Es gibt keinen guten Tag, um zu sterben
Der millionenfache Tod sogenannter „Nutztiere“ ist die eine Sache, vorenthaltenes, geraubtes Leben die andere. Wie sähe ein gelungenes, freudvolles, voll entfaltetes Tierleben aus? Man macht sich darüber normalerweise keine Gedanken. Kühe, Schweine oder Schafe sind keine Maschinen, auf Fressen, Verdauen und Arterhaltung beschränkt – auch wenn zahlreiche Tierdokumentationen sie mit Vorliebe beim „Kampf ums Dasein“ ablichten. Jeder, der Tiere mit Geduld und offenem Herzen beobachtet, erkennt, dass ihnen pure Lebensfreude und scheinbar zweckfreies Spiel möglich ist. Herumtollen unter einem weiten Himmel, sich im Gras wälzen, sich paaren… Dies alles wurde und wird ihnen von Menschen genommen. Sie verkümmern in engen Ställen, Boxen und Wagons, bis sie durch einen oft grausamen Tod „erlöst“ werden. Daniela kann all das nicht zur Kenntnis nehmen, ohne sich davon schmerzvoll betroffen zu fühlen. Sie verfasste anlässlich der jüngsten Mahnwache vor dem Münchner Schlachthof ein Gedicht zum Thema. (Daniela Böhm)
Wer stirbt schon gerne vor seiner Zeit?
An einem Tag, der die Erinnerung des Sommers in sich trägt,
und die Verheißung bunter Herbsttage.
An dem das Leben nach Umarmung ruft,
weil es geliebt und gelebt werden möchte.
Ein lauer Wind flüstert von Sehnsucht –
von duftenden Sommerwiesen, kühlem Gras,
und einem Leben, das vielleicht kaum eines war.
Es gibt keinen guten Tag, um zu sterben,
wenn die Zeit noch nicht gekommen ist.
Und kein Tod gleicht dem anderen.
Er spiegelt sich tausendfach in den verständnislosen Augen jener,
die ihm in schaukelnden Gefängnissen entgegenfahren.
Manchmal ist der Tod gnädig
und breitet seine Schwingen über schlafende Wesen aus.
Nicht an jenem Ort.
Ihre unbarmherzigen Henker sind nicht sehend.
Ihnen fehlt die Liebe zum Lebendigen.
Vielleicht haben sie selbst niemals Liebe erfahren,
und ihr Herz ist unter dem Gewicht des Todes entschwunden.
Doch wie können sie schlafen, wie können sie leben?
Mit all den flehenden, von Todesangst erfüllten Blicken?
Hunderte an einem Tag, Tausende in einer Woche,
Hunderttausende in einem Jahr.
Millionen Tode in einem Menschenleben.
Wer stirbt schon gerne vor seiner Zeit?
Nicht die Menschen, und auch nicht die Tiere.
Kein Tier ist ein Nutztier,
sondern Teil des großen Ganzen, wie ich es bin.
Ihre Sehnsucht nach Leben ist auch die meine.
Und ihr Glück. Ihre Liebe. Ihre Freude.
Ihr Kummer. Ihr Schmerz.
Ihre Angst. Ihr Leid.
Und auch in ihrem Tod bin ich ihnen verbunden.
In der verzweifelten Hoffnung, dass der Tod gnädig ist,
dass er schnell kommt und die Hand des Henkers keine Fehler macht.
In der kindlichen Hoffnung, dass im Land hinter dem Regenbogen,
dieser anderen Welt, deren Namen niemand kennt,
ein besseres Sein auf sie wartet.
In der Hoffnung, dass sich die Menschen wieder erinnern:
Wie es einmal war, ein Kind zu sein.
Mit diesem Staunen und der Liebe zum Leben, die Ausdruck allen Seins ist.
Mit dieser Liebe, die allen Lebewesen galt.
Und mit der Erinnerung an den Schmerz im Herzen,
wenn der Tod das Leben mit sich fortgerissen hat.
(Gedicht verfasst anlässlich der 12. Mahnwache am Münchner Schlachthof)
Jeder Krieg ist sinnlos.
Auch der Krieg gegenüber den Tieren, der tagtäglich und in jeder Sekunde in den Schlachthäusern dieser Welt tobt.
Erbarmen.
Für jene, die unter der menschlichen Erbarmungslosigkeit leiden.
Respekt.
Für jene, die ihn um ihrer selbst willen verdienen.
Achtung.
Für jene, die lange vor uns Menschen hier waren.
Mitgefühl.
Für jene, die fühlend sind – wie wir.
Liebe.
Für jene, welche diese Welt bunt und schön machen.