Gespaltene Lohnwelt

 In Wirtschaft

Michael Schlecht, MdB, wirtschaftspolitischer Sprecher Fraktion DIE LINKE, zur Lohnsituation in Deutschland 2015

Die Tariflöhne sind in den letzten Jahren stärker als zuvor gestiegen. Aber die Bilanz von 2000 bis 2015 ist ernüchternd. Um zwölf Prozent stiegen sie preisbereinigt über diesen langen Zeitraum. Die Gewinneinkommen der Unternehmer explodierten um 70 Prozent. Und das eigentliche Drama: Nur noch 50 Prozent der Beschäftigten arbeiten unter dem Schutz eines Flächentarifvertrages. Die andere Hälfte der Beschäftigten ist regelrecht abgestürzt: Sie müssen heute mit einem preisbereinigten Einkommen auskommen, das 17 Prozent niedriger liegt als im Jahr 2000.
Gegenwärtig steigen die Löhne, auch preisbereinigt. Kein Wunder, denn die Inflationsrate liegt nahe null. Dank Einführung des Mindestlohns gibt es sogar bei den untersten Einkommen ein kleines Plus. Doch das Lohndumping der Agenda 2010 wirkt immer noch.
Der deutsche Sonderweg des Lohndumpings wurde maßgeblich von Schröder und Fischer eingeleitet. Ziel war es, die internationale „Wettbewerbsfähigkeit“ der deutschen Unternehmen zu stärken. Durch den Niedriglohnsektor – auf den Schröder erklärtermaßen stolz ist –, durch Leiharbeit, Befristungen, Scheinselbstständigkeit und Werkverträge sowie Minijobs wurde die gewerkschaftliche Kampfkraft nachhaltig unterhöhlt. Leiharbeiter und Befristete haben kaum die Chance sich an Streiks zu beteiligen; alleine schon aus Angst um den Arbeitsplatz. Und ohne oder ungenügenden Streikdruck gibt es keine oder nur minimale Lohnerhöhungen.
Viel schlimmer ist noch, dass mittlerweile nur noch jeder zweite Beschäftigte unter dem Schutz eines Flächentarifvertrages arbeitet; früher waren es einmal mehr als 70 Prozent. Tarifflucht der Unternehmer wird von den Regierungen seit Langem toleriert.
Anfang der 2000er Jahre betrug die Lohnquote noch 72 Prozent, also der Anteil der Löhne und Gehälter am Volkseinkommen. Mit der Agenda-2010-Politik brach die Lohnquote deutlich ein auf 68 Prozent und verharrt dort. Hinter dem Rückgang der Lohnquote um vier Prozentpunkte seit 2000 steckt richtig viel Geld. Rund 100 Milliarden Euro mehr müssten die Beschäftigten 2015 bekommen, wäre die Lohnquote noch so hoch wie im Jahr 2000. Die Beschäftigten werden seit vielen Jahren systematisch enteignet!
Wären die Löhne in Deutschland zumindest im Gleichschritt mit dem verteilungsneutralen Spielraum gestiegen – also den Preis- und die Produktivitätssteigerungen –, dann gäbe es keine Umverteilung zugunsten des Kapitals. Bei den tariflichen Löhnen wurde der verteilungsneutrale Spielraum um im Durchschnitt vier Prozentpunkte nicht ausgeschöpft.
Am besten ist die tarifpolitische Lage in der Chemie- sowie der Metall- und Elektroindustrie. Hier wurde der Verteilungsspielraum ausgeschöpft und sogar im Zeitraum 2000 bis 2015 um 1,8 bzw. 1,9 Prozentpunkte übertroffen. Aber auch die Tarifbereiche von IG-BCE und IG-Metall stehen unter Druck. Gerade noch rund 30 Prozent der Betriebe im verarbeitenden Gewerbe sind an einen Flächentarif gebunden. Da oft Betriebe mit vielen Beschäftigten einen Tarifvertrag unterliegen, fallen im verarbeitenden Gewerbe zumindest etwas mehr als die Hälfte der Beschäftigten unter einen Flächentarif.
Diese prekäre Beschäftigung muss beendet werden. Wir brauchen eine neue Ordnung in der Arbeitswelt.

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  • Hope
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    Warum stellt man nach 15 Jahren im Jahr 2020 erst fest, dass das Kind schon im Jahr 2005 in den Brunnen gefallen ist. Haben die da oben eigentlich vor 15 Jahren geglaubt, es wird schon wieder? Zur Ausweitung der Minijobs hat übrigens auch die Sanktionspraxis in Hartz IV beigetragen nach dem Motto: Wer nicht hören will, muss fühlen. Viele wurden seit 2005 durch Sanktionsandrohungen des Staates in diese Minijobs gepresst. Wen hat’s gefreut? Den Arbeitgebern. Und jetzt wundern die sich alle da oben, wie es so weit kommen konnte.

     

    https://news.google.com/search?q=Minijobs&hl=de&gl=DE&ceid=DE%3Ade

  • Monopoli
    Antworten
    Die da oben, glauben die Menschen wären so TV-verblödet, so Bildungs-fern, wie sie selbst es sind. Ungebildet, ohne Mitgefühl, mit breiter Unterstützung aus der verrohten Mitte , des verarschten Wahlvolkes. Unsere grandiose Konjunktur braucht mehr Arme für die zielführende Menschenverwertung und die wird es geben.

    Welche Bildung haben Betriebtswirte oder Volkswirte eigentlich im Studium erfahren? Die kapitalistische Bildung von Blackrock, vermutlich. Merz sollte sich doch mal informieren was der Kapitalismus so alles angerichtet hat. Er weis es.

    Gewalt geht nicht? Gewalt durch Denunzierung, Diskriminierung, ist seit 2005 gesellschaftlich anerkannte Verwertung aller Ressourcen der armen Faulenzer Parasiten und Schmarotzer. Die Hetze gegen Arme hatte/hat großen Erfolg in der BRD. Heute beschweren die sich über öffentliche Hetze? Welche Reaktion haben die da oben den erwartet? Die andere Wange hinhalten?

    Oh doch Gewalt funktioniert politisch zielführend, sie funktioniert per SGB, durch die von Landräten und Bürgermeistern beauftragten JC und die verblödete Fach-Richterschaft, keine Ahnung vom MR, keinen Schimmer von GG, ganz ohne persönliches Gewissen, das braucht es heute am SG nicht mehr.

    Verraten und Verkauft, für dumm verkauft.

    Schöne Reden ohne Einsicht und Reue, traditionell katholisch halt.

    GRÜNE  tun so als hätten sie mit der Agenda nie etwas zu tun gehabt.

    Gewerkschaften, korrupte rote Socken , bestens versorgt.

    Mit Verlaub, meine Meinung und das müssen alle Pseudo-Demokraten, alle politischen Spieler, noch, aushalten. Die Menschenwürde ist eine freie, verfügbare Ressource geworden, danke Schröder, danke Fischer, und gierige christliche Freundeskreise.

    Ohne jeden Rechtschutz des GG in dieser Gesellschaft, eine Selbst-Erfahrung wert!

     

     

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