Kräfte, die Esther Bejarano immer bekämpft hat. Ullrike Spurgat

 

Erich Mühsam geht durch meine Gedanken und lässt meiner Trauer um Esther Bejarano mit seinem Gedicht, vertont von dem Kommunisten Ernst Busch, freien Lauf: „Wollt ihr denen Gutes tun, die der Tod getroffen, Menschen, laßt die Toten ruhn, und erfüllt ihr Hoffen.“ (Geschrieben auf den grausamen Ersten Weltkrieg)

Ein gewagter Zusammenhang? Nein, das denke ich nicht.

Esther Bejarano, ach wer da alles wieder über sie schreibt. Selbst in ihrer Wahlheimat Hamburg lassen es sich die Schmeißfliegen-Politiker, wie der Scholz und der Bürgermeister T. nicht nehmen, zu sülzen, bis die Schwarte kracht.

Als Kommunistin und Antifaschistin stand sie aufrecht, dem Leben zugewandt, voller Lebensfreude. Nach einer grauenvollen Zeit hat sie sich den Kampf gegen den aufkommenden Faschismus in Deutschland zur Lebensaufgabe gemacht.

Ein lebendige Frau, die bis ins hohe Alter gegen Rassimus, gegen Faschismus und Krieg kämpfte. Sie unterstützte die BDS-Bewegung, die fordert, dass Palästina das Recht auf einen eigenen Staat hat. Sie wurde Mitglied der Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes, und später dann der DKP.

Esther Bejarano stellte früh den Zusammenhang zwischen Faschismus und Kapitalismus her.

Sie überlebte Auschwitz und den „Todesmarsch“. Die sogenannten „Antideutschen“, eine Gruppe bei der Partei „Die Linke“, beschimpften sie als „Antisemitin“, weil sie die Bewegung BDS unterstützte, die für Palästina einsteht.

Esther war Jüdin. „Ich habe Auschwitz und den Todesmarsch überlebt und ich lasse mich nicht als eine ‚Antisemitin‘ beschimpfen.“

1982 trat sie in Bochum bei dem Konzert „Künstler für den Frieden“ auf. Über 200 000 Zuschauer waren dort dabei. Ich kann mich gut daran erinnern.

1986 gründete sie mit anderen Überlebenden aus Auschwitz das „Auschwitz Komitee“, deren Ehrenvorsitzende sie bis zu ihrem Tod gewesen ist.

2004 kam es zu einem Eklat, als die Staatsgewalt das Auto in dem Esther Bejarano saß, mit Wasserwerfern attackierte und sie mit brutaler Gewalt daran hinderte, per Lautsprecher auf einer Demo gegen Neonazis zu sprechen.

Mit 94 Jahren stand sie mit Konstantin Wecker auf der Bühne der Künstlerkonferenz „Melodie & Rhythmus“, denn sie war ja bekannt für ihren Elan und Schwung auf den Bühnen der Welt, immer den Frieden und die Menschlichkeit im Gepäck dabei.

Gemeinsam sangen sie das alte Lied der Partisanen „Bella Ciao“.

Konstantin Wecker – wo bist du???

Keith Jarret, der wunderbare Pianist und Komponist, dessen „Köln-Konzert“ mich immer wieder aus den roten Socken haut, war auch auf der Künstlerkonferenz zu hören.

Wecker ist wie einer, der mit einer Tarnkappe unterwegs ist. Er hat alle Glaubwürdigkeit verloren und ist letztendlich nun einer von Vielen.

Wir brauchen dich so, wie du damals in deinem Willy-Lied gefleht hast…

Über diese quirlige, leidenschaftlich kämpfende Frau könnte man schreiben und schreiben…

Selbst die, die sie letztendlich bekämpft haben, nämlich all die Schwätzer und Heuchler, die sich aus der Politik immer wieder dessen bedienen, womit sie nichts, aber auch gar nichts zu tun haben, zeigen damit, dass sie elende Parasiten und Schmarotzer sind und bleiben.

Sie klauen all das, was andere erkämpft haben, weil sie sich mit fremden Federn schmücken, weil sie nichts eigenes, außer Zerstörung, Gier und Unterdrückung besitzen. Sie sind wie eine leere Hülle, die mit dem verinnerlichten faulenden Gedankengut nicht überleben könnte. Sie brauchen das Lebendige, sie brauchen unsere Liebe und unser Mitgefühl. Sie brauchen das, was uns zum Menschen macht. Ohne das alles wären ihre Tage gezählt, und wir würden sie vom Hof jagen, und sie landeten dort, wo sie hingehören: auf dem Müllhaufen der Geschichte.

Kürzlich las ich an anderer Stelle: „Möge dir die Erde leicht sein, liebe Esther“.

„Weil ich den Holocaust überlebt habe und weiß, was uns bevorsteht, wenn wir nicht alle gemeinsam gegen diese menschenverachtende Ideologie kämpfen: Nie wieder Faschismus! Nie wieder Krieg! Nie wieder Schweigen!“

Anzeigen von 2 Kommentaren
  • Freiherr
    Antworten
    Danke ! –

    für diese „flammende“ Rede FÜR eine unbestechliche Antifaschistin –

    und GEGEN den Faschismus !

    Leider auch wieder mehr als nur notwendig geworden, in diesen faschistisch-diktatorischen Zeiten, verbrochen durch das Merkel-Regime.

    Und ja – auch der Zentralrat der Juden kann sich da noch eine „Scheibe abschneiden “ – denn diese Frau stand fest für eine Gerechtigkeit für ALLE.

    Diese Lücke zu füllen nun, da sieht es schlecht aus, in diesen faschistischen Zeiten, auch weil die Zeitzeugen aussterben.

    Und die selbsternannten Apologeten des Antifaschismus haben sich ja unter dem Faschismus  hinweggeduckt, Wecker und Konsorten.

     

     

     

     

     

     

  • Die A N N A loge
    Antworten
    Liebe Ulrike, ich danke dir für deinen feinfühligen so, wie ich mich auch bei Roland bedanken möchte.

    Ich möchte deinem Text nichts hinzufügen, liebe Ulrike. Deine Worte lassen Esther Bejarano in uns lebendig werden.

    Nur eine kurze persönliche Momentaufnahme möchte ich hinzufügen. Einmal  durfte ich sie live erleben,  2018 auf dem UZ Pressefest in Dortmund. Eine zierliche Person, körperlich durch ihr Alter sichtlich gezeichnet, seitlich von Helfern gestützt, wurde auf die Bühne begleitet. Es war Esther Bejarano. Sie wirkte so zerbrechlich. Ich hatte kurz Zweifel, wie sie diesen Auftritt überstehen würde, als sich das Unglaubliche ereignete: kaum stand sie am Mikrofon auf der Bühne, ging ein Ruck durch ihren durch ihren Körper, sie richtete sich gerade auf, ihre Augen erhellen sich zum klaren Blick, ihr ganzes Gesicht fing an zu strahlen… und dann ertönte ihre warme, klare und entschiedene Stimme. Diesen Moment werde ich nie vergessen.

    Ihre Stimme werde ich mir im Herzen bewahren.

    LG, Bettina

    https://youtu.be/1zmaxbvePN8

     

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