Marschflugkörper zu Medizin gegen Giftgas!

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Autor Torsten Brügge

Nach der Giftgaskatastrophe in Syrien vom 4. April 2017 steht noch längst nicht fest, wer sie zu verantworten hat. Doch der Schuldige ist von Vielen schon ausgemacht. Auch Bestrafung wurde von den USA schon ausgeführt. Das nennt man wohl „Schnellgericht“. Als hehres Ziel gilt: Die Bevölkerung Syriens zu schützen. Doch bringen Bomben Schutz? Man könnte das Geld dafür, statt es in die Luft zu sprengen, auch für viel bessere Lösungen einsetzen und vor allem die brandgefährliche Eskalation zwischen den Weltmächten sein lassen. (Torsten Brügge)

Es scheint, dass die USA und NATO-Gefolgsstaaten ihre Strategie fortsetzen wollen, den jeweiligen “bösen Diktator” und sein Regime mit Hilfe militärischer Einsätze wegbomben zu wollen. Oder zumindest zu versuchen, sie zu destabilisieren, mit der Hoffnung, im Chaos werd schon eine andere, „gerechtere“ Regierung an die Macht kommen, die dem Westen dann freundlicher gesonnen ist. Und das jetzt ausgerechnet in Syrien! Dort wimmelt es nur so von radikal-islamistischen Kämpfern, die die Macht nur all zu leicht an sich reißen könnten.

Wenn diese Strategie wenigstens funktionieren würde, könnte man vielleicht noch überlegen, ob man das Leid der Zivilbevölkerung und das zahlreiche Töten und Zerstören in Kauf nimmt – obwohl auch das schon für mich äußerst fraglich wäre. Aber was genau hat denn diese Strategie in Afghanistan, dem Irak und Libyen bewirkt? Destabilisierung, Spaltung der lokalen Bevölkerung, wachsenden globalen “Hass auf den Westen”, Förderung des lokalen und globalen Terrorismus, Flüchtlingsbewegungen nach Europa, ein Ausbluten dieser Länder bezüglich eigener Intelligenz und Leistungskraft. Und was hat man daraus gelernt? Weitermachen wie bisher!

Ich sage nicht, dass Assad ein “guter Herrscher” ist. Die Kriegsverbrechen seines Regimes sollten aufgedeckt und so gut es geht verfolgt und geahndet werden. Genauso wie die vielen Brüche des Völkerrechts durch die NATO-Staaten seit Ende des zweiten Weltkrieges. Doch wenn Letztere schon zu großen Teilen ignoriert oder als “Friedenseinsätze” zurechtgebogen werden, wie kann sich “der Westen” dann die Großkotzigkeit herausnehmen, durch Bomben den nahen und mittleren Osten “befrieden” zu wollen.

Natürlich ist es schrecklich, dass Menschen durch Giftgas ums Leben kommen. Doch die Schnelligkeit, mit der im April in Syrien der „Schuldige“ ausgemacht und dann die “Bestrafung” mit Gegengewalt ausgeführt wird, ist doch verdächtig.

Immerhin finden mehr und mehr Stimmen Gehör, die berechtigte Zweifel an einer schnellen Klärung der Schuldfrage aufwerfen. So zum Beispiel der Nahostexperte Dr. Michael Lüders in der Sendung von Markus Lanz (https://m.youtube.com/watch?v=3Rwswcchgpk). Lüders beschäftigte sich intensiv mit dem Giftgaseinsatz 2013 in Ghuta (Syrien) und mahnt, diese Erkenntnisse auch aktuell zu berücksichtigen. Trump hat das nicht getan, sondern den Angriff des US-Militärs mit Marschflugkörpern auf die syrische Armee angeordnet. Wieder eine Eskalationsstufe nach oben.

Beschämend auch, dass die deutsche Regierung da anscheinend wieder mitläuft. 2003 war es eine rühmliche Ausnahme, dass Gerhard Schröder die Mithilfe beim Angriff des Iraks verweigerte. Doch sonst ist deutsche Politik von gehorsamspflichtigem Mitläufertum gegenüber den größenwahnsinnigen US-Regierungen und ihren Waffengängern gekennzeichnet. Zumindest verbal gab es von SPD und CDU Unterstützung für das US-Vorgehen. Ein kritisches Wort, dass dieses Vorgehen aus Sicht des Völkerrechts als ein Bruch desselben gesehen werden muss? Fehlanzeige!

Der einzige Hoffnungsschimmer im Moment: Immerhin haben die USA Syrien und Russland vor dem Angriff informiert, so dass die Anzahl der Verletzten und Toten relativ niedrig ausfiel. Man kann nur hoffen, dass dies eine einmalige „Kraftdemonstration“ bleibt und nicht demnächst Bomben auch auf Damaskus fallen. Doch bei den „Western-Helden“ sitzt der Colt allzu locker. Und die Zerstörungskraft hat sich seit den Siedler-Trecks leider mörderisch erhöht.

Und jetzt wird auch deutlich, dass Trump nicht nur virtuell gewalttätig twittert, sondern seine Generäle auch real gewaltig feuern lässt. Diejenige, die darauf gehofft hatten, er würde in Bezug auf Russland einen Friedenskurs einschlagen, werden jetzt eines Besseren belehrt. Diesmal könnten sie Russland mit hineinziehen. Und dann würde es schnell ganz düster aussehen – auch und gerade für Europa.

Der aktuelle Angriff der USA auf den syrischen Militärstützpunkt soll mit mehr als 50 evtl. sogar 80 Marschflugkörpern geschehen sein. Jeder einzelne davon kostet ca. zwischen 600.000 bis 1 Million Dollar. Da kommt die US-Rüstungsindustrie auf einen schönen Umsatz von um die 50 Millionen Dollar. Ist das ein neues Wirtschaftsförderungsprogramm von Trump? Ich habe gehört, dass die Aktienkurse vieler Rüstungsunternehmen nach dem Angriff kräftig gestiegen sind. Einfach nur pervers!

Dabei gäbe es auch andere Mittel, wirklich zu helfen. Ganz praktisch: Nach dem Toxikologen Prof. Edmund Maser – ebenfalls Gast bei Markus Lanz – gibt es gegen Giftgaskampfstoffe durchaus Antidots (Gegengifte). Bei schneller Verabreichung können diese Leben retten und Spätwirkungen vermeiden. Die Soldaten der NATO sind damit ausgerüstet. Ihre Spähpanzer können auch schnell Alarm schlagen, wenn zum Beispiel Sarin eingesetzt wird.

Wie wäre es mal damit: Anstatt die 50 Millionen Dollar in die Luft zu sprengen, nutzt man dieses Geld für die Verteilung von Antidot-Ampullen verbunden mit Nervengiftdetektoren und detaillierten Anwendungsbeschreibungen unter der syrischen Bevölkerung in Kriegsgebieten. So könnte diese sich selber notfallmäßig versorgen, egal von welcher Seite das Giftgas kommt.

Ich bastele weiter an meinen Transparenten für Friedensdemonstrationen. Ein neuer Spruch:

MARSCHFLUGKÖRPER ZU MEDIZIN GEGEN GIFTGASS

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