Griechenland: Zeit gewonnen

 In Politik (Ausland)
Eine Herkules-Aufgabe: der Kampf gegen die ruinösen Forderungen der EU

Eine Herkules-Aufgabe: der Kampf gegen die ruinösen Forderungen der EU

Griechenland bekommt für vier Monate eine Übergangsfinanzierung. Die Staatspleite ist damit erst einmal abgewendet. Soweit die gute Nachricht. Jedoch muss die griechische Regierung die Vorgaben der aktuellen Vereinbarungen weiterhin einhalten und die Forderungen aller Gläubiger akzeptieren. Veränderungen der „Reform“-maßnahmen sind nur möglich, wenn die „Institutionen“ – faktisch die bisherige Troika – keine Einwände haben. Damit tun die Gläubiger weiter so, als läge der Schlüssel zur dauerhaften Behebung der Krise in Griechenland. Dabei liegt er vor allem in Deutschland. (Michael Schlecht, MdB)

Im Kampf mit der neuen griechischen Regierung bleibt die Bundesregierung, insbesondere Finanzminister Schäuble, hart: Größere Erleichterungen oder gar einen Schuldenschnitt soll es nicht geben. Es gehe um „Europas Glaubwürdigkeit“, sagte Bundeskanzlerin Angela Merkel. So wird die Fortsetzung einer brutalen Kürzungspolitik genannt.

Thiess Büttner vom Wissenschaftlichen Beirat beim Bundesfinanzministerium wird deutlich: Eine Nachbesserung des Programms für Griechenland dürfe es nicht geben, schreibt er im „Handelsblatt“. Und jetzt kommt’s: „Selbst wenn dies zu einer Stärkung der griechischen Wirtschaft führen würde,… würde die Glaubwürdigkeit erheblich beschädigt. Denn das Aufkündigen der Vereinbarungen nach einer Wahl stellt jede Auflage grundsätzlich in Frage.“

Worum geht es der Bundesregierung bei ihrem Kampf um „Glaubwürdigkeit“? Erstens ganz prinzipiell um ihre Macht, anderen Ländern Auflagen zu verpassen, die diese dann umsetzen müssen. Zweitens will sie das Programm für Griechenland nicht stoppen, weil sie damit eingestehen würde, dass es gescheitert ist. Und drittens wird Athen nicht nachgegeben, weil sonst auch viele andere Länder eine Änderung der Kürzungspolitik fordern würden.

Syrizas Gegenargumente wiederum sind nicht zu widerlegen. Erstens muss die humanitäre Krise im Land bekämpft werden – eine Krise, die niemand bestreitet. Zweitens muss das Spardiktat abgemildert werden, da es das Land nachweislich in den Ruin getrieben hat. Drittens will Syriza die Reichen stärker zur Kasse bitten.

Selbst wenn es der griechischen Regierung gelingt, wichtige Eckpunkte dieser Strategie für die Zeit nach dem Juni 2015 mit der EU zu vereinbaren, bleibt ein grundlegendes Problem: Ob mit diesen Maßnahmen die Wettbewerbsfähigkeit der griechischen Wirtschaft wieder erreicht werden kann, ist zweifelhaft. Das Problem liegt dabei nicht in Griechenland und genauso wenig in den anderen Krisenländern der Eurozone.

Sondern in Deutschland!

Seit 2000 sind die Lohnstückkosten in Deutschland um elf Prozent gestiegen, in den anderen Ländern um die 20 bis 25 Prozent – also in etwa doppelt so stark. Selbst die brutalen Lohndrückerei in Griechenland hat die Lohnstückkosten auf ein Niveau von plus 17 Prozent gegenüber 2000 gedrückt; gleichwohl immer noch höher als in Deutschland.

Die Ursache für diese Auseinanderentwicklung ist das deutsche Lohndumping in den letzten 15 Jahren. Hierzulande ist mit der Agenda 2010 eine brutale Deregulierung des Arbeitsmarktes und damit Schwächung der Gewerkschaften durchgesetzt worden. Mittlerweile wird es ja von Gewerkschaften schon als Erfolg verkauft, dass der durchschnittliche Reallohn eines Beschäftigten wieder auf dem Niveau des Jahres 2000 liegt. Wären die Reallöhne im Gleichschritt mit der Produktivität angestiegen, dann lägen sie heute mehr als 16 Prozent höher und den Beschäftigten wären seit 2000 nicht weit mehr als eine Billion Euro vorenthalten worden.

Damit ist einerseits die Wettbewerbsfähigkeit deutscher Unternehmen im Ausland erdrückend. Andererseits sind die deutschen Importe aufgrund der eingeschnürten Massenkaufkraft zu gering. Und beides ist für die Länder der Eurozone verhängnisvoll: Sie leiden weiter unter dem unfairen Wettbewerb. Zudem bleibt es bei einem dramatischen Außenhandelsüberschuss Deutschlands; 2015 wird er auf zwei Billionen Euro seit 2000 anwachsen. Dem muss in anderen Ländern, so auch in der Eurozone, ein Außenhandelsdefizit entsprechen und damit eine weitere Verschuldung. Schäuble liegt vollkommen falsch, wenn er meint: „Die Ursachen der Krise liegen in Griechenland und nicht in Europa, schon gar nicht in Deutschland.“ Dies ist arrogante Ignoranz!

Die griechische Regierung sollte offensiver die deutsche Verantwortung für unfairen Wettbewerb und Verschuldung thematisieren. Und vor allem versuchen politische Kräfte in anderen Krisenländern für diese Auseinandersetzung mit der deutschen Regierung zu gewinnen. Mit einem Wahlsieg von Podemos in Spanien im Herbst könnte eine derartige Allianz an Stärke gewinnen.

DIE LINKE hierzulande unternimmt ohnehin alles um den Kampf gegen die Prekarisierung, für die Stärkung der Gewerkschaften und für höhere Löhne voranzubringen. Nur mit einer Kehrwende in der deutschen Lohnpolitik kann Europa gerettet werden!
Weitere Informationen: www.michael-schlecht-mdb.de

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