Frida Kahlo – Geschichte und Kunst

 In FEATURED, Kultur, Politik

Eine der bekanntesten Malerinnen aller Zeiten ist die Mexikanerin Frida Kahlo. Frida Kahlo bedeutet Auseinandersetzung mit der mexikanischen Revolution. Frida Kahlo, 1907 geboren, verlegte ihr Geburtsjahr kurzerhand auf 1910, dem Jahr, in dem die mexikanische Revolution begann. Frida Kahlo heißt für uns auch: Auseinandersetzung mit dem Machismo Lateinamerikas, mit Diego Rivera, mit Emiliano Zapata, mit der Globalisierung und ihren Auswirkungen durch den Nordamerikanischen Freien Handelsvertrag, den Zapatisten in Chiapas und dem Gesetz der Frauen. (Ellen Diederich)Anmerkung der Redaktion: Aus rechtlichen Gründen verzichten wir hier darauf, Gemälde von Frida Kahlo zu veröffentlichen. Wir empfehlen zur Vertiefung der Lektüre, die Titel der Bilder jeweils in “google Bild” einzugeben.

 

Unzählige Beschreibungen ihres Lebens gibt es in Büchern und Filmen. In Kürze erscheint ein weitere Buch: Frida Pop von Gaby Franger. Hier werden keine Bilder von Frida gezeigt, sondern Begegnungen mit ihr und Bilder, die sich mit ihr beschäftigen.

Die Frauenbewegung hat Frida Kahlo weltweit für sich entdeckt. Frida Kahlo hat wie kaum eine andere die Schönheit, Fülle, Farben, Traditionen des Landes gemalt, Bilder von magischer Schönheit, zu Mythen, mexikanische Fiestas,  dem so anderen Umgang mit dem Tod. Die Atmosphäre des „Blauen Hauses“ in Mexiko-City, dort wurde sie geboren und hat die meiste Zeit auch da gelebt, vermittelt ein Stück Erfahrung über das Leben und die Arbeit von Frida Kahlo.

Lateinamerika war für die Linke Europas im letzten Jahrhundert immer faszinierend. Die mexikanische Revolution ist mit dem Namen Emiliano Zapata untrennbar verbunden. Neben ihm hat vor allem Che Guevara die Phantasien, vielleicht auch eine Form des Romantizismus angeregt.

Frida Kahlo war Teil der revolutionären Bewegung Mexikos.

Frida Kahlo in der Geschichte Mexikos

Warum hat gerade die Frauenbewegung Frida Kahlo für sich entdeckt?

Sie hat wie kaum eine andere die Schönheit, Fülle, Farben, Traditionen des Landes gemalt, aber auch wie kaum eine andere Malerin das Leiden der Frauen gemalt.

Das körperliche Leiden, das Leiden an der Liebe, dem Machismo, das Leiden an den politischen Zuständen, die Folgen des seit über 500 Jahren andauernden Kolonialismus auf die Urbevölkerung des Landes.

Frida Kahlo kann nur im Kontext des Kontinents, in dem sie lebte: Lateinamerika, insbesondere Mittelamerika, begriffen werden. Mexiko war ja mal ein sehr großes Land, zu dem die heutigen Südstaaten der USA gehörten. Meine FreundInnen mexikanischer Herkunft in den USA nennen Texas, sie sprechen es „Tejas“ aus, bis heute: occupied Mejico, also: „besetztes Mexiko“.

1997 war ich in Mexiko, um, zusammen mit einer Delegation, die Zapatisten in Chiapas zu  besuchen, mehr von ihnen über die Hintergründe ihrer Revolte zu erfahren.

Auf dem Rückweg nutzte ich die Gelegenheit, um mir endlich meinen Traum zu erfüllen, das Blaue Haus Frida Kahlos zu sehen. Schon lange bin ich von ihren Bildern fasziniert, habe mich intensiv mit ihrer Geschichte befasst.

Fridas Lebensgeschichte beginnt und endet im selben Haus – dem Blauen Haus an der Kreuzung zwischen Allende und Londres Straße in Coyoacan, einem malerischen Viertel am südlichen Rand von Mexiko City. Die Wände sind in einem strahlenden blau gekalkt.

Das Haus hat ihr Vater 1904 erbauen lassen. Er war zu der Zeit ein berühmter Fotograf, der gerade den Auftrag der mexikanischen Regierung erhalten hatte, alles in Bildern zu dokumentieren, was im Bereich der Architektur als nationales Erbe gelten durfte. Heute ist das Haus ein Museum, in das Besucher aus aller Welt kommen.

Das Innere des Hauses wirkt, trotzdem es ein Museum ist, äußerst lebendig. Fridas Kleidung, Schmuck, Hausrat, das Bett, an das sie so lange gefesselt war, das bemalte Gipskorsett und Dinge des täglichen Gebrauchs sind ausgestellt.

Zur Zeit werden diese Dinge in einer Ausstellung in London gezeigt. Der Garten ist mit subtropischen Pflanzen, Brunnen und einer kleinen Pyramide ausgestattet. Die Pyramide ist mit Figuren aus der Zeit vor der spanischen Eroberung besetzt.

1936 stellt Frida Kahlo ihren Geburtsort und Familienstammbaum in einem Gemälde mit dem Titel:

„Meine Großeltern, meine Eltern und ich“ dar.

Wilhelm Kahlo, der sich später Guillermo nennt, wurde 1872 als Sohn des Heinrich Kahlo und Henriette Kaufmann Kahlo, beide ungarische Juden, in Baden-Baden geboren. Mit neunzehn Jahren wandert er nach Mexiko aus.

Er bürgerte sich schnell ein, arbeitete in einem Buchladen, später in einem Juwelierladen. 1894 heiratete er seine erste Frau, eine Mexikanerin, die bei der Geburt ihres 2. Kindes starb. In der Nacht ihres Todes lernte Guillermo Fridas Mutter kennen, verliebte sich in sie und heiratete sie kurz darauf. Seine zweite Frau gab nach der Heirat die beiden Kinder aus erster Ehe sofort in ein Kloster.

Mathilde Calderon, Fridas Mutter, stammte aus der Provinz im südwestlichen Mexiko, die von den Azteken Huaxyacyc genannte wurde. Die Spanier benannten sie um in OAXACA. Der Südwesten Mexikos ist ein Land, wo die Berge auf das Meer zulaufen, Grün an Rosa grenzt und Rosa an Mauve, das dann das Blau des Pazifik berührt. Dürre Hänge wechseln sich mit märchenhafter Vegetation ab. Manchmal ist die Sonne so heiß, dass sie einem fast das Herz verbrennt.

Am 6. Juli 1907 wird Frida Kahlo im blauen Haus geboren. Kurz nach ihrer Geburt erkrankte ihre Mutter. Frida bekam eine mexikanische Amme. „Jedes Mal, wenn ich angelegt wurde“ erzählte Frida später, „haben sie ihr vorher die Brust gewaschen“.

3 Jahre nach ihrer Geburt brach die mexikanische Revolution aus.

Bis dahin hatte Fridas Vater Fotos im Regierungsauftrag gemacht. Davon hatte die Familie gut leben können. Mit der Revolution und dem Sturz der Regierung fiel die Familie in tiefe Armut, mussten einen Teil ihrer Möbel verkaufen und Mieter in das Haus aufnehmen.

Die Mutter unterrichtete Frida und ihre Schwester Christina in allen traditionellen mexikanischen Hausarbeiten für Mädchen. Sie war streng katholisch und nahm die Töchter täglich mit zur Kirche. Frida und Christina verweigerten sich nach und nach diesem kirchlichen Diktat.

Die lange Leidensgeschichte Fridas Krankheiten begann im Alter von 6 Jahren. Sie bekam Kinderlähmung, musste neun Monate lang das Bett hüten. Ihr rechtes Bein erholte sich nie von dieser Krankheit, es war kürzer und dünner als das andere Bein. Die Spielkameraden hänselten sie und nannten sie: Frida – Pata de Palo – Holzbein-Frida

Sie litt unter der Unbeweglichkeit.

Frida war die Lieblingstochter ihre Vaters. Er gab ihr Bücher aus seiner Bibliothek und half, ihren Wissensdurst und Intellekt zu entwickeln. Er zeigte ihr die Dinge der Natur: Steine, Blumen, Tiere, Vögel, Insekten, Muscheln und Pflanzen.

Der Vater hatte epileptische Anfälle. Fridas Polio und seine Epilepsie schmiedeten beide eng zusammen.

Der Wohlstand der Familie nahm wieder zu, Frida konnte als eines der ersten Mädchen die Preparatoria besuchen, die beste Lehranstalt Mexiko Citys zur Vorbereitung der Universität. Frida hatte das Privileg des unbeschränkten Lernens. Sie hatte die Zeit, musste sich um ihren Lebensunterhalt keine Gedanken machen. Ihre Interessen waren auf Naturwissenschaft ausgerichtet, sie wollte Medizin studieren.

In den 20er Jahren konnte Mexiko die Gewinne des langen revolutionären Kampfes absichern: Reformen des Arbeits- und Grundbesitzrechtes wurden eingeleitet, die Macht der Kirche eingeschränkt, die Nutzung der Bodenschätze kam unter staatliche Kontrolle. Vor allem aber begannen die Menschen auch, sich auf die einheimische Geschichte Mexikos zu besinnen.

Im September 1925 erlitt Frida einen schweren Unfall. Sie fuhr in einem Linienbus, der von einer Straßenbahn gerammt wurde. Eine Haltestange aus Eisen durchbohrte ihren Beckenbereich. Ihr Rückrat war an drei Stellen verletzt, das linke Bein hatte 11 Brüche, der rechte Fuß war zerquetscht, Rippen gebrochen, das Schambein  dreifach gebrochen.  Das Eisen hatte sich in die linke Hüfte gebohrt und war bei der Vagina wieder ausgetreten. „Auf diese Weise habe ich meine Unschuld verloren“, sagte sie später. Die Ärzte glaubten nicht an ihr Überleben.

Die Eltern sind so schockiert, dass sie nicht in der Lage waren, Frida im ersten Monat zu besuchen. In einer großen Genauigkeit, Phantasie und Gefühlsintensität hielt sie, sobald sie wieder in der Lage war zu schreiben, ihre Leid Erfahrungen fest. „Man muss halt damit leben; ich fange an, mich an das Leiden zu gewöhnen. (…) In diesem Hospitale tanzte nachts der Tod um mein Bett.“ Von Moment des Unfalls an wurden Schmerz und Tapferkeit zu den Themen ihres Lebens.

Auf dem Baldachin des Bettes befand sich eine Judasfigur. Solche Figuren lässt man an Ostern in den Straßen Mexikos explodieren. Man glaubt, nur im Selbstmord findet der Verräter Befreiung.

Frida war insgesamt Jahre an das Bett gefesselt. Fridas Mutter ließ oben an Fridas Bett einen Spiegel anbringen, in dem sie sich im Liegen sehen konnte. Auf diese Weise sind viele der Selbstporträts entstanden.

Das allererste „Selbstbildnis mit Samtkleid“  war ein Geschenk für ihren Jugendfreund Alejandro Gomez Arias.

Dieses Bild zeigt die Faszination Frida Kahlos an der italienischen Malerei, insbesondere Modigliani und Botticelli. Sie schrieb Alejandro, der zu einem langen Studienaufenthalt nach Europa gegangen ist:

„Deine Botticelli ist auch sehr traurig geworden, aber ich habe ihr gesagt, dass sie ihre Seele bis zu deiner Rückkehr in den Schlaf hüllen soll, sie denkt aber trotzdem immer an dich.“

 Frida Kahlo hat 32 Operationen über sich ergehen lassen müssen. Durch den Unfall war ihr Knochengerüst völlig instabil und zerfiel. Jahrelang trug sie Gipskorsette und Stützkonstruktionen.

Eines ihrer berühmtesten Bilder heißt: „Der verletzte Hirsch oder ich bin ein armes Wild“. 1946 wurde sie erneut in New York an der Wirbelsäule operiert. Sie erhoffte sich durch diese Operation Befreiung von ihren Schmerzen. Zurück in Mexiko, kehrten die Schmerzen zurück, sie litt gleichzeitig an starken Depressionen. Ihre enttäuschte Hoffnung auf wirkliche Gesundheit symbolisiert dieses Bild des verletzten Hirsches.

Auch das Bild: „Die zerbrochene Säule“ gehört hierher. Sie zeigt Frida Wirbelsäule mit den unzähligen Brüchen.

Frida glaubte daran, dass Leiden und Tod unausweichlich vorgezeichnet sind. Der Tod war vielfach Gegenstand ihrer Malerei. Sie zog Skeletten aus Karton ihre Kleider an und ließ sich Totenschädel aus Zuckerguss machen, schrieb ihren Namen auf die Stirn, machte sich lustig über den „Kahlen“. „Ich necke den Tod und lache ihn aus, damit er mich nicht so leicht unterkriegt,“ sagte sie.

Eines der Bilder heißt: „Baum der Hoffnung“, bleibe stark.

 

Dieses ist eines der interessantesten Bilder. Der Dualismus ihres Seins – die starke unabhängige Persönlichkeit und die Person, deren Körper so geschwächt ist, dass er ihr das Leben zur Qual macht.

Die Sonne, in nahezu allen Kulturen männlich, wird nach der aztekischen Mythologie durch Menschenblutopfer genährt, ihr ist der versehrte Körper zugeordnet. Dem Mond (der in nahezu allen Sprachen der Welt weiblich ist) entspricht die hoffnungsvolle, starke Frida.

In der indianischen Mythologie bedingen Leben und Tod einander. Das Leben ist ein endloser Kreislauf. Die aztekische Göttin Coatlicue steht für Anfang und Ende aller Dinge, beinhaltet Leben und Tod, gibt und nimmt zugleich. Tod bedeutet immer zugleich Wiedergeburt und Leben. So ist der 2. November, der Dia de Muertos, der Tag der Toten ein Feiertag, der meist mit der ganzen Familie und einem geselligen Picknick mit den Toten auf dem Friedhof begangen wird. Er ist gleichzeitig Ausdruck des Dankes für das Leben und Anerkennung des Lebenszyklus. Der Tod ist Prozess, ist Weg und Übergang in ein anderes Leben.

Ein weiteres Bild: Frida im Bett, die Innereien ausspeiend „Ohne Hoffnung“.

 

„Malen wurde für Frida ein Kampf ums Dasein und ein Teil ihrer Selbstfindung“. Sie erfand sich immer wieder neu, wenn sie einen Rückfall erlitt und dann wieder gesund wurde.“ „In gewisser Weise war Frida während des Unfalls tatsächlich gestorben und seither spielte sich ein ständiger Kampf zwischen zwei Fridas ab, zwischen der Einen gestorbenen und der lebendigen Frida. Aufgrund ihrer Appetitlosigkeit war Frida Kahlo sehr abgemagert und bekam Mastdiäten verordnet. Offensichtlich ekelte sie sich vor der „Zwangsernährung“.

„Die Sonne und das Leben“ ist ein weiteres Bild, das ihren Zustand beschreibt.

Frida Kahlo ließ auf der persönlichen Ebene nur wenige Menschen an ihrem Schmerz teilhaben, zeigte sich öffentlich witzig und stark. „Sie besaß einen  unglaublichen inneren Reichtum, und wenn man sie besuchte, um sie zu trösten, ging man getröstet von ihr weg.“

Die Pflanzenformen sind Symbole für weibliche und männliche Genitalien. In der Mitte ist die Leben spendende Sonne. Der weinende Fötus in einer Pflanze verbildlicht Frida Kahlos Traurigkeit darüber, kein Kind gebären zu können.

Ihre große Liebe war Diego Rivera. 1922 war Diego Rivera ein weltberühmter Maler. Er ist einer der ganz Großen in der Tradition der lateinamerikanischen Wandmaler. Seine Bilder sind unglaublich faszinierend. Sie sind das genaue Gegenteil von den Bildern Frida Kahlos, großflächig, die Geschichte Mexikos und der Urbevölkerung in einer sehr eigenwilligen Form darstellend. In dem Jahr schuf Diego Rivera die Fresken in der Aula der Preparatoria, in die Frida Kahlo ging. Sie war zu dieser Zeit 15 Jahre alt, an Kunst interessiert. Zu ihrer Legende gehört, dass sie sich bereits zu dieser Zeit in Diego Rivera, dem sie stundenlang beim Malen zusah, verliebte. Im Kreise ihrer Mitschülerinnen sagte sie: „Ich möchte ein Kind von Diego Rivera haben und ich werde es ihm auch eines Tages sagen.“

1928 lernte Frida Kahlo Tina Modotti kennen, eine in Italien geborene amerikanische Fotografin. Durch sie kam sie in die Kreise linkspolitscher Literaten und Bohème-Künstler. Tina Modotti und Frida Kahlo wurden schnell gute Freundinnen. Im gleichen Jahr kam sie durch Tina Modotti zur Kommunistischen Partei. Dort war auch Diego Rivera, die große Liebe ihres Lebens, aktiv. Diego Rivera war zu dieser Zeit der berühmteste Künstler Mexikos. Er war dick, hässlich, hatte ein froschartiges Gesicht. Er hat mehr Wände in Mexiko bemalt als irgendein anderer. Er war von seiner Arbeit besessen.

Diego Rivera hatte unzählige Liebesbeziehungen.

„Zwar war er unbestreitbar hässlich, dennoch hatte er eine magnetische Wirkung auf Frauen.“ Vielleicht war es gerade das monströse, das hässliche, was ihn so attraktiv machte. Als Gegenbild zur Schönheit, „wie im Märchen als Kontrast Schönheit zur ungebärdigen Hässlichkeit des Tieres erleben. (…) Er war eine Art Froschkönig, randvoll mit Lebenskraft und Charme. Diego konnte sehr zärtlich sein und war von zutiefst sinnlichem Wesen.“

 Eines der berühmtesten Bilder von Frida Kahlo heißt:„Diego in meinen Gedanken“.

Sie verliebten sich immer tiefer ineinander. Am 21. August 1929 heirateten Frida Kahlo und Diego Rivera. Frida war 22 Jahre, Diego 42 Jahre alt. Diego hatte Ehen und viele Liebesbeziehungen hinter sich, sein Ruf war so, dass junge US-amerikanische Frauen, die Mexiko besuchen, „ein Schäferstündchen mit Diego Rivera“ auf ihrem Programm hatten. Er malte auch unmittelbar nach der Hochzeit wie ein Besessener, Frida wurde seine liebste Kritikerin.

„Ihre Ehe war für die zeitgenössischen Beobachter eine exotische Verbindung. Was sich zwischen Frida und Diego an Liebe, Streit, Leiden und Trennung abspielte, wurde nicht nach kleinlichen  Moralregeln gemessen. Wie Halbgötter oder Heilige nannte man nur ihre Vornamen, wenn man von ihnen sprach, sie gehörten zum mexikanischen Nationalbesitz.“ (Herrera, S.  95)

Frida warf sich in die Tehuanatracht. Diego und sie waren auf der Suche nach den Wurzeln ihres Volkes, Diego sah sie am liebsten in der Kleidung mexikanischen Ursprungs.

Frida begann zu sammeln: Verschiedene mexikanische Kleidungsstücke, verschiedenen mexikanischer Schmuck, mexikanisches Handwerk, mexikanische Figuren im Garten.

Stück für Stück wurde die Einrichtung des gemeinsamen Hauses auf die Traditionen des Landes abgestimmt.

Lange Jahre hatten Frida und Diego engste Beziehungen zum Marxismus und zur kommunistischen Partei. Eines ihrer Bilder heißt: „Der Marxismus wird die Kranken heilen“. Im blauen Haus fanden Menschen Unterkunft und Asyl, die auf der Flucht vor ihren Regierungen waren. Der berühmteste unter ihnen war Leo Trotzki.

Diego Rivera war eine Zeit lang Sekretär der Kommunistischen Partei. Es gab viele politische Auseinandersetzungen, die schließlich dazu führten, dass Diego am, 3. Oktober 1929 aus der KP ausgeschlossen wurde. Aus Solidarität trat Frida mit ihm aus.

Die Küche der Frida Kahlo und ihre Fiestas wurden zur Legende.

Fridas Stieftochter  Guadalupe Rivera hat 1995 einen Fotoband herausgebracht: Fridas Fiestas, in dem, nach Jahreszeit geordnet, die wichtigsten Gerichte und Küchenutensilien abgebildet sind.

Lupe Martin war eine frühere Ehefrau von Diego Rivera. Einige Zeit nach der Hochzeit von Frida und Diego besuchte sie Frida und schleppte sie zum Markt, wo sie Töpfe, Pfannen und Küchengeräte einkauften. Lupe zeigte ihr, welche Speisen Diego liebte.

In Mexiko selber hatte es einen Regierungswechsel zum Konservativen hin gegeben, Plutardo Elias Calles war an der Regierung. Andersdenkende wurden verfolgt, die KP verboten, viele Kommunisten eingekerkert. In die USA gab es eine so genannte „mexikanische Invasion“. Auch die Übersiedelung von Frida und Diego ist in diesem Kontext zu verstehen.

Von 1930 bis 1934 lebten Frida Kahlo und Diego Rivera in den USA. Diego hatte einen Auftrag erhalten, Wandgemälde in San Francisco, später in New York und Detroit zu malen.

Frida kam in den USA sehr schlecht zurecht. „Ich mag das Gringo-Volk nicht besonders, sie sind fade und haben alle Gesichter wie ungebackene Semmeln (ganz besonders die Weiber)“, schrieb sie.

Sie verarbeitet ihre Erfahrungen in einer Reihe von Bildern. Eines heißt: „Selbstbildnis auf der Grenze zwischen Mexiko und den USA“.

Sie steht wie eine  Statue auf einem Sockel in einer zweigeteilten Welt – die geschichtsträchtige, von Naturgewalten und natürlichen Lebenszyklus bestimmte mexikanische, links die tote, technikdominierte nordamerikanische. Einerseits war sie, wie in viel stärkerem Maße Diego Rivera, fasziniert vom technischen Fortschritt. Sie empfand aber gleichzeitig die Kälte der Industriewelt, hier in den Farben Grau und Blau, während Mexiko die Farbe der Erde hat, die Pflanzen hervorbringt. Gleichzeitig stellte sie die Ausplünderung von Mexikos Erde dar, in dem sie einen Stromgenerator zeichnete, der die Kraft aus den Wurzeln von Mexikos Pflanzen zieht.

„Die High Society hier nervt mich und ich bin wütend auf all diese reichen Typen hier, weil ich Tausende von Menschen im schlimmsten Elend gesehen habe ohne nur das geringste zum essen und einen Platz zum schlafen; das ist es, was mich hier am meisten beeindruckt hat: Es ist erschreckend, diese Reichen zu sehen, die Tag und Nacht Partys feiern, während Tausende und Abertausende verhungern. Ich finde, dass den Amerikanern jegliche Sensibilität und jeder Geschmack fehlt. Sie leben wie in einem riesigen Hühnerstall, der dreckig und ungemütlich ist. Die Häuser sehen wie Brotöfen aus und all der Komfort, um den sie so viel Gerede machen, ist ein Mythos.“

Das Bild „Mein Kleid hängt dort oder – New York“ ist die einzige Collage im Werk Frida Kahlos, ein ironisches Porträt des Kapitalismus. Das Bild ist angefüllt mit Symbolen der modernen amerikanischen Industriegesellschaft, zeigt deren Verfall und die Zerstörung der menschlichen Werte.

Dorothy Hale eine schöne junge Amerikanerin fiel nach dem Tod ihres Mannes, der durch einen Autounfall umkam, in große finanzielle Schwierigkeiten. Sie versuchte, in Hollywood beim Film zu landen, fiel durch, lebte durch die finanzielle Unterstützung ihrer FreundInnen. Diese gaben ihr den Rat, statt sich nach einer Arbeit umzusehen, einen reichen Mann zu heiraten, mit 34 Jahren sei sie eh zu alt für eine Karriere.

Am 21. Oktober 1938 stürzte sie sich aus dem Fenster zu Tode. Frida Kahlo war von dieser Geschichte sehr beeindruckt, malte sie: „Der Selbstmord der Dorothy Hale“.

Ein weiteres großes Trauma im Leben von Frida Kahlo war ihre Kinderlosigkeit. Sie erlitt mehrere Fehlgeburten. Bei dem Unfall waren ihr Becken, die Knochen, der ganze Unterleib schwer verletzt worden. Fridas Imagination ihrer eigenen Geburt malte sie 1932, kurz nachdem sie selber eine Fehlgeburt erlitten hatte. Der zugedeckte Kopf der Mutter deutet darauf hin, dass die Mutter zur Zeit der Entstehung des Bildes bereits tot war. Das Bild nannte sie: „Geburt oder meine Geburt“.

Ein weiteres Bild zu diesem Thema malte sie nach der Fehlgeburt von 1932. Die Frau im Bett ist klein, hilflos und unendlich verlassen. Zu dieser Zeit war sie in Detroit, wo Diego bei Ford ein großes Wandgemälde malte. Die Unwirtlichkeit der Industrielandschaft verstärkt den Eindruck der Einsamkeit ins Unendliche.

Das große Laken ist blutgetränkt. Sie hält sechs Objekte: die Schnecke – Symbol für die Langsamkeit der Fehlgeburt. In den indianischen Kulturen ist die Schnecke, ihres schützenden Hauses wegen, Symbol für Empfängnis, Schwangerschaft und Geburt. Sie wird mit dem ab- und zunehmenden Mond in Verbindung gebracht, analog zur Fähigkeit der Schnecke, sich in ihre Haus zurückzuziehen und wieder hervor zu kommen, analog zum weiblichen Zyklus, für die weibliche Sexualität insgesamt. Ihr beschädigtes Becken, das es ihr unmöglich macht, ein Kind auszutragen, weiter hält sie einen Dampfsterilisator zur Druckregulierung, den sie analog zu ihrer eigenen fehlerhaften Muskulatur sieht, die es ihr unmöglich macht, ein Kind in ihrem Leib zu behalten. Die Orchideenblüte, die Diego ihr ins Krankenhaus gebracht hat, ist das Symbol für Sexualität und Gefühle. Sie nennt das Bild: „Henry Ford Hospital oder das fliegende Bett“.

Frida nahm Diego gegenüber häufig die Mutterrolle ein, sie wollte ihn am liebsten wie ein neugeborenes Kind in den Armen halten.

In dem Bild:  „Die Liebesumarmung des Universums, die Erde (Mexiko), ich, Diego und Herr Xolotl“ sind Elemente altmexikanischer Mythologie. Tag und Nacht, Sonne und Mond, die Erdgöttin Cihuacoatl. Frida hatte mehrere Itzcuintli Hunde, Hier repräsentiert das hundgestaltete Wesen XOLOTL, den Bewacher des Totenreiches. (Kahlo, Taschen S. 76) Auf seinem Rücken werden die Verstorbenen, ebenso wie die Wonne am Abend über den neunfachen Strom in die Unterwelt getragen, um anschließend wieder auferstehen zu können.

1934 ging Diego Rivera eine Liebesbeziehung mit Fridas Schwester Christina ein. Das war eine der schlimmsten Erfahrungen im Leben Frida Kahlos. Sie malt: „Erinnerung oder das Herz“.

Sie selber hat keine Hände mehr, ist also hilflos, eine Hand bleibt in der Tehuana Tracht, die andere in der Bluse der modernen Kleidung. Ihr heraus gerissenes Herz ist so riesengroß wie ihr Schmerz unermesslich ist. Das Loch im Oberkörper, das das herausgerissene Herz hinterlassen hat, wird von einem Schwert durchbohrt.

Ein weiteres Bild: “Ein paar kleine Dolchstiche“.

Auch dieses Bild entstand in der Zeit, als Diego die Liebesbeziehung mit ihrer Schwester hatte. In einem Zeitungsbericht fand Frida den Bericht über einen Mord aus Eifersucht. Der Mörder verteidigte sich: „Es waren doch nur ein paar kleine Piekser“.

Das wohl bekannteste Bild Frida Kahlos heißt: „Die 2 Fridas“. Es entstand bei der Scheidung von Diego Rivera. Die Frau in Tehuana Tracht ist die, die Diego liebte, die andere, im weißen viktorianischen Kleid diejenige, die er nicht mehr liebte. Die Tehuana Frida hält ein Bild Diegos in der Hand, aus dem eine Ader herauswächst, dann über die Vene bis zu anderen Frida hinübergeht. Ein Teil der Vene geht in das Herz der 2. Frida, der andere geht in ihren Schoß, dort versucht sie, mit einer Klemme den Blutstrom zu stoppen, was nicht gelingt.

Nach der Trennung von Diego Rivera schnitt Frida sich die Haare ab und kleidete sich statt in eine Tehuana Tracht in einen Männeranzug.

Frida verweigerte sich dem geforderten Bild der Weiblichkeit. Sie malte sich so und nannte das Bild: „Selbstbildnis mit abgeschnittenem Haar“.

Das Lied im Bild heißt: „Sieh, wenn ich dich liebte, so war es wegen deiner Haare, jetzt, da du kahl geschoren bist, liebe ich dich nicht mehr.“

Diego Rivera hatte während der ganzen ihrer Ehe Beziehungen zu anderen Frauen. Frida Kahlo nahm nach einer Zeit ebenfalls Beziehungen zu anderen Männern, unter ihnen Leo Trotzki, auf. Diego reagierte mit großer Eifersucht. Später hatte Frida Kahlo auch mehrere Frauenbeziehungen, mit denen sie auch sehr offen umging. Diese Liebesbeziehungen tolerierte Diego Rivera.

Das Bild „Moses oder Schöpfungskern“ war die Folge einer Lektüre des Buches von Sigmund Freud: Der Mann Moses und die Monotheistische Religion. Die zentrale Figur ist das ausgesetzte Kind Moses, das Diego Rivera ähnlich sieht und das dritte Auge auf der Stirn trägt.

Am 13. Juli 1954 starb Frida Kahlo, nachdem ihr Körper schwächer und schwächer geworden ist. Sie ist 47 Jahre alt geworden.

Ihre letzte Tagebucheintragung lautet: „Freudig erwarte ich den Abgang “. und ich hoffe, nie wieder zurückzukehren.

Diego Rivera überlebte sie. Nach ihrer Einäscherung aß er von Fridas Asche, um sich für immer mit ihr zu verbinden. Sein Wunsch, nach seinem Tod die Asche der beiden zu mischen, ging nicht in Erfüllung. Diego Rivera wurde auf dem Ehrenfriedhof in Mexiko City beigesetzt.

Fridas Urne befindet sich im Blauen Haus.

 

Fast alle Zitate sind aus dem Band von Hayden Herrera: “Frida Kahlo, Malerin der Schmerzen, Rebellin gegen das Unabänderliche”. Oder besonders gekennzeichnet.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Auswahl an Büchern über Frida Kahlo:

 

Hayden Herrera, Frida Kahlo, Malerin der Schmerzen und Rebellin gegen das

Unabänderliche, München, Wien 1983

 

Helga Prignitz-Poda, Salomon Grünberg und Andrea Kattermann,

Frida Kahlo – Das Gesamtwerk, Frankfurt 1988

 

Rauda Jannnis, Frida Kahlo, Malerin wider das Leiden, deutsch: München 1991

 

Hayden Herrera, Frida Kahlo, Die Gemälde, deutsch: München 1991

 

Frida Kahlo, Posterbook, deutsch: Köln 1992

 

Andrea Kellermann, Frida Kahlo, Leid und Leidenschaft, Köln 1992

 

Erika Billeter, Das Blaue Haus – Die Welt der Frida Kahlo

Ausstellung Kulturgesellschaft in der Schirn Kunsthalle, Frankfurt/Main 1993

 

Carlos Fuentes, Einführung zu Frida Kahlos Gemaltes Tagebuch,

deutsch: München 1995

 

Guadelupe Rivera und Marie-Pierre Colle, Fridas Fiestas –

Die mexikanischen Feste der Frida Kahlo, München 1995

 

Helga Prignitz-Poda, Frida Kahlo, Die Malerin und ihr Werk, München 2003

Das ist ein besonderer Band: großformatig, Teile aus den Bildern von Frida Kahlo sind sehr stark vergrößert worden, so dass man die einzelnen Teile sehr gut studieren kann.

 

 

 

 

 

 

 

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