Ist es gerechtfertigt Assad zu unterstützen?

 In Politik (Ausland)

kavehGegen den US-Imperialismus anschreiben und ankämpfen – klar; aber müssen wir die Gegner unserer Gegner partout zu unseren Freunden erklären? Müssen wir über die Bluttaten Assads und Putins großzügig hinwegsehen, um uns “Linke” und “Friedensfreunde” nennen zu dürfen? Kaveh Ahangar, in Iran geborener Berliner Rapper, zeigt in seinem Artikel, dass man schon sehr ungenau hinschauen muss, um den syrischen Machthaber für einen guten Mann zu halten. Er rollt ein Stück syrischer Geschichte auf und lässt dabei weder Putin noch die Westallianz ungeschoren. Es offenbart sich das Panorama eines böses Machtspiels im Nahen Osten, bei dem es schwer fällt, irgendwo einen “Guten” ausfindig zu machen. Da ist es nicht hilfreich, wenn Teile der Linken auf einem Auge blind und in gewisse Despoten geradezu verliebt scheinen, nur weil diese dem US-Imperium die Stirn bieten. (Kaveh Ahangar)

Viele Linke unterstützen oder idealisieren Diktatoren wie Gaddafi, Mugabe und Assad. Im Folgenden versuche ich anhand des syrischen Machthabers zu verdeutlichen, warum es äußerst bedenklich ist, Assad zu verteidigen oder gar zu verherrlichen. Wäre Assad früh genug auf die Forderungen der Demonstranten eingegangen, hätten vielleicht der Tod von über 250.000 Menschen und die Flucht von mehr als 11 Millionen Kriegsflüchtlingen verhindert werden können. Dies soll natürlich nicht darüber hinwegtäuschen, dass die USA, ihre NATO-Verbündeten und die Golfstaaten eine entscheidende Rolle in der Eskalation des Bürgerkriegs in Syrien gespielt haben. Zugleich gibt es aber auch nachvollziehbare Gründe dafür, Assad zu bevorzugen, falls die einzige Alternative eine von den USA eingesetzte Marionetten-Regierung wäre. Denn wie man heute am tragischen Schicksal Afghanistans, Iraks und Libyens sehen kann, standen diese Staaten vor den westlichen Interventionen deutlich besser da als jetzt, wo die Nationalstaatlichkeit praktisch zusammengebrochen und Krieg und Chaos an ihre Stelle getreten sind.

Bashar al-Assads Vater, Hafez al-Assad, regierte von 1971 fast 30 Jahre lang das Land. Er verweigerte unzähligen Kurden die Staatsbürgerschaft, schloss die Sunniten von der Machtbeteiligung aus, unterdrückte die linke Opposition, beförderte Vetternwirtschaft und Korruption, was wiederum die politische Entwicklung begünstigte, dass Islamisten und die Muslimbruderschaft zur stärksten Opposition des Landes werden konnten. Er war ein staatssozialistischer Diktator, der in den 1980ern Tausende, wenn nicht sogar zehntausend revoltierender Muslimbrüder ermorden ließ und die Mitgliedschaft bei den Muslimbrüdern unter Todesstrafe stellte.

Als Bashar al-Assad, eigentlich ausgebildete Augenarzt, 2000 an die Macht kam, führte er dieses Erbe fort. Nach den Attacken von 9/11 arbeitete er zunächst mit den USA zusammen, unter anderem um den verfeindeten Saddam Hossein loszuwerden. Bevor Assad ab 2004 durch Wirtschaftssanktionen bestraft wurde, unterstützte er den imperialistischen Krieg der USA/NATO gegen Irak und kollaborierte mit der CIA, die auf syrischem Boden Menschen zu foltern pflegte.

Wie unter der Herrschaft seines Vaters, waren auch unter dem neuen säkularen Diktator Wahlen und Demonstrationen verboten, der Personenkult um Hafez wurde auf Bashar al-Assad übertragen, während die Minderheit der Alewiten die Machtpositionen innehielten und andere religiöse Gruppen gegeneinander ausgespielt wurden.

Die zunehmenden Privatisierungen seit Bashar al-Assads Machtergreifung, die bereits unter seinem Vater begonnen hatten, führten zu einem Klientelkapitalismus, von dem hauptsächlich Assads Familie profitierte. Die Liberalisierung der Wirtschaft und die westliche Sanktionspolitik trugen schließlich dazu bei, dass die Arbeitslosigkeit kurz vor Ausbruch der Massenproteste bei 20% lag und die Armut bei fast 45%. Der Westen trägt also aufgrund seiner Sanktionspolitik eine gewisse Mitschuld am wirtschaftlichen Verfall und der Verarmung der syrischen Bevölkerung.

Assad brauchte ganze 11 Jahre, um im Jahr 2011 mehr als 300.000 registrierten staatenlosen Kurden die Staatbürgerschaft anzubieten. Unregistrierte staatenlose Kurden durften weiterhin keine Staatsbürgerschaft erhalten und es war ihnen bis zum Ausbruch des Bürgerkrieges untersagt in der Schule kurdisch zu lernen, kurdische Feste zu feiern, kurdische Namen zu benutzen oder kurdische Bücher zu veröffentlichen.

Steigende Armut und Dürrekatastrophen, die Willkürherrschaft Assads, welche sich durch Korruption, Vetternwirtschaft, eine flächendeckende Zensur und Bespitzelungen der Bevölkerung, die Verhaftung von Andersdenkenden, Folter, Mord sowie die Unterdrückung der Sunniten, Muslimbrüder und Kurden auszeichnete, führte 2011 zu Massendemonstrationen in einigen Teilen des Landes. Die Assad-Dynastie war also maßgeblich für die Stärkung und Radikalisierung von Islamisten, der anhaltenden Unzufriedenheit der unterdrückten Kurden und den Freiheitsbestrebungen säkularer Kräfte mitverantwortlich. Einige Menschenrechtsorganisationen gehen davon aus, dass es heute über 200.000 politische Gefangene in syrischen Gefängnissen gibt. Vor diesem Hintergrund ist es auch nicht verwunderlich, dass die USA einige ihrer Gefangenen nach 9/11 in Syrien misshandelten.

Vor allem Islamisten wurden zwar vom Westen und Regionalmächten wie Saudi Arabien unterstützt, aber die Mehrheit der Demonstranten waren unzufriedene Sunniten, Kurden und säkulare Kräfte, die unabhängig von den imperialistischen Machtspielen des Westens, auf der Straße demonstrierten. Die Proteste waren also in erster Linie ein interner Volksaufstand gegen die Assad-Diktatur. Die Behauptung, die Aufstände seien erst durch die Förderung des Westens entstanden, ist eine zutiefst eurozentrische Sichtweise, da sie den Syrern und auch den anderen Demonstranten des „Arabischen Frühlings“ in Tunesien, Ägypten usw. autonome Entscheidungsprozesse abspricht und nicht als handelnde Subjekte wahrnimmt. Auch ohne US-Unterstützung hätte es diese Proteste gegeben. Als ob die unterdrückten Syrer keine eigenständigen Bestrebungen nach Demokratie und sozialer Gerechtigkeit hätten. Die friedlichen Proteste, die mit dem Slogan: „Friedlich, friedlich – weder Sunniten noch Alewiten, wir wollen nationale Einheit“ skandierten, wurden schließlich vom Regime blutig niedergeschlagen.

Als der „Islamische Staat“ sich 2012 aufgrund des Bürgerkrieges immer stärker in Syrien ausbreiten konnte, ließ Assad sie lange gewähren. Der „IS“ und andere militante islamistische Oppositionsgruppen wurden vom Westen, von der Türkei, privaten Geldgebern aus den Golfmonarchien und von Israel tatkräftig unterstützt, da die Schwächung Assads den wirtschaftlichen und geostrategischen Interessen dieser Staaten zugutekam. Es gab einen Gefangenenaustausch zwischen der syrischen Regierung und „Daesh“, es wurden Schutzzölle an den „Islamischen Staat“ gezahlt und auch Öl vom „IS“ gekauft. 2012 wurde sogar eine Vielzahl militanter Islamisten aus syrischen Gefängnissen entlassen. In der Tat gab es viele Parallelen zwischen Assad und dem „IS“. Beide terrorisieren ihre Bevölkerung mit geheimdienstlichen Spionagetätigkeiten, Erpressung, Folter und Mord. Erst 2014 gab es härtere Konfrontationen zwischen Assad und dem „IS“.

Während es vorher nur „Volksabstimmungen“ gab, in denen man entweder für oder gegen Assad „stimmen“ durfte, stellte er sich 2014 zum ersten Mal „demokratischen“ Wahlen, an denen auch andere Kandidaten antreten durften. Da es nur internationale Wahlbeobachter von Staaten gab, die mit Assad verbündet sind, kann man nicht von demokratischen, fairen und transparenten Ergebnissen sprechen. Große Teile der Opposition boykottierten die Wahlen und es spricht viel dafür, dass die Wahlergebnisse gefälscht worden sind und dass sich Assad keineswegs plötzlich vom brutalen Diktator zum lupenreinen Demokraten verwandelte. Vor diesem Hintergrund erscheint das Argument eher ungerechtfertigt, dass Russland, rechtlich gesehen, die einzige „legale“ ausländische Kriegspartei im Syrien-Krieg darstellt. Denn es ist zwar nach internationalem Recht legal, dass Russland zur Hilfe gerufen wurde und seit September 2015 Luftangriffe auf anti-Assad Stellungen fliegt. Aber es ist deshalb noch lange nicht legitim und schon gar nicht moralisch gerechtfertigt, dass ein Diktator, der nicht den Volkswillen repräsentiert, den russischen Präsidenten zur Hilfe ruft, der wiederum für die Sicherung der eigenen Interessen hunderte unschuldige Zivilisten durch Bombardierungen im Kampf gegen oppositionelle Kräfte abschlachtet.

Ähnlich wie Putin, arbeitet auch Assad seit Jahren mit rechtsradikalen Kräften zusammen.* Dies wäre ein weiterer triftiger Grund dafür ihm kritisch gegenüberzustehen. Der frühere Ku Klux Klan Führer David Duke hielt 2005 eine Rede im syrischen Staatsfernsehen. 2006 wurde der ukrainische Rechtsradikale Georgy Shchokin vom Außenministerium nach Syrien eingeladen und bekam von der Ba’th Partei eine Medaille verliehen. Wie sein Vater, beherbergte auch Bashar al-Assad den Naziverbrecher Alois Brunner, Oberleutnant unter der Führung Adolf Eichmanns. Der britische Rechtsradikale Nick Griffin vertritt Syrien in Großbritannien und zuletzt traf sich Assad mit dem belgischen Rechtsradikalen Filip Dewinter.

Es ist verständlich, dass viele Menschen, aufgrund ihrer Frustration gegenüber dem US-Imperium, Assad und Russland als unterstützenswerte Alternativen zur NATO-Vorherrschaft hochstilisieren, da diese notgedrungen die imperialistische Expansion des Westens zu verhindern versuchen. Das darf aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass es Russland um die Sicherung der eigenen imperialistischen Interessen geht und dabei unzählige unschuldige Zivilisten ums Leben kommen. Entscheidend ist aber vor allem, dass Assads Willkürherrschaft maßgeblich die Eskalation des Bürgerkrieges ausgelöst und vorangetrieben hat. Es ist ein Bürgerkrieg, der sich schon längst zu einem Stellvertreterkrieg ausgeweitet hat.

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