Europa ruiniert sich in Griechenland selbst!

 In FEATURED, GRIECHENLAND, Holdger Platta, Über diese Seite

107. Bericht zu unserer Spendenaktion “Helfen wir den Menschen in Griechenland!” Die Griechinnen und Griechen sind als Kollektiv hoch verschuldet.  Aber zu all dem politischen Elend, das für die Einzelnen in Form höherer Abgaben und der Streichung staatlicher Leistungen spürbar wird, addieren sich noch private Schulden. Über vier Millionen BürgerInnen stehen beim Finanzamt in der Kreide, auch Strom und Wasser bleiben sehr viele “schuldig”. Und man darf sich nicht vorstellen, dass die Behörden gegenüber den Armen  Milde walten lassen, nur weil offensichtlich ist, dass es sich weit mehr um ein systemisches als um ein privates Problem handelt. Verschuldeten hilft man nicht, man stiehlt ihnen noch mehr Geld – als “Strafe”. Das ist im Prinzip in Deutschland nicht anders. Wer im Schuldenstrudel feststeckt, wird zudem in demütigende, existenzvernichtende Rituale wie Pfändung und Hausräumung verwickelt. Kleiner Hoffnungsschimmer: Wenigstens unsere Spenderinnen und Spender verhalten sich weiter solidarisch.

Liebe HdS-Leserinnen und liebe HdS-Leser,

leider: unser Hilfsaufruf ganz speziell für Laura, die neue Prothesen als Gehhilfen benötigt, ist erfolglos geblieben! Und dies trotz der Tatsache, daß Evi und Tassos Chatzatoglou, unsere “Außenteamer”, in der letzten Woche zusätzlich noch einen eigenen Aufruf dazu auf Facebook veröffentlicht hatten – auf eigene Kosten übrigens. Dennoch halte ich an dieser Stelle fest:

Unsere Reserven, über die wir zur Zeit auf unserem Hilfskonto verfügen – rund 2.500,- Euro –, reichen aus, um der an beiden Beinen amputierten Laura die Neuanschaffung der Prothesen ermöglichen zu können (die Gelder sind bereits unterwegs nach Griechenland). Und auch das Spendenaufkommen während der letzten sieben Tage verzeichnet gegenüber der Vorwoche wieder einen deutlichen Anstieg. Überwiesen in der vorletzten Woche 5 UnterstützerInnen 355,- Euro an unsere Hilfsaktion, gingen zum Monatsende Februar bis heute, den 1. März (gegen 10 Uhr), 675,- Euro an neuen Spendengeldern auf unserem Konto ein, und die Anzahl der Helferinnen und Helfer unter Euch wuchs wieder auf 14 UnterstützerInnen an. Heißt: unsere Spendenaktion zeigt nach wie vor ein erstaunliches Ausmaß an Kontinuität und Beharrlichkeit. Im Namen aller OrganisatorInnen sage ich hiermit aufs herzlichste Dank für dieses fortdauernde Zeichen Eurer Solidarität!

Ansonsten – es ist leider so – gibt es nichts Gutes zu berichten aus dem kaputtsanierten Griechenland. „Das Volk ist pleite“, brachte es die „Sächsische Zeitung“ (SZ) am gestrigen Tag auf den Punkt. Und in einem erstaunlich gut informierten und gut informierenden Artikel legte deren Journalist Ferry Batzoglou umfangreiches Zahlenmaterial auf den Tisch für diesen schreckenerregenden Befund. Dass „Austeritätspolitik“, die seit Beginn der Krise zum Jahreswechsel 2009/2010 von Seiten der Euro-Staaten gegenüber Griechenland betrieben wird, identisch ist mit Verelendungspolitik, das beziffert dieser glänzend recherchierte Bericht des SZ-Beiträgers unter anderem mit der folgenden Statistik der Grausamkeiten:

• „Gehälter, Löhne, Renten und Pensionen wurden seit Anfang 2010 um bis 50 Prozent gekürzt, Steuern und Abgaben massiv erhöht, eine Vielzahl neuer Steuern und Abgaben in Athen eingeführt“ (SZ in ihrer Online-Ausgabe vom 28. Februar). Und unter der Zwischenüberschrift „2009 ging es den Menschen besser“ erläutert die „Sächsische Zeitung“ mit diesen Angaben den von mir so benannten „schreckenerregenden Befund“:

• „Wie der Gouverneur der Unabhängigen Behörde für Steuereinnahmen (AADE), Georgios Pitsilis, bekanntgab, standen zum 1. Januar 2018 genau 4.068.857 Steuerpflichtige beim griechischen Fiskus in der Kreide. Dies sind zwei von drei Steuerpflichtigen in Griechenland. Wie viel sie schulden? 99,97 Milliarden Euro. Dies entspricht 60 Prozent der griechischen jährlichen Wirtschaftsleistung. Im Schnitt schuldet jeder Steuerschuldner dem Fiskus 24.569,55 Euro. Wie pleite die Griechen wirklich sind, belegt Folgendes: 51,4 Prozent der Steuerschuldner, genau 2.201.910 Steuerpflichtige, schulden ihrem Finanzamt von einem Cent bis maximal 500 Euro. Sie sind folglich nicht in der Lage, auch nur bis zu 500 Euro aufzubringen, um ihre Steuerschuld zu begleichen.“

• Noch einmal sei also betont: über 4 Millionen Griechinnen und Griechen stehen in der Steuerschuld gegenüber dem Fiskus in ihrem Heimatland. Womit die Anzahl der Steuerschuldner gegenüber 2009 um das Vierfache angestiegen ist, als sich die Anzahl der Steuerschuldner in Griechenland noch auf 1.089.791 belief (mit einer Verschuldungssumme von 32,45 Milliarden Euro gegenüber 99,97 Milliarden Euro Verschuldungssumme jetzt im beginnenden Jahr 2018). Und weiter (ich zitiere erneut aus dem SZ-Bericht):

• „Die Folgen für jeden Steuersünder sind schlimm: Wer beim griechischen Fiskus in der Kreide steht, verliert nicht nur automatisch seine Steuerunbedenklichkeitsbescheinigung. Er kann selbstredend kein Auto oder Haus kaufen. Steuerschulden sind in Griechenland auch sehr teuer: Sie werden mit 0,73 Prozent pro Monat, und damit 8,76 Prozent im Jahr, verzinst.“

• Und schließlich auch dieses noch: „Um an das Geld zu kommen, führten die Finanzämter im vergangenen Jahr 1.721.911 Konto-Pfändungen durch. Ferner kam es zu 16.789 Zwangsversteigerungen. Ab 1. Mai werden alle Zwangsversteigerungen in Griechenland zugunsten der öffentlichen Hand digital über die Bühne gehen. Im Ernstfall verlieren die Griechen für ein paar Hundert Euro Steuerschulden ihr Heim mit einem Mausklick.“ Und dieses ist längst noch nicht das Ende vom bösen Lied. Auch bei der Finanzierung der Sozialkassen und bei den Bankkrediten, bei Strom- und Wasserrechnungen scheint noch längst nicht der Tiefpunkt der Entwicklung erreicht zu sein. Dazu erneut aus der Katastrophenbilanz der „Sächsischen Zeitung“:

• „Obendrein belaufen sich die offenen Sozialbeiträge bei den gesetzlichen Sozialkassen, die von Selbstständigen, Freiberuflern oder Arbeitgebern nicht entrichtet werden, auf mittlerweile mehr als 35 Milliarden Euro. Auch diese offenen Beträge werden mit 8,76 Prozent pro Jahr verzinst. Auch das Volumen der notleidenden Bankkredite, auch faule Kredite genannt, die per Definition mehr als 90 Tage nicht bedient werden, sind seit Ende 2009 in die Höhe geschnellt. Von rund 20 Milliarden Euro auf derweil 102 Milliarden Euro.“

• Und schließlich: „Im Vergleich dazu mögen die offenen Stromrechnungen in Höhe von gut zwei Milliarden Euro und die offenen Wasserrechnungen in Höhe von etwa 300 Millionen Euro wie Peanuts erscheinen.“ – „Peanuts“ freilich, eine Belastung, die – wie mehrfach schon von mir berichtet – vor allem die Ärmsten der Armen in Griechenland betrifft. Und auch die SZ nicht für eine Kleinigkeit hält. Denn, so ihr Mitarbeiter Ferry Batzoglou:

• „… weil es in Griechenland keine generelle Regelung für Privatinsolvenzen gibt, wachsen die Schuldenberge, alleine schon wegen der hohen Verzinsung. Und dies birgt nicht nur ökonomischen Sprengstoff. Wer will da noch behaupten, Griechenland sei ‚auf einem guten Weg, endlich wieder zu so etwas wie Normalität zurückzukehren‘? In Griechenland jedenfalls fast keiner.“

Ich füge hinzu: daran ändert auch die Gesundbeterei der Tsipras-Regierung nichts, und schon gar nichts das Gerede von der „Gesundung“ Griechenlands, das Politiker aus Westeuropa zum Besten geben. Es ist, als ob da nur Idioten sprächen und den gesamten Kontinent, unser Europa, zu einem Kontinent der Idioten machen wollten. Oder anders akzentuiert: als ob uns allen eine Politik brutaler Inhumanität als Menschenhilfe verkauft werden solle. Die Zerstörung jeglicher ökonomischen Vernunft und die Zerstörung aller sozialen Menschenrechte fallen in Griechenland in eins. Europa richtet sich mit den Resten seiner Legitimität in Hellas selber zugrunde. Und es steht zu befürchten: nicht nur dort. Die große Utopie der Friedensgemeinschaft Europa – und eine solche Utopie schließt immer auch die Wohlfahrt aller seiner Menschen mit ein – schafft sich in Griechenland selber ab. Und die Ruinen oberhalb Athens werden mehr und mehr zum Symbol eines restlos ruinierten Landes. Gerne hätte ich über Besseres berichtet.

Womit ich, wieder einmal, bei meinen Schlussbemerkungen bin, diesesmal jedoch mit einem Zusatzhinweis versehen. Wie bekannt, stellen wir allen unseren UnterstützerInnen sehr gerne auch entsprechende Spendenbescheinigungen aus (erforderlich zur Vorlage beim Finanzamt ab einem Betrag von 200,- Euro pro Jahr). Ausgestellt werden diese Bescheinigungen bis spätestens Ende März des jeweiligen Folgejahres. Bitte vergesst also nicht, unserem Kassenwart Peter Latuska Eure Postadressen zuzuschicken, falls dieses noch nicht geschehen ist!

Ansonsten gilt, wie immer:
Wer uns bei unserer Hilfe für Menschen in Griechenland unterstützen will, unter dem Stichwort „GriechInnenhilfe“, wer ganz speziell Laura helfen will – gern erinnere ich noch einmal daran –, unter dem Stichwort „GriechInnenhilfe – Prothesen für Laura“, oder wer auch uns Akteure wieder mal mit Organisationsgeldern helfen will (dann bitte unter dem Stichwort „IHW“), der überweise uns bitte Spendengelder auf das folgende Konto:

Inhaber: IHW
IBAN: DE16 2605 0001 0056 0154 49
BIC: NOLADE21GOE

Und hier nochmal die Kontaktdaten von Peter Latuska, an den Ihr Euch wenden könnt, wenn Ihr Patenschaften übernehmen wollt oder eine Spendenbescheinigung benötigt (für Spendenbeträge bis 200,- Euro genügt fürs Einreichen beim Finanzamt Kopie oder Original Eurer entsprechenden Kontoauszuges):

Peter Latuska
Theodor Heuss Str. 14
37075 Göttingen
Email: latuskalatuska@web.de

Mit herzlichen Grüßen wie stets
Euer Holdger Platta

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