Es wird erneut geprügelt in Griechenland – aber Mitsotakis schadet das nicht

 In FEATURED, GRIECHENLAND, Holdger Platta, Über diese Seite

259. Bericht zu unserer Spendenaktion „Helfen wir den Menschen in Griechenland!“ In doppelter Hinsicht gleicht dieser Text heute einem Polizeibericht: da gibt es angeblich ein ungehorsames Volk – selbst auf einer Holzbank zu sitzen, ist neuerdings schon Widerstand und wird mit 1.200,- Euro bestraft; da gibt es aber vor allem eine Polizei, über deren Brutalitäten zu berichten ist! Nicht zum ersten Mal, wie jeder von Euch weiß. Holdger Platta

Liebe HdS-Leserinnen und liebe HdS-Leser,

um gleich zu Beginn eine Frage aufzugreifen, die ich hier in der letzten Woche gestellt habe: darf man den griechischen Umfrageergebnissen trauen, was die Parteienpräferenz der Bürgerinnen und Bürger betrifft? Tja, es gibt – ich sage gleich: leider! – keinen Grund, an diesen für die griechische Regierung so positiven Zahlenangaben Zweifel anzumelden! Mitsotakis scheint nach wie vor und tatsächlich über so viel Zuspruch zu verfügen, wie ihm von den Demoskopen zugesprochen wird. Und selbst während der letzten Tage zeigt das Zahlenmaterial diverser Meinungsforschungsinstitute kein anderes Bild. Immer noch sprechen sich rund 38 Prozent aller Befragten für die „Nea Dimokratia“ aus, für die ND, die Partei des ultrakonservativen Ministerpräsidenten Kyriakos Mitsotakis, und immer noch rangiert die SYRIZA, weit abgeschlagen, hinter der ND auf dem zweiten Platz – mit gerademal 23 Prozent. Doch hier das Ergebnis meiner Zwischenrecherche zum Thema „glaubhaft diese Zahlen: ja oder nein?“:

Sowohl der Umstand, dass sich die vielen verschiedenen Umfragen kaum im Ergebnis voneinander unterscheiden, als auch die Tatsache, dass mir Tassos Chatzatoglou, selber Grieche von Hause aus, Sozialwissenschaftler zudem und Griechenlandkenner par excellence, verneinte auf meine Fragen hin die Vermutung, dass diese Umfrageergebnisse womöglich getürkt seien. Ein Großteil der Massenmedien in Griechenland sind in der Hand von Sympathisanten der rechten Regierung unter dem „Neudemokraten“ Mitsotakis, zweifelsfrei, die demoskopischen Institute in Griechenland sind dieses aber nicht! Heißt also im Klartext: eine relative Mehrheit der griechischen Bevölkerung steht immer noch hinter den Amtsnachfolgern der SYRIZA. Und das bedeutet, für mich jedenfalls: die Enttäuschung vieler GriechInnen über die Tsipras-Partei ist immer noch so groß, daß man dieser den Bruch so vieler Wahlzusagen immer noch nicht verziehen hat. Ungestraft kann man einem Volk nicht Befreiung von materieller Not versprechen – und dann so ziemlich genau das Gegenteil dessen tun, was man versprochen hat!

Indirekt geht diese Zustimmung zur Politik der Herren Mitsotakis & Co. auch daraus hervor, dass eine deutliche Mehrheit auch hinter den rigiden Corona-Maßnahmen der Regierung steht. “Mehr als zwei von drei Befragten (68 %) sprechen sich für eine Ausdehnung der geltenden Kontaktbestimmungen aus“, so die Griechenland Zeitung (GZ) in ihrer Ausgabe vom 10. März dieses Jahres, unter Berufung auf Umfrageergebnisse des Meinungsforschungsinstitutes Pulse, die im Auftrag des Fernsehsenders Skai ermittelt worden sind. Und das in einer Zeit, da andere Ereignisse viele Griechen und GriechInnen durchaus in Angst und Schrecken versetzen und durchaus nicht alles, was – etwa im Zusammenhang mit „Schutz vor Corona“ – geschieht, auf Zustimmung der Menschen in Griechenland trifft. Zum Beispiel das Verhalten der griechischen Polizei. Aber konkret:

Am Sonntag, den 7. März dieses Jahres, war es im südwestlichen Vorort von Athen, in Nea Smyrni, zu folgenden Übergriffen einiger Polizisten gekommen:

Auf dem zentralen Platz dieser Gemeinde hatten Beamte, so gegen 14:50 Uhr, ein Bußgeld in der Gesamthöhe von 1.200,- Euro gegen eine Familie mit zwei Kindern verhängt, die es gewagt hatte, sich dort auf eine Bank zu setzen. Passanten hatten sich daraufhin bei der Polizei über deren Vorgehen beschwert. Folge dieses Hilfeversuchs: es kam zu gewalttätigen Auseinandersetzungen zwischen Bürgern und den sogenannten „Ordnungshütern“. Zwei Polizisten wurden angeblich verletzt; elf Personen kamen in Haft. Und im Fernsehen wurden anschließend Bilder „brutal prügelnder“ Polizisten gezeigt, so die GZ, „die von ihren Schlagstöcken Gebrauch machten“.

“Natürlich” kritisierten nach diesem Vorfall SYRIZA, die kommunistische KKE sowie die Partei des griechischen- Ex-Finanzministers Yannis Varoufakis, die MeRA25, diesen brutalen Polizeieinsatz. Yannis Varoufakis rief sogar zu einer gemeinsamen Aktion aller drei Parteien gegen derartige Übergriffe auf, zum Schutz der Demokratie und der Bürger, wie Varoufakis es formulierte.

Doch Mitsotakis darf sich weiter seine Zustimmungswerte freuen, und auch die beiden anderen Parteien, die KKE und MeRA25, krebsen gerademal bei 6 bzw. 3 Prozent Wählerzuspruch herum. Selbst in der Addition aller dieser Umfrageergebnisse für SYRIZA, KKE und MeRA25 bleibt also dieses – theoretische – Dreierbündnis weit hinter der ND mit deren 38 Prozent zurück: gerademal 32 Prozent aller Wählerinnen und Wähler hätte diese Oppositionsparteien hinter sich!

Nein, nach Wechselstimmung in Griechenland sieht das alles nicht aus. Das einzige, was nach diesem brutalen Polizeieinsatz am 7. März in Nea Smyrni passiert ist: einer dieser aggressiven „Ordnungshüter“ wurde vom Dienst suspendiert. Und nunmehr ermittelt – sage und schreibe: der Bock schwingt sich zum Gärtner auf! – die Polizei gegen diesen einen Brutalo in den eigenen Reihen. Freilich, dieses sei an dieser Stelle gerne ergänzt: auch die Staatsanwaltschaft soll sich, so die Griechenland Zeitung, „eingeschaltet“ haben. Na, da darf man ja gespannt sein, was bei dieser Untersucherei herauskommen wird! Oder eben auch nicht…

Und was ist von uns zu berichten?

Nun, vorweg: auch für mich überraschend, müssen wir jetzt doch noch einmal Laura beistehen, dem zehnjährigen Mädchen, das beide Füße verloren hat. Nacharbeiten sind erforderlich an ihren Prothesen, was insgesamt 1.500,- Euro kosten wird. Weil für die anderen Menschen, die von uns betreut werden, derzeit noch kein neuer Unterstützungsbedarf existiert, werden wir diesen Betrag übernehmen! Was freilich bedeutet, dass unser Spendenkonto wiederum auf gerademal knapp 500,- Euro zusammengeschrumpft sein wird. Denn der Neuzugang an Spendengeldern während der letzten Woche fiel wiederum eher bescheiden aus: lediglich 100,- Euro, überwiesen von 1 Spenderin an uns, gingen auf unserem Hilfskonto ein. Herzlichen Dank selbstverständlich an diese Unterstützerin – um so mehr, als es sich bei ihr um eine Dauerspenderin handelt! Gerade solch kontinuierlicher Beistand garantiert ja eine gewisse Zuverlässigkeit, was unsere Spendenaktion betrifft. Aber gleichzeitig seht Ihr daran, wie sehr wir doch, seit längerem schon, am Rande unserer Möglichkeiten arbeiten müssen. Etwas mehr Luft bei unseren Entscheidungen würde uns allen sehr gut tun – und natürlich vor allem den Hilfsbedürftigen in Griechenland selbst!

Unverändert also auch heute mein Appell, unsere GriechInnenhilfe weiter zu unterstützen! Womit ich, wie schon gewohnt, auch bei den erforderlichen Angaben bin, wie das geschehen kann. Also:

Wer uns Gelder für unsere Hilfe für Menschen in Griechenland zukommen lassen will, der überweise uns diese bitte unter dem Stichwort „GriechInnenhilfe“ auf das Konto:

IBAN: DE16 2605 0001 0056 0154 49
BIC: NOLADE21GOE
Inhaber: IHW

Wer eine Spendenbescheinigung benötigt – ab 201,- Euro erforderlich –, wende sich bitte an unseren Kassenwart Henry Royeck, entweder unter der Postanschrift Sültebecksbreite 14, 37075 Göttingen, oder unter der Mailadresse henryroyeck@web.de.

Mit herzlichen Grüßen
Euer Holdger Platta

Kommentare
  • Ulrike Spurgat
    Antworten
    Viele Griechen werden den Verrat von SYRIZA sich der EU 2015 zu unterwerfen nicht verzeihen können.

    Das griechische Volk hatte gesprochen mit OXI !

    Und das genaue Gegenteil ist dann passiert: Um die deutschen und französischen Banken zu retten hat man das Volk verraten und Tsypras war schneller im nimmersatten Rachen des gierigen EU Schlunds verschwunden und unverdaut wieder zurückgeworfen und in Merkels und Schäubles Würgegriff gelandet als der noch hätte Piep sagen können.

    Das griechische Volk hatte bei seinem Kampf eine breite Unterstützung vieler Menschen in der Welt und eine Welle der Solidarität erfahren. Der Mensch vergisst manches schnell zu schnell… – Hier aber wird sehr deutlich und das seit vielen Jahren wie wichtig die Menschen mit ihren Nöten in Griechenland in all den Jahren geblieben sind.

    Eine tolle Arbeit mit bemerkenswerten Menschen. Danke, Holdger Platta und all den Mitarbeitern. Mir ist natürlich bekannt, dass oftmals mit Knete vieles steht und auch fallen kann. Sobald ich kann werde ich im Rahmen meiner Möglichkeiten einen Betrag überweisen.

    In Krisenzeiten wie unschwer zu erkennen ist setzt man eher auf das “bewährte”, als auf konkrete gesellschaftliche Veränderungen, selbst dann noch wenn die Umstände unhaltbar sind. Man kennt sie und sie sind einem vertraut.

    Meine Wertschätzung, Anerkennung und Achtung für die ungebeugte konkrete Hilfe für die notleidenden Menschen in Griechenland die sich hier in berührender Weise zeigt wo der Mensch dem Menschen in Not ein Freund ist, insbesondere dann, wenn man sich selber nicht mehr helfen kann. Und genau da wird es konkret und wesentlich. Die Hand zu reichen und beim aufstehen da zu sein und solange an ihrer Seite zu bleiben bis man selber im besten Sinne sich “überflüssig” machen kann weil die Ebene der Begegnung sich ändert.

    “Du sollst dich nie vor einem lebenden Menschen bücken” hat mich mein kämpfender Vater zu Lebzeiten gelehrt, der zu leben, zu feiern und auch zu sterben wusste.

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