Können Emotionen strafbar sein?

 In Egon W. Kreutzer, FEATURED, MULTIMEDIA, Politik (Ausland)

(… und was is Hass, wenn nicht Emotion?) Heiko Maas – wie wir aus der Boulevard-Presse wissen, frisch verliebt in die Schmonzetten-Darstellerin Natalia Wörner – hat derzeit vor allem eines im Sinn: die Verschärfung von Gesetzen. Es ist wohl der Pawlowsche Reflex aller Innen- und Justizminister der jüngeren Geschichte: Ihr Denken kreist um die Frage „Wo ich kann ich noch in irgendeinem Bereich möglichst hart, streng oder scharf agieren?“ Statt der Schutz der Grundrechte steht seit einiger Zeit deren Abbau auf der politischen Agenda. Früher hatte man aber wenigstens vor den Essentials noch Respekt: der Meinungsfreiheit z.B. Oder dem Recht auf eigene Gefühle. Hass ist ein solches Gefühl. Es ist nicht schön, aber geht es den Staat was an, ob einige Menschen ihm Ausdruck geben wollen? Und sollten ein paar facebook-Schnösel künftig per Privat-Justiz darüber befinden können, was veröffentlicht werden darf? Egon W. Kreutzer kämpft gegen den maaslosen Bürgerrechtsabbau mit dem Florett der geschliffenen Sprache. (Egon W. Kreutzer)

(… und was ist dann Hass, wenn nicht Emotion?)

Selbstverständlich kann alles strafbar sein. Es kommt auf die Rechtsordnung und auf die gültig verabschiedeten Gesetze an.

Wo sich Gesetze nicht am Rechtsempfinden der Mehrzahl der Bürger, nicht an überkommenen Sitten und Gebräuchen, nicht an der Mehrung des Nutzens der Rechtsgemeinschaft, sondern alleine am Machtinteresse der Regierenden orientieren, ist es zulässig von einer Diktatur zu sprechen, auch dann, wenn sich alles im formalen Rahmen einer Demokratie abspielt.

Aufgeklärte Gesellschaften haben daher einige Bürgerrechte explizit in den Rang von Grundrechten erhoben, um zu vermeiden, dass eine radikalisierte Obrigkeit die Gefügigkeit der Untertanen per Strafrecht erzwingen kann.

Hierzu gehört im Besonderen, das Recht, seine Meinung in Wort, Schrift und Bild frei äußern und verbreiten zu dürfen und sich aus allgemein zugänglichen Quellen ungehindert zu unterrichten.
Bei uns steht das übrigens so im Artikel 5 des Grundgesetzes.

Wie man aus allgemein zugänglichen Quellen solche macht, die nicht mehr zugänglich sind, ist Teil des Herrschaftswissens von Diktatoren und ihren Unterdrückungsapparaten.

Geheimhaltung

Alles, was die Bürger erregen und zum Widerstand ermutigen könnte, wird nicht öffentlich gemacht. Wer aus dem Kreis der Verschwörer (Wer Geheimnisse zum Schaden anderer hütet, ist Verschwörer.) oder der zwangsläufig informierten subalternen Geheimnisträger gegen die Geheimhaltungspflicht verstößt, wird unbarmherzig verfolgt und nach Möglichkeit zumindest per Rufmord zur Strecke gebracht.

Zensur und Selbstzensur

Medien können auf mannigfache Weise kontrolliert werden. Das beginnt mit der Besetzung der Chefposten, setzt sich über die Vergabe von Anzeigenaufträgen schmerzhaft fort und führt letztlich dazu, dass Wohlverhalten ganz von alleine produziert wird.

Erpressung

Erpressung ist natürlich unfein, aber wenn man schon mal etwas gegen einen Widerspenstigen in der Hand hat, dann wäre es ja töricht, damit nicht im richtigen Moment Einfluss zu nehmen.

Neu hinzugekommen ist in unseren Tagen das Löschen von Internetinhalten.

Dies wäre jedoch, würde die Regierung selbst zum digitalen Radiergummi greifen, eine nicht geheim zu haltende Form der Verletzung des Grundgesetzes, die auf erheblichen Widerstand treffen und vielleicht sogar das Verfassungsgericht verstimmen könnte.

Die ausgefuchste Lösung soll nun darin bestehen, dass zunächst einmal auf dem Weg der sanften, aber nachdrücklichen Beeinflussung ein Klima der political correctness erzeugt wird, dem jedermann und jedInfrau derart ausgesetzt ist, dass öffentliche Meinungsäußerungen außerhalb dieses Korsetts soziale Ausgrenzung zur Folge haben.

Dieser erste Schritt ist weitgehend gelungen. Wo Studenten sich bei Prüfungen per Prüfungsordnung Punkteabzug einhandeln, wenn sie sich in ihren schriftlichen Äußerungen nicht einer „gendergerechten“ Sprache bedienen, sind die Anforderungen an ein Klima des Duckmäusertums sogar schon übererfüllt.

Im zweiten Schritt wird die Wut derer, die sich willig unterdrücken lassen, umgewandelt in Empörung gegen diejenigen, die sich noch nicht fügen. Das ist ein uralter Trick. Wer den alten Damen in der Kirchenbank zuhört, wie sie sich tuschelnd über ihre Glaubensgenossinnen ereifern, die sich – und sei es nur in der Kleidung – über die allgemeine religious correctness hinwegsetzen, weiß, dass es nicht tiefe Religiosität, sondern letztlich nur der Neid auf die Freiheit der Abweichler ist, der sie zu bösartigen, weißhaarigen Gnomen im schwarzen Gewand werden lässt.

Auch dieser Schritt ist weitgehend vollzogen. Hysterische Empörung ist allenthalben anzutreffen und wird – obrigkeitsseitig – nicht gedämpft, sondern wohlwollend verstärkt.

Im dritten Schritt wird die hirnlose Hysterie zum allgemeinen Volkszorn erklärt, der es erforderlich macht, zur Wahrung des inneren Friedens jedwedes abweichlerische Verhalten, zu dem die freie Meinungsäußerung inzwischen geworden ist, zu kriminalisieren. Die Begründung dafür lautet, man müsse die Bevölkerung vor der freien Meinung der Abweichler schützen, weil die überall wahrzunehmende Empörung schließlich kein guter Zustand sei. Das Volk soll nicht beunruhigt werden, sondern schön ruhig bleiben.

Auch hier sind wir weit fortgeschritten, doch das bestehende Rechtssystem setzt der Kriminalisierung immer noch letzte Grenzen, die nicht niedergerissen werden können, ohne zugleich den letzten Schleier der Demokratie mit niederzureißen, hinter dem sich statt der vermuteten Grundrechte nur noch die Willkür versteckt.

Daher will man das empörte Volk nun selbst machen lassen. Es soll genügen, eine missfallende Meinungsäußerung zu rügen, um die Plattform, auf der sie erschienen ist, zur Löschung zu zwingen.

Dafür sind zwei Kategorien vorgesehen,

nämlich solche Meinungen, die für Hass gehalten werden, und
solche, die für Lüge gehalten werden.

Und damit das auch im deutschsprachigen Raum von allen verstanden wird, nennt man diese Meinungsäußerungen „hate speech“ und „fake news“.

Betrachten wir diese Kategorien genauer, dann werden zwei Sachverhalte deutlich:

1. Der Nachweis einer Lüge ist sehr, sehr schwierig.

Selbst Gerichte, die dutzende von Zeugen aufrufen, denen auch diverses Beweismaterial vorliegt, die noch dazu Gutachter beauftragen können, tun sich zumeist schwer, einen Lügner der Lüge zu überführen.

Ein denunziationsbereiter Bürger, der im Inhalt einer Meinungsäußerung auch eine Tatsachenbehauptung und in dieser eine Lüge zu erkennen glaubt, aber nicht „selbst dabei“ war oder sonst zuverlässig Kenntnis erhalten hat, ist darauf angewiesen, an eine von anderen vorgegebene Wahrheit zu glauben.

Ob diese Wahrheit nun lautet, dass sich die Sonne um die Erde dreht, wogegen jeglicher Widerspruch lange verfolgt wurde, oder ob diese Wahrheit nun lautet, dass es so etwas wie eine „Kanzlerakte“ nie gegeben hat, beides war, bzw. ist die Folge der Einstellung, primär dem Glauben zu schenken, was öffentlich für wahr gehalten oder als die Wahrheit ausgegeben wird.

Was, wenn künftig alles gelöscht werden muss, was dem offiziellen Report der 9/11 Untersuchungskommission widerspricht, weil sich Leute finden, die dazu mit einem Löschungsersuchen an die Plattformen herantreten? Sollen die nun sieben Tage Zeit haben, weil es sich um eine kompliziertere Sache handelt, oder nur einen Tag, weil die Türme „offenkundig“ durch die hineingeflogenen Passagiermaschinen zerstört wurden?

Wenn ein Beitrag schon gelöscht werden muss, weil nur eine einzige Person die dort gegebene Darstellung für eine Lüge hält, dann wird sich das Netzwerkdurchsetzungsgesetz ganz schnell zu einem (Staats-) Lügenschutzgesetz entwickeln.

Im Zweifelsfall wird niemand erfahren, wer – und in wessen Auftrag – die Löschungsersuchen stellt, solange die Plattformen das Spiel mitspielen und schneller löschen als ein Inhalt sich überhaupt verbreiten kann.

Das böse Wörtchen „offenkundig“, das schon heute in gewissen geschützten Bereichen der Wahrheit die Verkünder dieser Wahrheit von jedweder sachlichen Auseinandersetzung entbindet, wird sich noch viele weitere, neue Einsatzgebiete erobern.

Wollen wir das?

Nach der Expertenanhörung zum Netzwerkdurchsetzungsgesetz im Bundestag, wo dem Gesetz ein verheerendes Zeugnis ausgestellt wurde, könnte es sein, dass die Front der Befürworter doch noch ins Wanken kommt. Sicher ist das aber nicht, denn einerseits wird der Fraktionszwang in dieser dem Staatswohl dienenden Frage kaum aufgehoben werden, und andererseits ist auch hier noch ein Kuhhandel möglich, welcher die Zustimmung belohnt und/oder die Ablehnung bestraft. In Koalitionen, vor allem in großen, sieht der Kompromiss ja häufig so aus, dass die eigentliche Sache unverändert bleibt, während auf einer anderen Baustelle, die bis dahin (vorsorglich) auf Eis gelegt war, Zugeständnisse gemacht werden.

2. Hass ist eine Emotion

Emotionen sind der bewussten Steuerung entzogen. Man kann sie unterdrücken, also sich bemühen, sie nicht sichtbar werden zu lassen, doch dies soll – sagen die Psychologen – auch gar nicht gut sein, weil aufgestaute Emotionen die Neigung haben, sich irgendwann explosiv zu entladen.

Man kann also niemandem verbieten, jemanden oder etwas zu hassen. Es soll Menschen geben, welche die Lieder mancher Interpreten hassen, andere wiederum hassen die Interpreten, weil sie diese Lieder singen. Jedenfalls kann es vorkommen, dass solche Menschen wütend vom Tisch aufstehen und eine Gesellschaft verlassen, wenn ein solches verhasstes Stück unerwartet aus einem Lautsprecher tönt.
Fragt man diese dann, was denn los sei, werden sie wahrscheinlich antworten: „Ich hasse diese Musik!“

Fragt man sie nicht, könnte es sein, dass sie sich auf Facebook oder bei Twitter Luft machen und den Interpreten und seine Lieder mit allerlei unschönen Adjektiven heruntermachen.

Wenn nichts davon den Tatbestand der Beleidigung erfüllt, sollte ein solcher emotionaler Ausbruch, dem ja niemand zustimmen muss, ohne Folgen bleiben. Kein Gericht würde dem Interpreten eine Entschädigung zusprechen, weil die Äußerungen schließlich von der Meinungsfreiheit gedeckt waren.

Nun hat der zu kriminalisierende Hass allerdings noch ein zusätzliches Kriterium, das als der Schutz von Minderheiten vor Diskriminierung bezeichnet wird.

So wird aus einer nicht beleidigenden Meinungsäußerung sehr schnell ein „Hate Speech“ zu konstruieren sein, wenn der Interpret selbst einer mit „besonderen Persönlichkeitsrechten“ ausgestatteten, also privilegierten Minderheit angehört. Homosexuelle Interpreten können sich immer auf den Standpunkt zurückziehen, ihr Werk sei nicht wegen seiner künstlerischen Qualität, weder was die Texte, noch was die Komposition betrifft, mit Häme überschüttet worden, sondern nur aus einem abgrundtiefen Hass auf Homosexuelle. Neben den Homosexuellen sind Sinti und Roma, Flüchtlinge und andere Zuwanderer, Angehörige des jüdischen Glaubens, Menschen nicht weißer Hautfarbe, ja selbst Straftäter nach verbüßter Strafe bekanntermaßen als Minderheiten besonderes Ziel von Hassbotschaften, was ausreicht, um „Emotionen“ zu kriminalisieren – und weil der Staat sich mit seiner ordentlichen Gerichtsbarkeit auch hier heraushalten will, wird dem Löschungsersuchen ohne sachkundige Klärung stattgegeben werden.

Es wird nicht lange dauern, bis auch Gebrauchtwagenhändler, Investmentbanker und Regierungspolitiker sich als verfolgte Minderheit dem Hass ausgesetzt sehen und alles löschen lassen, was ihrem hehren Selbstbild widerspricht.

So stellt sich also dem nachdenklichen Menschen der Sinn und Zweck des Netzwerkdurchsetzungsgesetzes sehr sonderbar dar.

Zunächst einmal wird der nachdenkliche Mensch zu der Auffassung gelangen, dass er keinen Vormund benötigt, der ihn davor bewahrt, von Meinungsäußerungen anderer Kenntnis zu erhalten. Im Gegenteil, er wird sich diese Bevormundung verbitten.

Dann wird der nachdenkliche Mensch zu der Auffassung gelangen, dass es gar nicht darum geht, ihn zu schützen, sondern im Gegenteil darum, ihm bestimmte Erzählungen, Legenden, oder, wie es heute heißt, „Meme“, vorzuenthalten.

Meinung wird so zur Infektionskrankheit erklärt, Betroffene werden in Quarantäne gesteckt und der Rest der Bevölkerung wird zur Zwangsimpfung geladen. Demokratie bleibt auf die „gesunden, staatstragenden Elemente“ beschränkt, wiewohl es zugleich laut gedachte Vorschläge gibt, auch Menschen mit geistigen Behinderungen das Wahlrecht zuzugestehen.

So erlebt die Demokratie ihr Fiasko.

Die Welt der Demokraten ist eine inzestuöse Scheibe, mit dem Eiland der Wahrheit im Zentrum. Rings um dieses Eiland verlaufen – als Zone der gebilligten Abenteuer – die festgelegten Wege der Küstenschifffahrt. Wer diese allerdings in Richtung Horizont verlässt, wird unweigerlich an den Rand der Scheibe gelangen und ins Verderben stürzen.

Wo die Wahrheit so festgefügt ist und jeder Versuch von vornherein zum Scheitern verurteilt ist,, auch anderswo nach Erkenntnis und neuen Ideen, nach geheimen Absichten und den diese verbergenden Lügen zu suchen, wird das Interesse an der demokratischen Teilhabe zwangsläufig erlahmen, weil ja bereits die beste und wahrhaftigste Regierung im Vollbesitz allen erreichbaren Wissens am Werke ist. So werden, bei abnehmender Wahlbeteiligung die Stimmanteile für die wohltätigen Anführer mit der Zeit ganz von alleine die 100-Prozent-Marke erreichen und dort verharren, bis die Wahlen als unnötige Zeit- und Geldverschwendung ganz eingestellt werden.

Und sollte dann einer kommen, und sich erinnern, und fordern, dass doch wieder einmal gewählt werden sollte, dann wir der sich ganz schnell da wiederfinden, wo die übrigen Hassprediger hinter hohen digitalen Schutzmauern in Quarantäne gehalten werden.

Am 18. September 2012 veröffentlichte die ZEIT die Kolumne: „Hass und Hetze gehören in den USA zur Meinungsfreiheit“, verfasst von US-Bürger Eric T. Hansen, in welcher einerseits die in den USA gelebte Meinungsfreiheit geschildert wird, andererseits aber schon vor fünf Jahren mit erhobenem Zeigefinger der Hinweis erfolgte:

„Wir (Anm.: die Amerikaner) halten es (Anm.: die so weitgehende Meinungsfreiheit) für einen echten Grundpfeiler der Demokratie (was übrigens nicht stimmt: Demokratie ist auch mit einer eingeschränkten Meinungsfreiheit möglich, wie das in Deutschland der Fall ist).“

Wenn ich das so lese, dieses oberlehrerhafte Geschwätz, mit dem Deutschland als leuchtendes Beispiel einer Demokratie mit (stark) eingeschränkter Meinungsfreiheit dargestellt wird, so, als sollten alle übrigen Demokratien daran arbeiten, die Meinungsfreiheit auf deutsches Niveau abzusenken, dann werden doch einige Emotionen in mir geweckt, vor denen ich Sie, liebe Leser, in vorauseilendem Gehorsam jedoch lieber durch Verschweigen schützen will.

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