Mit Marx durch den März: Auftakt zu den Karl-Marx-Wochen

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Nicht alles, was begraben liegt, ist auch tot. Am 14. März 2017 werden es 134 Jahre sein, seitdem Karl Marx für immer vom Spielfeld genommen wurde. Die Gedanken, Argumente und Einfälle (von Ideen zu reden ist bei einem konsequent materialistischen Autor etwas missverständlich) haben ihren Schöpfer aber offenbar überlebt. Marx’ geistiges Kapital trägt bis heute Zinsen. skug.at schickt sich deswegen an, in einer umfassenden Artikelserie von Alessandro Barberi einige Grundbegriffe der marxistischen Tradition zu rekapitulieren und sogar zu aktualisieren. „Hinter den Schlagzeilen“ übernimmt diese Serie in den kommenden 5 Wochen mit Vergnügen und in neugieriger Erwartung. (Text: Redaktion skug, www.skug.at)

Nicht alles, was begraben liegt, ist auch tot. Am 14. März 2017 werden es 134 Jahre sein, seitdem Karl Marx für immer vom Spielfeld genommen wurde. Die Gedanken, Argumente und Einfälle (von Ideen zu reden ist bei einem konsequent materialistischen Autor etwas missverständlich) haben ihren Schöpfer aber offenbar überlebt. Marx’ geistiges Kapital trägt bis heute Zinsen. Die Liste derer, die sich auf ihn beziehen, ist unüberschaubar: Adorno, Foucault, Marcuse, Fromm, Deleuze, Derrida, Eribon, Žižek und so weiter. Eigentlich müsste somit die Relevanz von Marx kaum nachgewiesen werden, dennoch kann er ebenso in einer Liste der verfemten AutorInnen geführt werden. Im intellektuellen Mainstream zeigt sich, es werden gerne die größten geistigen Dehnungen und Spreizungen vollführt, um nur ja nicht eingestehen zu müssen, ein Gedankenzug sei in Gang gekommen durch den ollen Marx.

Es »marxelt«

Somit muss sich derweil in der »bürgerliche« Welt eine gewisse Verzweiflung breitmachen, wenn diese nun beginnt, sich wieder an Marx abzuarbeiten. Es kommen Filme über ihn ins Kino, die Hamburger »ZEIT« stellt keck die Frage »Hatte Marx Recht?« und in der Sozialdemokratie rauchen die Köpfe, wie sich denn ein Linksruck inszenieren lasse, ohne zu »marxeln« und selbstverständlich ohne einen Millimeter nach links rücken zu müssen. Die rechten Schlüsse können aus einer Relektüre von Karl Marx in diesen Kreisen allerdings kaum gezogen werden, schließlich darf dessen Denken ab einem bestimmten Punkt nicht verstanden werden, weil es dann die Raison d’être unserer Gesellschaft in Gefahr bringen würde. Trotz aller periodisch wiederkehrenden Krisen, so weit sind »wir« noch lange nicht. Die LeserInnen der »ZEIT« schätzen keine Extreme, schließlich glauben sie, sie hätten Haus, Auto und Flugreisen zu verlieren. Dasjenige, worauf Marx ursprünglich und letztendlich hinauswollte, der Klassenkampf, wirkt deswegen furchterregend und schießt völlig über die anvisierten bürgerlichen Reformziele hinaus, wie etwa die freiwillige Einführung eines Veggie-Days. Was dabei aber übersehen wird, ist, dass der Klassenkampf längst erneuert wurde und mit erbarmungsloser Härte ausgefochten wird. Allerdings ist es der Klassenkampf »von oben«. Das längst sprichwörtliche »eine Prozent« hat diesen Kampf begonnen und es wird ihn wohl auch gewinnen – so zumindest die Weissagungen des Warren Buffet.

Auch die »ZEIT«-AbonnementInnen spüren längst die Fuchtel immer härter und verklären diese dann innerlich-psychologisch als Abstiegsängste. Als ob nicht ein Herabsinken in einer Gesellschaft des weitreichenden Unrechts und der schäbigen Bosheit durchaus als ein adelnder Aufstieg und als Befreiung empfunden werden könnte. Aber man hat sie lieb gewonnen, die SUVs und Eigentumswohnungen. Und außerdem gibt es längst eine Erniedrigungsindustrie, von Schule, Uni und Beruf bis hin zu AMS und Hartz4, die mit ihren sadistischen Disziplinatoren die Kinder beten lehren. Die utopischen Zielvorstellungen von Karl Marx – wieweit sie auch inkohärent und widersprüchlich sein mögen – scheinen derweil weit entfernt. In einem solchen Klima ängstlicher Verzagtheit könnte der Bärtige also einfach weiter ignoriert werden und in politikwissenschaftlichen Seminaren eingekapselt bleiben.

Zur Lage der Lage

Bleibt er aber nicht. Es »gespenstert« immer noch in Europa und jüngst wieder mehr. Eine Sehnsucht nach einem realistischeren Weltbezug macht sich breit. Gerne wurde Marx als Prophet verspottet, der nur hin und wieder höhere Töchter und Söhne zur Umkehr verleiten konnte. Dabei wurde verwischt, wie sich in seiner Konzeption einer materialistischen Geschichtsauffassung und seiner ökonomischen Lehre vom Kapital eben jene Werkzeuge finden lassen, die unsere heutige Situation beschreiben helfen und vielleicht sogar einen Wandel ermöglichen.

skug.at schickt sich deswegen an, in einer umfassenden Artikelserie von Alessandro Barberi einige Grundbegriffe der marxistischen Tradition zu rekapitulieren und sogar zu aktualisieren. Nachdem mit dem Auftakt der Serie unter dem Titel »Marx gespenstert« eben genau dieses Geisterleben von Marx darlegt wird, folgen eigene Artikel über den Klassenbegriff und das Klassifikationsproblem (Teil 2 der Serie), über das Proletariat, wo auch vom Kognitariat und Prekariat (Teil 3) die Rede sein wird, um zu zeigen, dass mit dem Neuen Klassenkampf eine »Wiederkehr des Verdrängten« zu konstatieren ist (Teil 4), welche wohl den Aufbau einer Neuen Internationale nötig macht. Wenn etwa mit Bernie Sanders in den USA oder mit Jeremy Corbyn in Großbritannien ein »Demokratischer Sozialismus»« die politische Bühne betrat, der gegen alle Widerstände damit begann, den äußerst fatalen und verräterischen »Dritten Weg« von Bill Clinton und Tony Blair zu kritisieren, wird auch die Frage gestellt werden müssen, was am Beginn des 21. Jahrhunderts ein »Sozialdemokratismus«, ein »Demokratischer Sozialismus« und vor allem auch ein – über Žižek und Badiou – revolutionärer »Kommunismus« – im Sinne von Creative Commons, Gemeinwohl, Community-Medien oder Kommunalpolitik in kommunitärer Hand – sein könnte (Teil 5). Dazu bieten wir Parerga und Paralipomena. Also beispielsweise eine Kritik des aktuellen Films »Der junge Karl Marx« und sonstige kleine marxistische Überraschungen.

Ein Nachsatz

Oje! Unsere LehrerInnen haben uns verdorben. Ein Problem mit linker Theorieverbreitung besteht darin, dass viele LeserInnen sich davor fürchten, etwas nicht zu verstehen. Diesen strategischen Vorteil rechter Ideologie, die immer betont »watscheneinfach« daherkommt, gilt es nicht zu unterschätzen. Die sprachliche Anbiederung und Vereinfachung ist aber ein Trick, bei dem eine simple Version dem »Volke« vorgelabert wird, während die »Führer« die komplexen Sachverhalte für sich behalten.

Liebe Leserinnen und Leser, lachen wir doch einfach gemeinsam über unseren inneren Schulmeister, der uns drohen will mit: »Warum kennst du dieses Wort nicht? Warum weißt du nicht, dass …?« Ist doch alles Unsinn. Im Grunde ist es eine schöne und gute Erfahrung, etwas (noch) nicht zu verstehen und von einer Autorin oder einem Autor noch nichts gehört zu haben, weil es vor Augen führt, wie reichhaltig diese Welt ist. Deswegen schwere Worte, schwere Sätze: egal. Das skug-Team führt bei seinen LeserInnen keine Textverständnis-Prüfungen durch und mit der Zeit finden alle ihren Weg durch das Dickicht der Geistesgeschichte. Der Lohn ist beachtlich, denn mit einem Verständnis der Entwicklung zeigt sich zugleich: Alles ist veränderbar. In diesem Sinne. Auf in die Marx-Wochen!

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