Kleine gute Nachrichten aus einer großen zerstörerischen Welt

 In Holdger Platta, Über diese Seite

63. Bericht zu unserer Spendenaktion „Helfen wir den Menschen in Griechenland!“ “Neoliberalismus zerstört, was er angeblich aufbauen will, Austeritätspolitik vernichtet, was sie angeblich wiederbeleben soll. Dieser Kapitalismus tötet.” Unser Autor Holdger Platta ist auch in dieser Woche wieder zornig. Der zerstörerische Irrsinn, ja die abgrundtiefe Gemeinheit des Kapitalismus zeigt sich u.a. an dieser Tatsache, über die Holdger – neben anderen – berichtet: “Das griechische Volk hat quasi die ersten fünf Monate des Jahres 2015 nur für die Begleichung der Zinsansprüche seiner Gläubiger gearbeitet! Und es hatte danach keinen einzigen Euro weniger Schulden!“ Währenddessen steigt die Selbstmordrate in Griechenland drastisch. Freilich gibt es auch in dieser Woche wieder ein paar gute Nachrichten. Über “kleine” Siege ist zu berichten, die vor allem unseren Spenderinnen und Spendern, aber auch den Helferinnen und Helfern unserer Initiative zu verdanken sind. (Holdger Platta)

Liebe HdS-Leserinnen und liebe HdS-Leser,

heute gibt es eine ganze Reihe guter Nachrichten vorweg. Sie betreffen samt und sonders unsere Hilfsaktion (während vom “großpolitischen” Bereich nach wie vor nur Schlechtes zu vermelden ist). Aber der Reihe nach:

Jawohl, die Anzahl der SpenderInnen hat wieder zugenommen und ebenfalls, gemessen an der Vorwoche, der bei uns eingegangene Spendenbetrag! 21 UnterstützerInnen überwiesen Hilfsgelder an uns (Vorwoche: 7), 800,- Euro kamen während der letzten sechs Tage zusammen (Vorwoche: 215,49 Euro). Heißt: das schon gewohnte Spendentief jeweils zum Monatsende hat erneut einem Spendenhoch zum Monatsanfang Platz gemacht. Und wir bedanken uns dafür nicht nur mit großer Herzlichkeit, sondern auch mit etwas Erleichterung. Eure Beharrlichkeit, den drangsalierten Menschen in Griechenland zu helfen, ist bewundernswert!

Und bewundernswert ist nach wie vor auch die Beharrlichkeit unserer “Außenhelfer” vor Ort, zum einen Karl-Heinz Apels mit seiner Frau Ursula (derzeit wieder in Griechenland), zum anderen Tassos Chatzatoglou, der vor wenigen Tagen wieder aus Griechenland nach Graz zurückgekehrt ist (seine Frau Evelin war währenddessen von Österreich aus für unsere Hilfsinitiative tätig gewesen). Und was, konkret, gibt es zu berichten?

Nun, Karl-Heinz Apel hat sich zunächst einmal ganz auf weitere Hilfe für Katerina K. in Piräus konzentriert (weitere Aktionen folgen noch). Ihr erinnert Euch: Katerina K. wurde im letzten Jahr von unserer Initiative bei ihrer Leberoperation in London unterstützt, mitsamt ihrer Familie natürlich, danach finanzierten wir ihre leider weiterhin erforderlichen Dialysefahrten von Piräus nach Athen. Genau für diesen Zweck war nun auch eine Nachfinanzierung in der Höhe von 500,- Euro fällig. Außerdem, so erfuhr Kalle Apel bei den K.’s, steht für den Herbst dieses Jahres die zweite große Operation für Katerina an, die Nierentransplantation in London – Spender der Niere wird ihr Vater sein –, und da werden wir zumindest einen Teil der Reise- und Aufenthaltskosten übernehmen wollen. Um eine “Hausnummer” zu nennen: mindestens in der Höhe von 2.000,- Euro.

Doch auch dieses möchte ich keinesfalls unerwähnt lassen: Kalle wird erneut auch aus eigener Tasche beitragen zur Finanzierung dieses Hilfsbedarfs. Eingeplant hat er 500,- Euro dafür. Und: typisch für Kalles persönliches Engagement – der ja seit Jahrzehnten in Polen, in Krakau, die ärztliche Behandlung völlig verarmter, obdachlos gewordener Patientinnen und Patienten mit zu ermöglichen hilft –, kennzeichnend für Kalles humane Empathie ist auch das Folgende noch: seit Jahren schon, und auch diesesmal wieder, versorgt er Tierheime in Griechenland mit Medikamenten und Geld. Für mich nicht überraschend, da ich seit unserer gemeinsam verbrachten Kindheit Kalles Tierliebe kenne (Mitte der Fünfziger Jahre, beide nicht mal zwölf Jahre alt, gründeten wir mit zwei weiteren Spielkameraden in unserem Mülheimer Vorort einen „Tierschutzverein“). Das also zu Karl-Heinz Apels ersten bzw. neuerlichen Hilfsaktivitäten in Griechenland!

Womit ich auch bei Tassos’ neuesten Nachrichten zu unseren Hilfsbemühungen in Griechenland bin. Und da erstmal eine ganz besonders erfreuliche Information vorweg:

Liebe HdS-Leserinnen und liebe HdS-Leser, es hat nun doch noch geklappt mit der neuen Wohnung für Panagotia K. und ihre Töchter! Auch da erinnert Ihr Euch sicherlich: zunächst schien Auszug aus der – lebensgefährlichen und menschenunwürdigen – „Bruchbude“ (so Tassos) in Megara möglich geworden zu sein. Doch dann musste ich – letzte Woche war das – diese gute Nachricht erstmal widerrufen. Unklarheiten waren aufgetaucht, alles schien erneut in Frage zu stehen. Heute indes kann ich endgültig verkünden: die Sache hat geklappt! Der Vertrag ist in Ordnung, die Kaution wurde auf den Betrag von einer Monatsmiete herabgesetzt – üblich sind ansonsten drei Monatsmieten als Kaution -, es ist bei den 180,- Euro Mietpreis pro Monat geblieben, und Panagotia K. scheint auch mit der Größe der neuen Wohnung, die sie mit zwei ihrer fünf Töchter beziehen wird, zufrieden zu sein: 41 qm. Das ist, auch aus meiner Sicht, nicht viel, doch in Megara, diesem Küstenort, sind die Mietpreise generell sehr hoch. Jedenfalls gilt: wir können – nicht zuletzt wegen der Daueraufträge für diesen speziellen Hilfszweck (von Bettina Beckröge und Konstantin Wecker) – gewährleisten, dass sich Panagotia K. mit ihren Töchtern nicht weiter Sorgen machen muss, was ihr Wohnen betrifft. Im Kleinen ein gelöster Fall! Wir freuen uns riesig!

Doch der Aktionsbericht von Tassos ist noch um einiges länger. Ich zähle hier nur in aller Kürze auf:

• Für 6 verarmte Familien auf der Insel Andros wurden deren Stromrechnungen bezahlt.

• Für den kleinen Dionysis ist der Kauf seiner Diätnahrung auch für die nächste Zeit gesichert.

• Für Alexander D. wurden ebenfalls die Strom”schulden” getilgt. Auch konnte ihm Tassos, im Wert von 200,- Euro, Essensbons übergeben.

• Für Spiros, den MS-Patienten, haben wir die Physiotherapien und Nahrungsergänzungsmittel bezahlt.

• Für die Familie K. in Megara hat Tassos beim Großanbieter „Sklavenitis“ Essensbons eingekauft.

• Für Frau Stamatia R. hat Tassos Decken und Haushaltsartikel eingekauft, weil ihr alles gestohlen worden war (ich hatte darüber schon berichtet).

• Und nicht zuletzt auch dieses noch (als Erläuterung zu meinem Bericht aus der letzten Woche): von den 2.000,- Euro, die wir den sozialen Einrichtungen in Korydallos gespendet haben, werden 560 Familien – Familien! – zu Ostern Pakete mit Lebensmitteln bekommen, die Kinder auch Spielzeug und Süßigkeiten. Tassos kommentiert diese Hilfe für ältere Leute und Familien von Arbeitslosen mit ihren Kindern so: „Damit schaffen wir einen Hauch von Normalität in diesem Wahnsinn.“

Womit ich auch – Ihr wisst es: relativ regelmäßig die andere Dimension meiner Berichte – bei diesem „Wahnsinn“ selber bin und damit, unausweichlich, bei der sogenannten „großen“ Politik der Euro-Staaten gegenüber dem gepeinigten kleinen Griechenland. “Natürlich” halten da dieses Elend und diese Verelendungspolitik auch weiterhin an. Und zu befürchten ist, dass auch der Freitag dieser Woche, der 7. April, ein Tag, an dem noch einmal zwischen Griechenland und Euro-Vertretern verhandelt werden soll über die Lösung der humanitären und sozialen, der arbeitsrechtlichen und ökonomischen Probleme, keinen Durchbruch bringen wird. Zwar hat es gestern und heute schon Gespräche gegeben in Athen, mit EU-Präsidenten Tusk, doch schon nach dem ersten Gespräch mit ihm teilte Alexis Tsipras der Öffentlichkeit mit: „Ich habe beim Präsidenten Tusk die Einberufung eines Gipfels der Mitgliederstaaten der Euro-Zone beantragt, falls es keine Einigung gibt.“ Das klingt nicht gerade hoffnungsvoll. Aber vergegenwärtigen wir uns einige Fakten nochmal (ich folge dabei der Auflistung, wie sie Egbert Scheunemann, Beauftragter der Rosa-Luxemburg-Stiftung in Athen und Verfasser einer Studie mit dem Titel „Griechenlands Staatsbetriebe im Zwangsverkauf“, vorgelegt hat):

1. Zwar gewährten die Euro-Staaten (inkl. IWF) Griechenland von 2010 bis heute 368,6 Milliarden Euro an Krediten. Aber realiter gewährt wurden davon nur 215,9 Milliarden an Krediten – und realiter im griechischen Staatshaushalt kamen nur 10,8 Milliarden Euro an, das sind weniger als 5 Prozent.

2. Von dieser Nominalsumme 368,6 Milliarden Euro werden aber bis 2018 allein 70,1 Milliarden Euro an Zinsen (ungleich Tilgung!) an die Kreditgeber zurückzuzahlen sein!

3. Dieser Betrag von 70,1 Milliarden Euro an Zinsen entsprechen etwa 40 Prozent der gesamten griechischen Bruttoinlandsproduktion (BIP), wie sie im Jahre 2015 erwirtschaftet worden ist. Heißt, in den Worten Scheunemanns: „Das griechische Volk hat quasi die ersten fünf Monate des Jahres 2015 nur für die Begleichung der Zinsansprüche seiner Gläubiger gearbeitet! Und es hatte danach keinen einzigen Euro weniger Schulden!“

4. Die Griechenland aufgezwungenen „Sparprogramme“ haben zu einem – so Scheunemann – „beispiellosen“ Zusammenbruch der griechischen Wirtschaft geführt; das griechische BIP sank um ca. 25 Prozent, die Arbeitslosenrate stieg auf ca. 25 Prozent, Löhne, Renten und staatliche Gesundheitsausgaben wurden um bis zu 30 Prozent gekürzt, die Selbstmordrate stieg dramatisch. Infolgedessen wuchs die Staatsschuldenquote (gemessen am BIP) von 146,2 Prozent (2010) an auf 176,9 Prozent (2015), also um gut 30 Prozent-Punkte.

5. Privatisierungserlöse hingegen werden sich bis 2018 auf maximal 6 Milliarden Euro belaufen. Heißt: sie werden nicht mal einen Bruchteil der Zinslasten abdecken können. Stattdessen kamen der griechischen Volkswirtschaft hochprofitable Staatsunternehmen „abhanden“, verkauft zu „Schleuderpreisen“, so Scheunemann, und zwar an außergriechische Großunternehmen oder Staaten („Fraport-Deal“! HP).

6. Das Fazit Egbert Scheunemanns lautet deshalb auch wie folgt: dieses Griechenland aufgezwungene „Vernichtungsprogramm“ und diese „finanzielle Ausplünderung des Landes durch IWF, EZB, EU (insbesondere Deutschland)“ sind – so der Autor wörtlich – „ein beispielloser politischer, volkswirtschaftlicher und moralischer Skandal.“

Ich gebe zu, als ich dieses am heutigen Vormittag las, nahm ich diese Analyse und dieses Todesurteil zu einer tödlichen Politik sogar mit einem Gefühl der Ermutigung zur Kenntnis: Allmählich spricht sich sogar unter Experten herum – Egbert Scheunemann ist Politologe von Hause aus –, was ich unter anderem auch ich vor längerer Zeit schon an dieser Stelle veröffentlicht habe (siehe unter anderem meine Wochenberichte 18 bis 20 aus dem Mai des letzten Jahres sowie meinen Zweiteiler „Sollen die Menschen doch krepieren!“!): Diese heillose Politik der Großstaaten gegenüber Griechenland macht alles kaputt! Und unsere Berichte zeigen, fast jedesmal: nicht nur Strukturen werden – irgendwie abstrakt also – kaputtgemacht bzw. eine Volkswirtschaft, die wieder funktionieren könnte, sondern kaputtgemacht wird – ganz konkrekt – das Leben von Menschen!

wie Papst Franziskus gesagt hat, dieser Kapitalismus ist mörderisch. Und nicht nur in der sogenannten Dritten und Vierten Welt liefert er uns Tag für Tag die Beweise dafür. Nein, mittlerweile ist dieser tödliche Kapitalismus längst schon auch angekommen in den sogenannten „Randzonen“ des europäischen Kontinents, in Irland und in Portugal, in Spanien und Italien sogar – und, wahrlich, nicht zuletzt in diesem kaputt“geretteten” Griechenland!

Und damit zu meinen obligaten Schlusshinweisen:

Wer uns bei unserer Hilfe für Menschen in Griechenland unterstützen will, unter dem Stichwort „GriechInnenhilfe“, wer das spezielle Hilfsprojekt in Megara mitfinanzieren möchte (dann bitte zusätzliches Stichwort „Megara“!) und wer auch uns Akteure wieder mal mit Organisationsgeldern helfen will (dann bitte unter dem Stichwort „HDS“), der überweise uns bitte Spendengelder auf das folgende Konto:

Inhaber: IHW
IBAN: DE16 2605 0001 0056 0154 49
BIC: NOLADE21GOE

Und hier nochmal die Kontaktdaten von Peter Latuska, an den Ihr Euch wenden könnt, wenn Ihr Patenschaften übernehmen wollt oder eine Spendenbescheinigung benötigt (für Spendenbeträge bis 200,- Euro genügt fürs Einreichen beim Finanzamt Kopie oder Original Eurer entsprechenden Kontoauszuges):
Peter Latuska

Theodor Heuss Str. 14
37075 Göttingen
Email: latuskalatuska@web.de
Mit herzlichen Grüßen
Euer Holdger Platta

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