Gnade für die Superreichen!
Geht die Regierung nicht zu lasch mit Leuten um, die die Staatskasse plündern? Wäre nicht mehr Härte mit „Sozialschmarotzern“ angebracht? Und ist Steuervermeidung nicht der schlimmste Anschlag auf unseren gemeinsamen Wohlstand? Bei diesem Thema wandern die Blicke automatisch nach unten: zu Bürgergeldempfängern und anderen Nutznießern staatlicher Transferleistungen. Diese – so sagt es das Klischee – lungern nutzlos den ganzen Tag auf ihrem Sofa herum, während Anständige morgens früh aufstehen. Entsprechend gering ist ihr Ansehen. Es wäre aber angebracht, mal die Blickrichtung zu wechseln: nach ganz oben. Durch die Abschaffung der Vermögenssteuer entgehen dem Staat jährlich Unsummen. Dabei ist es nicht einmal „Hinterziehung“, denn der Staat verzichtete unter Helmut Kohl und seinen Nachfolgern freiwillig – eine „Großzügigkeit“ auf Kosten von uns allen. Es ist eben nicht so, dass das Finanzamt eine absolut erbarmungslose Institution wäre – bestimmten Kreisen gegenüber lässt es erstaunliche Gnade walten. Und uns erzählen sie, dass das Geld an allen Ecke und Ende fehlt und dass wir nun leider Gottes den Gürtel enger schnallen müssen… Die Autorin hat sich einen versierten Finanzexperten, Bundeskanzler Olaf Scholz, mal vorgeknöpft. Monika Herz
Sehr geehrter Herr Bundeskanzler Scholz,
wie hypnotisiert sitze ich gerade vor meinem Bildschirm und beobachte eine Zahlenreihe, die sich im Affentempo vorwärts bewegt:
Seit dem Laden dieser Seite vor 15 Minuten hat Deutschland auf weitere
1.000.363 €
an Vermögenssteuer verzichtet.
1 Million in 15 Minuten
4 Millionen in 1 Stunde
96 Millionen in 1 Tag
Ich will Ihnen nicht verheimlichen, woher ich das weiß: von Oxfam.
Einer Ihrer Vorgänger, Helmut Kohl, der hat zum Abschluss seiner Regierungszeit die Superreichen von der ach so harten Steuer von 1% ihres Vermögens befreit. Quasi begnadigt.
In den USA begnadigt ein Präsident am Ende seiner Amtszeit traditionell ein paar Gefangene. Leonard Peltier, der seit 50 Jahren (wahrscheinlich) unschuldig im Gefängnis verrottet, war letztes Mal wieder nicht dabei. Er ist ja auch ein Indianer. Die werden nicht begnadigt. Aber das ist eine andere Geschichte.
Bei uns in Deutschland wurden die Superreichen begnadigt. Damals 1996. Seitdem fehlt mir, obwohl ich schon damals ausdrücklich dagegen war – eine Menge Zaster im Staatssäckel. Das ist nämlich mein Geld, das der Herr Kohl da verschenkt hat. Und keine Regierung, die nach ihm kam, hatte Lust, diese Riesen-Schweinerei rückgängig zu machen. Die Superreichen würden fliehen, wenn man sie wieder wie zuvor besteuert, hieß es. Mit 1 %! Wow! Wenn es nach mir ginge, würde ich sie viel höher besteuern – weil die nämlich ihren Reichtum in der Regel auf meine Kosten angehäuft haben. Da gibt es nämlich dieses System, das systematisch – wie der Name es schon sagt – von mir etwas wegnimmt, um es den Superreichen zu geben. Nach der Studie von Oxfam wurden mir seither 380 Milliarden weggenommen, während sich bei den Superreichen weitere 460 Milliarden angehäuft haben. Ich hab da jetzt keinen Bock mehr drauf.
Das stimmt nämlich gar nicht, dass die Herrschaften fliehen können. Es wurden nämlich – laut Oxfam – in der Zwischenzeit vorbildliche Gesetze geschaffen, die ihre Flucht vereiteln werden. Das muss ich jetzt schon mal lobend erwähnen. Gut gemacht!
Es fehlt also nur noch der letzte Schritt: Die Steuer per Gesetz wieder einführen! Ab sofort!
Der Finanzminister ist dagegen? Das glaub ich Ihnen aufs Wort. Aber Sie sind der Kanzler! Sie geben die Richtlinien vor! Hauen Sie mal ordentlich auf den Tisch!
Das Grundgesetz gibt es her. Artikel 14
„(1) Das Eigentum und das Erbrecht werden gewährleistet. Inhalt und Schranken werden durch die Gesetze bestimmt.
(2) Eigentum verpflichtet. Sein Gebrauch soll zugleich dem Wohle der Allgemeinheit dienen.“
Irgendwie ist der hehre Satz noch nicht so recht verwirklicht. Sie können es ändern! Steht ja auch im Programm Ihrer Partei, dass die Vermögenssteuer wieder eingeführt werden soll. Schon vergessen? Also: Tun Sie es!
Mit freundlichen Grüßen
Ihre Monika Herz