Helfen wir den Menschen in Griechenland! – 9. Zwischenbericht

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Holdger Platta

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Liebe HdS-Leserinnen, liebe HdS-Leser,

Ihr seid es ja schon gewohnt: ‚pünktlich’ am Freitag jeder Woche erscheint unser neuester Bericht zu unserer Hilfsaktion für notleidende Menschen in Griechenland sowie für helfende Institutionen dort, die alle selber auf Hilfe angewiesen sind: für Krankenhäuser und Arztpraxen, für Altenheime und Sozialstationen. Außerdem – auch dieses sicherlich schon gewohnt – teilen wir jedesmal zu Beginn auch die neuesten Zahlen zum Spendenstand mit.

Bevor ich das heute tue, möchte ich jedoch etwas anderes ansprechen – und vielleicht werden die einen oder anderen von Euch überrascht sein von dem folgenden Gedankengang:

Von Anfang an haben wir den humanitär-politischen Doppelcharakter unserer Hilfsaktion betont. Uns geht es um Unterstützung von Menschen, denen endlich wieder zurückverholfen werden soll zu einem Leben, das nicht mehr nur aus Angst besteht, aus Angst vor der nächsten Stromrechnung, aus Angst vor dem nächsten Krankheitsfall, aus Angst vor dem Verhungern sogar. Kurz: es geht nicht nur um Wiederherstellung eines menschenwürdigen Lebens, für manche geht es sogar um eine Überlebenschance schlechthin. Und schmerzlich bewusst ist uns allen dabei, daß wir wenigen, ganz wenigen, Menschen nur helfen konnten und helfen können. Das ist, wie gesagt, die eine, die humanitäre Dimension unserer Hilfsbemühungen.

Aber es geht, wie schon mehrfach betont, auch um die politische Dimension dieser Probleme, es geht – mit einem Satz gesagt – auch darum, daß all diese humanitären Probleme, bis weit in die Existenzgefährdung unzähliger Menschen hinein, politisch verursacht sind – und zwar politisch verursacht nicht durch die jetzige (alte und neue) griechische Regierung, sondern politisch verursacht durch das erneute Spardiktat der Eurostaaten vom 11. Juli des Jahres. „Abgrund sofort oder allmähliches Erdrosseltwerden“, so hatten wir die Erpressungssituation formuliert, in der sich Alexis Tsipras in der Nacht vom 10. auf den 11. Juli in Brüssel befand! Und mittlerweile dürfte deutlich geworden sein, am Beispiel vieler Einzelschicksale (allzu kurz nur!) dargestellt, daß die Metapher vom „Erdrosseltwerden“ keine Übertreibung war, sondern präzise die Realität vieler Millionen Menschen Griechenland benennt. Wer einen Umschuldungsetat von 86 Milliarden Euro als „Rettungspaket“ bezeichnet – so die Schäubles und Merkels, so auch die Medien (bis in die Rückpro-Benennung der bundesdeutschen „Tagesschau“ hinein!) -, der belügt die Griechen wie das eigene Volk. Der gibt den Tabellentausch von Zahlenkolonnen in irgendwelchen Großrechnern der westeuropäischen Staaten und Banken als Menschenhilfe aus, obwohl kein Euro aus dieser Geldmenge bei den verelendeten Bürgerinnen und Bürgern in Griechenland ankommt. Aber wer dieses nur als „Lüge“ bezeichnet, hat damit noch längst nicht die ganze Wahrheit gesagt. Und mir scheint es überfällig zu sein, dieses heute zu tun. Womit ich beim eigentlichen Punkt meiner heutigen Überlegungen bin. Seit Wochen frage ich mich nämlich, ob diese Politik der Euro-Staaten gegenüber Griechenland nicht schon seit längerem den Straftatbestand des „Verbrechens gegen die Menschlichkeit“ erfüllt! Mit der Folge, daß diese Menschenzerstörungspolitik längst schon vor den Internationalen Strafgerichtshof (IStGH) der Vereinten Nationen in Den Haag gehörte!

Natürlich kann ich an dieser Stelle nur unzureichend diese Vermutung begründen. Aber wenn ich im diesbetreffenden Wikipedia-Artikel „Verbrechen gegen die Menschlichkeit“ zu lesen habe, daß im Artikel 7 des 2002 in Kraft getretenen Römischen Statuts dieses „Verbrechen gegen die Menschlichkeit“ unter anderem als „ausgedehnter oder systematischer Angriff gegen die Zivilbevölkerung“ definiert worden ist, als Angriff auf eine Vielzahl von Menschen „auch außerhalb bewaffneter Konflikte“; wenn ich unter Absatz 1 dieses Artikels 7 zu lesen habe, daß darunter auch die Verfolgung „national“ definierter Gruppen zu verstehen ist, auch die „unmenschliche Behandlung“ von Menschen, „die vorsätzlich großes Leid oder schwere körperliche oder mentale Verletzungen“ bei den Betroffenen verursacht, dann frage ich mich, ob diese Tatbestandsmerkmale nicht längst schon gegeben sind bei der erpresserischen Zerrüttungspolitik der Euro-Staaten gegenüber Griechenland!

Haben wir es bei den Millionen von Menschen in Griechenland ohne Lohn und Brot, ohne Krankenversicherung oder Rente, mit etwas anderem zu tun als mit „unmenschlicher Behandlung“, mit „vorsätzlich“ herbeigeführtem „großen Leid“, mit „schweren körperlichen oder mentalen Verletzungen“?

Und wenn ich unter Absatz 2 des erwähnten Artikels 7 aus dem Römischen Statut lesen muß, der Rechtsgrundlage des Internationalen Strafgerichtshofes in Den Haag, daß unter „Verfolgung“ (siehe oben, Absatz 1!) „die absichtliche, schwere Verletzung von fundamentalen Grundrechten gegen internationales Recht wegen der Identität einer Gruppe oder Gemeinschaft“ zu verstehen ist, liegt dann nicht für jeden unparteiischen Beobachter auf der Hand, daß es in unserem Fall Menschen wegen ihrer Zugehörigkeit zu Griechenland sind, für die „fundamentale Grundrechte“ wie Essen- und Trinken- und Wohnenkönnen, wie Alterssicherung und Krankenschutz einfach abgeschafft worden sind – und dies alles mit Wissen und Vorsatz derjenigen, die der griechischen Regierung unter Tsipras in dieser berüchtigten Brüsseler Nachtsitzung vom 10. auf den 11. Juli den realen Entzug dieser Grundrechte aufgezwungen haben?

Daß mich hier keiner missversteht: wenn ich das alles in den vorangegangenen Absätzen in Frageform zur Debatte stelle, dann nicht aus Feigheit oder weil ich persönlich Zweifel an der Beantwortung dieser Fragen hätte. Es geschieht einzig und allein aus Respekt vor dem Strafgerichtshof der Vereinten Nationen, der meines Erachtens diese Fragen rechtsverbindlich zu klären hätte und demzufolge mit diesen Fragen befasst werden müßte! Anders formuliert: für mich ist dieser Straftatbestand „Verbrechen gegen die Menschlichkeit“ kein Unrecht, das wir einfach mal so in deutscher Geschichte entsorgen dürfen (heißt: ausschließlich als jene NS-Verbrechen begreifen, die ab 1945 vor dem Internationalen Militärgerichtshof in Nürnberg verhandelt wurden, übrigens dort noch auf der Grundlage des seinerzeit gültigen Völkerrechts, festgehalten im sogenannten „Londoner Statut“ von 1945, nicht auf der Grundlage des hier mehrfach erwähnten „Römischen Statuts“ aus dem Jahre 2002, in Kraft getreten am 1. Juli desselben Jahres). Damit setze ich nicht die NS-Verbrechen mit den jetzigen Verbrechen der Euro-Staaten gleich. Und schon gar nicht bagatellisiere ich damit die Verbrechen der Nazizeit. Aber ich wende mich entschieden gegen eine Bagatellisierung der „Verbrechen gegen die Menschlichkeit“ jetzt. Lediglich deshalb, weil das Unmaß der Verbrechen in Auschwitz und in den anderen KZs so unvergleichbar schlimm gewesen ist, darf das „Verbrechen gegen die Menschlichkeit“ heute gegen Griechenland nicht einfach so fortgesetzt werden. Dies auszusprechen, schulden wir Helferinnen und Helfer den Menschen in Griechenland ebenfalls! Und auch dieses, scheint mir, die Tatsache, das auszusprechen, stellt Hilfe für die Menschen in Griechenland dar! Nicht zuletzt die „Neufälle“, die ich abschließend zu diesem Bericht kurz vorstellen werde, belegen dies.

Und damit, liebe HdS-Leserinnen und liebe HdS-Leser, zum neuesten Spendenstand: er liegt nunmehr bei 65.477,- Euro (Plus gegenüber der Vorwoche: 860,- Euro), die Anzahl der SpenderInnen bei nunmehr 471 (Plus gegenüber der Vorwoche: 6). Insgesamt ausgegeben für vielfache Hilfeleistungen – siehe Vorberichte! – haben wir mittlerweile 21.550,- Euro (bei einigen Hilfsbedürftigen laufen die Unterstützungszahlungen im kommenden Monat ‚automatisch’ weiter). Nicht mitberechnet bei diesen Geldbeträgen: die – umfangreichen! – Zusatzspenden, die von Evelin und Tassos Chatzatoglou sowie von Karl-Heinz Apel aufgebracht worden sind. Wie immer gilt ihnen wie Euch unser herzlicher Dank (wie auch unserem Mitakteur Peter Latuska, der mit ungebrochener Sorgfalt die Spendenkasse verwaltet)!

Ich gebe heute ausschließlich, in gekürzter Form, jene Notfälle wieder, die uns von Evelin und Tassos Chatzatoglou gemeldet worden sind:

Mitteilung vom 20. September:
„Auf Andros wurde uns von der dortigen Sozialarbeiterin Frau Alexaki ein neuer Fall zugetragen: es handelt sich um die Familie K.. Beide Elternteile sind nach einem Schlaganfall bettlägrig. Die 15-jährige Tochter ist arbeitslos und pflegt ihre Eltern. Die Familie lebt von der Pension des Vaters. Wie hoch diese ist, muss noch eruiert werden.
Die Familie wird vom Solidaritätsverein Apikion Androu laufend mit Lebensmitteln, Inkontinenzeinlagen und Medikamenten versorgt. Es gibt aber noch eine Reihe von anderen Ausgaben wie z. B. für eine neue Waschmaschine, da die alte kaputt ist: Höhe € 600

Auch bräuchten die 4 Kinder von M. noch etwas Geld, um sie einzukleiden. Wir denken an € 500.

Herr H. war mittlerweile in Athen, um seine Invalidenpension zu beantragen. Jetzt wartet er…. Der Mann ist lt. Frau Alexaki absolut mittellos. Hier wäre wieder die Bezahlung der nächsten Stromrechnung fällig. Die genaue Summe wird uns noch bekannt gegeben.“

Mitteilungen vom 16. und 17. September:
„Hier ein neuer Notfall: Martha M.. Sie ist 59 Jahre alt, Martha selbst leidet an Non-Hodgkin (einer Form von Lymphdrüsenkrebs) und wartet nun seit 3 1/2 Jahren auf ihre Witwenpension, bis dato nichts. Sie ist im Besitz einer Sozialkarte und versucht, mit dem Geld, das ihr ihre Mutter von ihrer geringen Pension sowie ihre Tochter abgeben, über die Runden zu kommen. Martha M. ist künstlerisch tätig, und wir helfen ihr, indem wir ihr ihre Bilder und Kunstobjekte abkaufen. So sieht sie dies wenigstens nicht als Almosen.

Sie ist aufgrund der gesamten Zustände in psychotherapeutischer Behandlung bei einer sozialen Einrichtung in Athen. Martha würde nun nebst der medizinischen Betreuung auch dringendst eine neue Brille benötigen.

1200 € für die nächsten 3 Monate? (Wir würden ihr jetzt aber auf die Schnelle nur € 400 geben und eventuell die nächsten 2 Monate nochmal € 400. -, falls ihr einverstanden seid). Vielleicht hat sie bis dahin schon ihre Pension. Seit neuestem stellt Martha alle 15 Tage einen Antrag auf ein Beschleunigungsverfahren, wird aber immer noch auf den nächsten Entscheidungstermin der Behörde vertröstet. So vergingen insgesamt bereits fast 3 1/2 Jahre seit Antragstellung.

Aber sie käme wenigstens wieder zu einer neuen Brille und kann eine wichtige Therapie durchführen lassen.“

Es versteht sich von selbst, liebe HdS-Leserinnen und HdS-Leser, daß wir uns um alle diese Menschen kümmern werden. Und auch die Menschenrechtsproblematik, die ich zu Beginn des heutigen Berichtes etwas breiter angesprochen habe, bleibt für uns auf der Tagesordnung, versprochen!

Womit ich, wieder einmal, bei den Angaben zu unserer Bankverbindung bin (bei Spende bitte das Kennwort „GriechInnenhilfe“ nicht vergessen!):

Inhaber: IHW
IBAN: DE16 2605 0001 0056 0154 49
BIC: NOLADE21GOE

Es grüßt wieder sehr herzlich, auch im Namen des gesamten HelferInnenteams,
Euer Holdger Platta

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