Endlich aufrüsten!
Eine finstere Periode deutscher und europäischer Geschichte neigt sich dem Ende zu: eine Zeit, in der Abrüstungssofties die Tagesordnung bestimmten, unser aller Sicherheit gefährdeten und die Bilanzen Not leidender Rüstungskonzerne in den Keller trieben. Doch damit ist es jetzt vorbei. Trump, der Global Leader, befielt: die Europäer müssen mehr Geld in Rüstung stecken, und seine Vasallen in Übersee folgen. Ob so viel Rüstung überhaupt nötig ist? Zweitrangige Frage. Erst mal die Panzer und Raketen anschaffen, ein Verwendungszweck wird sich dann schon ergeben. Russland taugt im Zweifelsfall immer gut als Feindbild. Autor Ludwig Schumann macht in seiner sarkatischen Abrechnung ganz deutlich: Wer Geld in Rüstung steckt, stielt es aus anderen Töpfen, z.B. für soziale oder kulturelle Zwecke. Nicht jeden von uns trifft es, für das Militär zu töten und zu sterben; aber uns allen raubt Aufrüstung ein Stück unserer Lebensperspektive. (Ludwig Schumann)
Trump sei Dank! Endlich gibt es wieder Feindbilder. Nicht, wie gedacht, neue. Man hörte förmlich das vergnügte Aufatmen unserer Panzer-Uschi, der vormaligen Familienministerin mit dem Rommel-Blick, als sie nach dem Gespräch mit dem amerikanischen Außenminister Bad Boy Putin wieder ins Feld führen konnte. Die Tagung hat es gezeigt: Die USA stehen fest an der Seite der EU, nur braucht die Rüstungsindustrie mehr Geld. Nein, sagte Panzer-Uschi fröhlichen Gesichtes in die deutschen Wohnzimmer, natürlich wäre sie nicht froh, dass die Amerikaner solchen Druck machten, aber sie hatte ja längst vorher schon Bedarf angemeldet. Bei den Aufgaben, die wir haben.
Nun gut, mit den Konzentrationslagern für Flüchtlinge in Tunesien, das wird erst mal nichts. In Libyen hätte man es auch einfacher gehabt, hätte man noch mit Gaddafi dealen können. Eine Reihe Journalisten wirft Westerwelle heute noch vor, dass er sich nicht am Wegbomben Gaddafis beteiligt hatte, also uns nicht beteiligt hatte. Was ich nach wie vor für die klügste Idee des ehemaligen Außenministers halte. Aber nun haben wir das Problem mit den Leuten, die hier schwarz einreisen wollen. Das heißt, wir müssen uns engagieren. Im Mittelmeer. Das kostet Geld. In Mali. Das kostet Geld. In Afghanistan. Das kostet seit 1978 Geld. Solange geht der Krieg mit wechselnden Feinden und wechselnden Partnern in diesem nach unserem Bundesinnenminister sicheren Land, in dem wir nach SPD-Verteidigungsminister Peter Struck Deutschland am Hindukusch verteidigen. Klingt ein bisschen, als gäbe es das großdeutsche Reich noch oder wieder? Zumindest sind die Grenzen verrückt, etliche der eingesetzten Soldaten wurden es auch.
Endlich werden wir also gezwungen, aufzurüsten. Panzer-Uschi meinte, es sei schön zu hören gewesen, dass Mad Dog Mattis deutlich gemacht habe, dass die USA „unverbrüchlich“ zu den Werten der NATO stünden. „Wir stehen weiterhin und auch in Zukunft in unverbrüchlicher Freundschaft zur Partei und zum Volk der Deutschen Demokratischen Republik.“ Sie sehen, die Sprache der ehemaligen Kader holt uns ein, schneller als gedacht. Aber das ist ja auch nur logisch: Wenn man gemeinsam an der Klassenfront kämpfen will, wird man auf die gleiche pseudoreligiöse Sprache sich einigen müssen. Und wenn dann schon einer sagt, dass eine Nation nur sicher sein kann, wenn sie Freunde hat, dann muss man, nein, darf man auch endlich Geld in die Hand nehmen, um diese hehre Freundschaft auch zu verteidigen.
Wir können da mal die Krim ins Spiel bringen, um eine Ansicht der Gefährlichkeiten zu haben, aus denen die Welt besteht, für die wir gerüstet sein müssen. Zwei Dinge führte sie ins Feld, die deutlich machen, weshalb es so wichtig ist, dass es das „tiefe Vertrauen, dass wir füreinander einstehen“ gibt: Der globale Terrorismus und die Art und Weise, wie Russland seine Macht ausbreitet. Und weil das so ist, brauchen wir die Aufrüstung. Das hat sie so nicht gesagt, sondern da ist die Rede von 2 Prozent des Bruttoinlandproduktes. „Ich brauche übrigens auch genau diese Investitionen in der Bundeswehr“, setzte sie dazu. Ja, wo sonst?
Es waren übrigens Steinmeier und von der Leyhen, die gemeinsam für mehr Verantwortung Deutschlands in der Welt warben. Es wurde immer wieder gedrängt. Nur sah man in Deutschland bisher die Dringlichkeit nicht. Die Versuche, Putin zum bösen Buben schlechthin zu machen, blieben bisher wenig erfolgreich. Seit dem letzten Irakkrieg ist der Exportschlager „Demokratie“ ein wenig angestaubt, will mir scheinen. Das Konzept, Russland demokratisch einzukreisen, ist mit der Ukraine gebrochen. Und, bitte schön, wenn man über aggressives Verhalten nachdenkt, sollte man tatsächlich vor der eigenen Tür kehren und staunen, wie lange Russland zugesehen hat, wie in seinen ehemaligen Teilrepubliken ein amerikanischer Stützpunkt nach dem anderen entstand.
Nein, ich bin nicht für die Rückkehr unter die rote Fahne. Und in dieser Beziehung beruhigte mich auch seinerzeit ein besonnener Außenminister wie Steinmeier, der die Gesprächsfäden nicht abreißen lassen wollte, weder im Iran noch zu Russland. Jetzt aber weiß ich das nicht mehr. Wenn insgesamt – und wenn man mit den USA gleichziehen will, stünde diese Summe zur Debatte – in den nächsten Jahren von den Europäern um 200 Milliarden EURO mehr ausgegeben werden sollen, frage ich mich schon, wofür das gut sein soll. Würde man diese Summe in die Hand nehmen und Entwicklungen in den Ländern, aus denen aus Not die Menschen weglaufen, bewerkstelligen wollen, die dort Möglichkeiten eröffnen, Perspektiven, die es den Menschen ersparen, ihre Heimat verlassen zu müssen, würde man doch sehr viel effektiver arbeiten können. Aber das hieße eben auch, dort Entwicklungen zu fördern und nicht Eliten zu korrumpieren.
Ich höre ihn noch nicht, den Sturm der Entrüstung über das zum Fenster herauszuwerfende Steuergeld. Ich verstehe auch noch nicht, wieso es ihn nicht gibt? Es sind nicht die Flüchtlinge, die uns das Abendbrot vom Teller schnappen, es ist beispielsweise der militärisch-industrielle Komplex, der Geld vereinnahmt, das in die Bildung gehört. Oder eben in die Bildung von Perspektiven für Menschen in ihrer Heimat.
„Die Welt muss zittern.“ Der Autor T.C. Boyle kürzlich im „SPIEGEL“: „Ich glaube, dass wir an einem Punkt angelangt sind, an dem wir uns fragen müssen, ob die Errungenschaft der Demokratie mehr als eine kleine Episode in der Geschichte der Menschheit ist. Wird sich diese zerbrechliche Herrschaftsform, die sich in ein paar Ländern für einige Zeit durchgesetzt hat, als bleibender Fortschritt erweisen oder nur eine vorübergehende Verirrung der Geschichte bleiben, die in Wahrheit bestimmt wird von Raffgier und Mord und Totschlag?“ Und – sagt er – „Wir werden erleben, wie dieser Präsident nicht bloß das Land, sondern den ganzen Erdball um 50 Jahre zurückwirft.“
Von der Leyen sagte bereits vor der NATO-Tagung in Brüssel zu, dass die Europäer mehr in Rüstung investieren werden. Momentan, scheint mir, bleibt die Wahl zwischen dem Teufel in Moskau und dem Beelzebub in Washington. Der Washingtoner Beelzebub ist der unberechenbarere. Das zeigt auch sein Verschleiß an Beratern und Ministern.
Das ist doch blöd mit den Feindbildern. Sie verkrusten den Geist. Will sagen, wir brauchen mehr Menschen, die in ihren Köpfen wieder Raum schaffen für neue, positive Gedanken. Die Wege suchen für die Karre, die im Dreck festzustecken scheint. Ich finde immer noch, dass Europa ein Gedanke ist, der lohnt, weiter gedacht zu werden. Ein offenes Europa. Kein aufgerüstetes. Trump soll sich seine Lampenputzer sonstwo suchen.