Frierenmüssen, ganz unten, weil oben die Kälte regiert

 In Holdger Platta, Über diese Seite

55. Bericht zu unserer Spendenaktion „Helfen wir den Menschen in Griechenland!“ “Griechenland braucht unsere Unterstützung. Das zeigt die Politik, die gegen Griechenland ‘ganz oben’ betrieben wird, mit einem sogenannten Christdemokraten namens Schäuble voran. Das zeigt aber auch die Situation, über die aus Megara zu berichten war, von Menschen, die frieren müssen, ‘ganz unten’, weil in Europas Chefetagen die Eiseskälte regiert. Leisten wir also auch weiterhin Widerstand – mit Hilfe und Kritik!” Auch in diesem Bericht belegt Holdger Platta seine Grundthese wieder durch Beispiele aus einer düsteren Realität und durch Zeugnisse anderer scharfer Beobachter der Lage in Griechenland. (Holdger Platta)

Liebe HdS-Leserinnen und liebe HdS-Leser,

ich möchte mich heute auf zwei Themen in meinem Bericht beschränken. Einmal auf den Hilfsappell, den unsere Leserin Bettina Beckröge vor einigen Tagen hier auf HdS veröffentlicht hat, in der Kommentarspalte zu meinem letzten Bericht zu unserer GriechInnenhilfe. Und zum anderen auf die von Tag zu Tag bedrohlicher werdenden Finanzprobleme, vor denen Griechenland steht. Zunächst zu Bettina Beckröges Hilfsappell:

Bettina Beckröge hat vor einiger Zeit die „Patenschaft“ für eine Familie übernommen, die seit längerem auch zu unserem Betreutenkreis zählt. Sie hat im letzten Jahr diese Familie in Megara besucht, einem Städtchen in der Nähe von Athen, und war – nicht zuletzt als Architektin, die Bettina Beckröge von Hause aus ist – entsetzt über den Zustand der Unterkunft, in der diese Familie nach wie vor zu wohnen hat. Ich wiederhole hier – sehr gerne – noch einmal wichtige Mitteilungen aus ihrem HdS-Kommentar:

„Wie ich kürzlich erfahren musste, geht es der Familie in Megara (bei Athen) derzeit richtig schlecht. Die Kleinste, sie müsste mittlerweise vier Jahre alt sein, musste inzwischen aus dem Haus, das eher einer Baracke gleicht, ausziehen, zu ihrer Oma, weil für sie die frostigen Temperaturen im Haus nicht mehr ertragbar sind.

Die Familie in Megara ist meine Patenfamilie, die ich seit geraumer Zeit monatlich finanziell unterstütze. Ich habe sie im Sommer 2016 vor Ort besucht. (…) Inzwischen sieht die Situation so aus, dass die 7-köpfige Familie, Oma, Mutter und die Töchter, die gerade eigentlich in der Blütezeit ihres Lebens stehen müssten, nun frieren und hungern müssen. Es regnet rein ins Haus, der kleine Ofen, der in der Küche steht und das ganze Haus beheizen muss, ist ein fragiles Fragment, die Elektrik ist abenteuerlich, sodass ich jeden Tag hoffe und bete, dass sich kein Brand entzündet, die Kälte zieht erbarmungslos durch Fenster, Türen und Mauerritzen. Ein Umzug in eine adäquate Wohnung ist aus finanziellen Gründen für die Familie leider nicht möglich. Die einzig nachhaltige Lösung wäre eine Sanierung der Basics am Haus. Als Frau vom Fach habe ich eine Aufstellung der erforderlichen Reparaturmaßnahmen erstellt und mich mit Holdger Platta diesbezüglich kurzgeschlossen. Ich habe vor, die Sanierung von hier aus zu steuern. Organisatorisch ist es mir möglich, weil Freunde von mir in Athen wohnen, die einen direkten Draht zur Familie haben. Ich selbst werde selbst einiges Geld in die Hand nehmen, doch es reicht leider nicht aus für die erforderliche Haussanierung.“

Ausdrücklich bestätigt wurde diese Situationsbeschreibung vor einigen Tagen auch von Tassos Chatzatoglou, unserem “Außenhelfer” aus Graz. So schrieb er mir am Montag, den 30. Januar, unter anderem:

„Die Familie in Megara in der desolaten Behausung tut sich sehr schwer in diesem strengen Winter. Wie Bettina Beckröge nach ihrem Besuch im Sommer bereits beschrieben hatte, ist das Dach des Hauses total undicht. Wir trauten uns aber bislang nicht an die Suche für eine neue und vor allem menschenwürdige Behausung für diese Familie heran, da diese an eine dauerhafte Finanzierung der neuen Mietkosten gebunden wäre, die leider auch wir HelferInnen bis dato nicht gewährleisten können. Die kleine Tochter ist derzeit bei der Großmutter untergebracht.“

Sicherlich erinnert Ihr Euch: auch ich hatte diesen Notfall in meinem letzten Bericht noch nicht erwähnt, und zwar aus den gleichen Gründen, die Tassos Chatzatoglou anspricht: wegen der Unmöglichkeit, in absehbarer Zeit dieser Familie helfen zu können. Doch genau dieses scheint jetzt etwas anders auszusehen, nach Bettina Beckröges Zusage nämlich, selber „einiges Geld in die Hand nehmen“ zu wollen, um der siebenköpfigen Familie zu helfen bei der Reparatur ihres Heims. Nebenbei: auch so manchen anderen Notfall werde ich erst in den nächsten Wochen ansprechen können – dann nämlich, wenn uns auch bei diesen Notfällen Hilfe möglich sein wird.

Bettina Beckröges Aufruf, ganz speziell dieser Familie zu helfen, unterstütze ich also gerne und bitte Euch – für den Fall, dass Ihr diesesmal besonders dieser Familie helfen möchtet -, Eure Spende auf dem Überweisungsträger mit dem Stichwort „Megara“ zu versehen, zusätzlich zur Angabe „GriechInnenhilfe“. Und gerne zitiere ich auch den Abschluss aus Bettina Beckröges HdS-Kommentar:

„Jeder noch so kleine Spendenanteil fügt sich zu einem Ganzen. Mit den anvisierten Reparaturarbeiten sehe ich eine Chance, der Familie ein Stück weit aus ihrem Elend helfen zu können.“

Es versteht sich von selbst, dass wir alle aus dem Aktiven-Team uns freuen würden, wenn Hilfe nunmehr auch in diesem Falle möglich wäre.

Wie düster die Gesamtlage in Griechenland eingeschätzt werden muss, das geht im übrigen ja auch aus dem Bericht hervor, den Ihr seit heute auf HdS anklicken könnt, aus dem Artikel von Wassilis Aswestopulos, erstveröffentlicht auf „telepolis“ unter dem Titel „Griechenland: IWF fordert Besteuerung der Einkommen unter der Armutsgrenze“. Ein weiteres Beispiel für den hellen Wahnsinn, der sich „Austeritätspolitik“ nennt oder – zynischer noch und verlogener – „Hilfs“- oder „Rettungs“politik: bei noch weiterer Verelendung der Menschen in Griechenland soll diesen noch mehr abgepresst werden an Steuern und Kreditgarantien. Und erneut sorgt – vor allen anderen – Wolfgang Schäuble dafür, dass die Euro-Staaten-Politik gegenüber Griechenland eskalieren soll. Selbst die brave ZEIT sieht das inzwischen so und formuliert in einem Bericht ihres Mitarbeiters Zacharias Zacharkis vom 8. Februar, unter dem Titel „Griechenland: Jetzt bloß kein neues Schuldenchaos“:

„Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) ließ zu Wochenbeginn wissen: Sollte sich der Internationale Währungsfonds (IWF) aus der Griechenland-Hilfe zurückziehen, werde das aktuelle Programm eben beendet.
Die Konsequenzen eines solchen Abbruchs wären fatal: Schließlich steht es um die Stabilität in der EU nicht besonders gut, hinzu kommen in diesem Jahr mehrere wichtige Wahlen in Europa. Das Letzte, was man in dieser Situation gebrauchen kann, wäre neues Chaos in Griechenland.
Dabei liegt der Grund für Schäubles verbale Eskalation nicht unbedingt im Verhalten der griechischen Regierung, sondern in einem Konflikt zwischen den Geldgebern, der schon geraume Zeit schwelt. Seit Wochen zieht sich in Athen die Überprüfung des laufenden Programms hin. Ohne einen positiven Abschluss aber werden die Geldgeber keine weiteren Mittel aus dem Hilfsprogramm freigeben. Zwar ist die Regierung mit einer Menge an Maßnahmen aus dem Reformprogramm im Rückstand, die Sparziele aber sind im vergangenen Jahr übertroffen worden.“

Nun, was da im Artikel des ZEIT-Redakteurs als „Maßnahmen“ bezeichnet wird, mit denen Griechenland bei seinem „Reformprogramm“ im Rückstand ist, das müßte eigentlich Gegenstand einer eigenen Analyse sein – wie so oft, und dies seit Jahrenden schon, wäre „Killerpolitik“ statt „Reformen“ das treffendere Wort. Doch immerhin bequemt sich hier sogar die ZEIT, das ansonsten auf „Neoliberalismus“ eingeschworene Wochenblatt, zu gelinder Kritik am neoliberalen Zerstörungsprogramm der EU gegenüber Griechenland. Recht griffig hat diese Kritik aber vor allem Axel Troost auf den Punkt gebracht, der finanzpolitische Sprecher der LINKEn im Bundestag. Ich publiziere deshalb Troosts Kommentar an dieser Stelle auch ungekürzt (er ging mir am 3. Februar zu):
„Griechenland: Schäuble dreht durch
Von Axel Troost, stellvertretender Vorsitzender der Partei DIE LINKE und finanzpolitischer
Sprecher der Bundestagsfraktion DIE LINKE

Es wird immer deutlicher: Der deutsche Finanzminister, der Griechenland eine Sparmaßnahme nach der anderen aufnötigt und das Land einst aus der Eurozone werfen wollte, setzt wieder auf Eskalation. Gerade hat das Handelsblatt berichtet, dass Sigmar Gabriel Anfang Januar 2017 in einem Brief an die Bundeskanzlerin äußerte, er verfolge die Diskussion um das Hilfsprogramm mit „großen Sorgen“. Laut Gabriel, damals noch Wirtschaftsminister und Parteivorsitzender, liegen „insbesondere die Positionen des Bundesministeriums der Finanzen und des Internationalen Währungsfonds (IWF) offenbar so weit auseinander, dass eine Einigung derzeit ausgeschlossen erscheint.“ Laut Gabriel soll der im Programm vereinbarte Primärüberschuss von 3,5 Prozent des BIP nur über drei Jahre eingehalten werden müssen und nicht über zehn Jahre, wie Schäuble fordert.

Durch das Abrücken von den überzogenen Vorgaben hätte Griechenland ab 2021 im Haushalt neue Spielräume von 3,6 Milliarden Euro, mit denen die Lage der leidgeprüften Bevölkerung verbessert werden könnte. Für ein kleines Land mit einem Siebtel der deutschen Bevölkerung wären dies spürbare Beträge. Wie zu erwarten war, wies Schäuble den Vorschlag aber stur zurück.

Bisher konnte Schäuble seine Vorstellungen nicht nur der Bundesregierung, sondern auch der Eurogruppe aufdrücken. Der Internationale Währungsfonds ist allerdings schon länger nicht mehr bereit, ihm zu folgen und macht seine eigentlich vorgesehene Beteiligung am laufenden Programm von einigen Vorbedingungen abhängig. Er hat zuletzt immer wieder gebetsmühlenhaft betont, die griechische Schuldenlast müsse auf ein tragbares Niveau gesenkt werden und die Sparvorgaben seien unrealistisch. Schäuble hat den IWF aber seit anderthalb Jahren komplett auflaufen lassen. Als Zuchtmeister ist der IWF erwünscht, in der Bewältigung von Schuldenkrisen hält ihn Schäuble aber anscheinend für inkompetent. Dabei sollte der IWF gerade wegen seiner großen Erfahrung mit ins Boot geholt werden. Ein Widerspruch, der sich nicht auflösen lässt.

Die Beteiligung des IWF steht auch aus einem anderen Grund unter einem schlechten Stern. Laut Trump handelt es sich bei der Griechenland-Krise um eine europäische Angelegenheit, aus der sich die USA raushalten sollten. Deutschland sei reich und mächtig genug, um das Problem zu lösen: für Deutschland handele es sich um Peanuts. Da Trump schon sehr viel abwegigere Positionen aufrechterhalten hat und die USA im IWF eine Sperrminorität haben, könnte er der IWF-Beteiligung jeden Moment per Twitter den Garaus machen. Umso schändlicher, wenn nun die CDU sich bemüht, allein Griechenland die Schuld am erwartbaren Scheitern der IWF-Beteiligung zuzuschanzen.

Viele Linke haben sich seit der Niederlage im Juli 2015 enttäuscht über die Vorkommnisse in Griechenland abgewendet. Als könne die Regierung eines Landes mit 2 Prozent der Bevölkerung und 1 Prozent der Wirtschaftskraft der EU mal so eben in Europa einen Politikwechsel herbeiführen. Jetzt wird aber wieder einmal klar: der Schlüssel für Veränderungen in Europa liegt in Deutschland. Schäuble hat sich in seinen Wahn hineingesteigert und nimmt ein ganzes Land zur Geisel. Mit dieser CDU ist ein solidarisches Europa nicht zu machen. Griechenland braucht unsere Unterstützung heute mehr denn je.“

An dieser Stelle, scheint mir, schließt sich damit auch der Kreis, für heute jedenfalls: Griechenland braucht unsere Unterstützung. Das zeigt die Politik, die gegen Griechenland „ganz oben“ betrieben wird, mit einem sogenannten Christdemokraten namens Schäuble voran. Das zeigt aber auch die Situation, über die aus Megara zu berichten war, von Menschen, die frieren müssen, „ganz unten“, weil in Europas Chefetagen die Eiseskälte regiert. Leisten wir also auch weiterhin Widerstand – mit Hilfe und Kritik!

Was ich Euch heute schuldig bleiben muss: die neuesten SpenderInnen- und Spendenzahlen. Aus Gründen, die ich noch nicht eruieren könnte, trafen diese Informationen heute nicht bei mir ein. Gleichwohl hier wie immer die üblichen Schlusshinweise:

Wer uns bei unserer Hilfe für Menschen in Griechenland unterstützen will, unter dem Stichwort „GriechInnenhilfe“, und wer auch uns Akteuren wieder mal mit Organisationsgeldern helfen will (dann bitte unter dem Stichwort „HDS“), der überweise uns bitte Spendengelder auf das folgende Konto:
Inhaber: IHW
IBAN: DE16 2605 0001 0056 0154 49
BIC: NOLADE21GOE
Und hier nochmal die Kontaktdaten von Peter Latuska, an den Ihr Euch wenden könnt, wenn Ihr Patenschaften übernehmen wollt oder eine Spendenbescheinigung benötigt (für Spendenbeträge bis 200,- Euro genügt fürs Einreichen beim Finanzamt Kopie oder Original Eurer entsprechenden Kontoauszuges):
Peter Latuska
Theodor Heuss Str. 14
37075 Göttingen
Email: latuskalatuska@web.de
Mit herzlichen Grüßen
Euer Holdger Platta

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