Mitsotakis-Regierung zerstört alle Lebensgrundlagen für Asylbewerber in Griechenland

 In FEATURED, GRIECHENLAND, Holdger Platta, Über diese Seite

221. Bericht zu unserer Spendenaktion „Helfen wir den Menschen in Griechenland!“ Zugegeben: es ist nicht das erste Mal, dass ich meine Hilfsberichte auch mit Zorn geschrieben habe. Doch selten war mein Zorn größer als jetzt: die Mitsotakis-Regierung geht dazu über, mehr als elftausend anerkannte Asylbewerber einfach auf die Straße zu setzen. Und wieder einmal schweigt sich das gesamte Europa aus. Wer hier weniger einen Bericht zu lesen glaubt, sondern eher einen Aufschrei hört, hat Recht! Was können wir tun, heißt ab dieser Woche wohl auch: was können wir mehr tun? Holdger Platta

Liebe HdS-Leserinnen und liebe HdS-Leser,

nein, mein heutiger Bericht zu unserer Hilfsaktion für notleidende Menschen in Griechenland wird kein gewöhnlicher sein und einmal ganz anders ausfallen als sonst! Ausnahmsweise werde ich einmal über die Flüchtlinge in diesem Land sprechen, vor allem jedenfalls, und das hat seinen Grund darin, dass über besonders brutale und inhumane Aktionen der jetzigen Regierung in diesem sonnigen Staat zu berichten sein wird. An diesen entsetzlichen Aktionen, finde ich, können auch wir nicht vorbeisehen. Ich hoffe, Ihr billigt das.

Vorweg aber erst einmal – Ihr wisst: wie üblich an dieser Stelle – die neuesten Spendenzahlen:

Es liegt eine eher ruhige Woche hinter uns. Das hohe Ergebnis der sieben Tage davor erreichten wir dieses Mal nicht (= 688,06 Euro, überwiesen von 7 HelferInnen an uns), aber immerhin doch 270,- Euro, die uns von 3 SpenderInnen zugesandt worden sind. Vielen Dank für diesen Unterstützungsbetrag!

Zwar hat die durch die Corona-Geschehnisse ausgelöste Wirtschaftskrise das Land auch weiterhin fest im Griff – und “natürlich” schlägt der ökonomische Niedergang vor allem bei den Menschen ganz unten zu. Konkret: Waren im Februar dieses Jahres “nur” noch 16,9 Prozent aller arbeitswilligen Menschen arbeitslos – immer noch ein dramatisch hoher Anteil angesichts der durchschnittlichen Arbeitslosenquote in den EU-Ländern insgesamt in der Höhe von 6,5 Prozent –, so ist die Anzahl der Erwerbslosen in Griechenland inzwischen wieder angestiegen auf 22 Prozent (dass nur knapp über 10 Prozent von ihnen eine – unzureichende – Arbeitslosenunterstützung erhalten, darüber schrieb ich in meinem letzten Bericht schon). Heißt: 211.500 Beschäftigte verloren im April dieses Jahres ihren Job, und der griechische Industrieverband SEV kündigte an, dass bis Juli wohl weitere 580.000 Menschen ihre Arbeit verlieren werden, vorübergehend oder auch dauerhaft. Die griechische Wirtschaftskammer OEE befürchtet sogar, dass in diesem Jahr 1,7 Millionen Beschäftigte Opfer der Corona-Krise zu werden drohen, entweder durch Entlassung oder Kurzarbeit. Das beträfe fast 50 Prozent aller Arbeitskräfte in Griechenland. Und der Staat ist lediglich bereit, mit finanziellen Mitteln einzugreifen, wenn das Einkommen der arbeitenden Menschen unter den monatlichen Mindestlohn von 555,- Euro netto rutscht. Wie da noch eine Familie ernähren?

Andererseits will eben dieselbe Regierung die Arbeitgeberseite weiter entlasten, was deren Beiträge zur Sozialversicherung betrifft. Die Schere zwischen Armen und Reichen wird sich also noch weiter öffnen in Griechenland (Tatsachen, die uns auch aus Deutschland durchaus nicht unbekannt sind). Aber von besonderer Brutalität ist, was nunmehr die Mitsotakis-Regierung mit Tausenden von Flüchtlingen vorhat beziehungsweise schon zu praktizieren beginnt. Im Detail:

Am Freitag der vorletzten Woche – am 29. Mai – bekräftigte der griechische Migrationsminister Notis Mitarakis den Beschluss – trotz eines Gespräches vorher unter anderem mit dem Flüchtlingswerk der UN –, ab dem 1. Juni 11.237 Flüchtlinge rauszuwerfen aus den Aufnahmelagern und aus den Hotels, in denen die Migranten zum Teil untergekommen waren. Damit kein Missverständnis entsteht: es handelt sich um anerkannte Asylbewerber!

Der griechische Flüchtlingsrat, die Vereinigung für Menschenrechte in Griechenland und Terres des Hommes bezweifeln – wahrlich, zu Recht –, dass diese Menschen auch nur annähernd eine Chance hätten, anderswo eine Unterkunft zu bekommen oder – wie die Mitsotakis-Regierung fantasiert – Arbeitsplätze sogar. Aber der Migrationsminister faselt tatsächlich von diesen Chancen für die obdachlos gewordenen Flüchtlinge in Griechenland. Er sei ja sogar bereit, so Mitarakis, den Wohnungssuchenden „Beihilfen“ zu zahlen für Mietkautionen und Hausrat. Man halte sich das vor Augen: Ein Minister meint, dass weit über elftausend Menschen – die Bevölkerung einer Kleinstadt sozusagen – keine Mühe haben würden, ganz auf die Schnelle in Griechenland Wohnraum für sich finden zu können. Ist der Herr Minister nun selber bekloppt, oder hält er schlicht die Bevölkerung für bekloppt?

Kein Wunder jedenfalls, dass nahezu alle anderen Parteien und alle Menschenrechtsorganisationen in und außerhalb Griechenlands bezweifeln, dass die Asylbewerber auf diese Weise eine Wohnung oder einen Job bekommen könnten. Dass oftmals traumatisierte oder in anderer Hinsicht beeinträchtigte Menschen, Flüchtlinge, die nicht mal die Landessprache können, dazu imstande sein könnten, das halten die genannten Organisationen für ausgeschlossen. Integration – so der griechische Flüchtlingsrat, so die Vereinigung für Menschenrechte in Griechenland, so Terres des Hommes – müsse am ersten Tag nach der Ankunft im „Hotspot“ beginnen, und keinesfalls könne man die Geflüchteten so einfach auf die Straße setzen.

Ich gebe zu, es war diese Nachricht, die mich während der letzten Woche am meisten empört und entsetzt hat. Und diese Politik wird ja Auswirkungen haben auf den inneren Frieden in Griechenland selbst. Was wird diesen Menschen anderes übrig bleiben, als auf illegale Weise an Lebensmittel zu kommen? An sonstige Hilfsmittel, die zur Aufrechterhaltung eines wenigstens in Restformen noch menschenwürdigen Weiterexistierens unerlässlich sind (Hygieneartikel, Kleidung und anderes)? Was da an Konflikten vorprogrammiert wird, was da an den Flüchtlingen vorexerziert wird, kennen aufmerksame Leser dieser Berichte schon aus früheren Mitteilungen von mir: Mit diesen Rauswurf-Maßnahmen jetzt wird lediglich fortgesetzt – wenn auch ungleich verrohter als jemals zuvor –, was seit mehr als einem halben Jahr in den Flüchtlingsunterkünften in Exarchia und anderen “alternativen” Wohngebieten Athens durchexerziert worden ist. Mit Aktionen dieser Art verabschiedet sich die Mitsotakis-Regierung endgültig von jeglicher Menschenrechtsorientierung, für die angeblich dieses Europa immer noch steht. Es ist die Fortsetzung der asozialen Politik gegenüber der “eigenen” Armutsbevölkerung mit noch entmenschteren Mitteln, nunmehr aufs brutalste gerichtet auch gegen die Asylbewerber im eigenen Land.

Es ist schändlich, was derzeit in Griechenland passiert. Und kaum weniger schändlich ist, dass auch dazu wieder die europäische Öffentlichkeit schweigt – und ebenso die europäische Politik! Um es deutlichst zu sagen: Schweigen ist Beteiligung am Unrecht!

Wir jedenfalls stehen auf der Seite der im Stich gelassenen Menschen in diesem Land – egal, ob es Griechen sind oder nicht! Und wir, jedenfalls wir, legen Protest ein gegen die Unmenschlichkeit dieser Politik!

Stärker als jemals zuvor bitte ich Euch deshalb auch um Weiterverbreitung dieses Berichtes, stärker als jemals zuvor auch um Unterstützung unserer Aktionen!

Wir werden zu überlegen haben, ob wir unsere Hilfsaktionen nicht werden ausweiten müssen – auf Menschen, die ohne griechischen Pass in Griechenland leben. Ich bitte um Eure Stellungnahmen dazu!

Und mit besonderer Inständigkeit mithin rufe ich Euch heute dazu auf: spendet bitte weiter für unsere Hilfsaktion „Helfen wir den Menschen in Griechenland!“. Was konkret bedeutet:

Wer uns Gelder für unsere Hilfe für Menschen in Griechenland zukommen lassen will, der überweise uns diese bitte unter dem Stichwort „GriechInnenhilfe“  auf das Konto:

Inhaber: IHW

IBAN: DE16 2605 0001 0056 0154 49

BIC: NOLADE21GOE

Wer eine Spendenbescheinigung benötigt – ab 201,- Euro erforderlich –, wende sich bitte an unseren Kassenwart Henry Royeck, entweder unter der Postanschrift Sültebecksbreite 14, 37075 Göttingen, oder unter der Mailadresse henryroyeck@web.de.

Mit herzlichen Grüßen und allen meinen guten Wünschen

Euer Holdger Platta

 

 

 

 

Anzeigen von 7 Kommentaren
  • Peter Boettel
    Antworten
    Ich habe vollstes Verständnis für diesen Zorn.

    Mit Zorn erfüllt auch mich das Verhalten der europäischen Regierungen zu dieser Politik des Mitsotakis-Regimes. Aber scheinbar freuen sich die anderen, dass sie so “ihre Ruhe haben” und sich auf die Anbiederung gegenüber Erdogan, Netanyahu oder auch Trump konzentrieren können.

    Ebenso unverständlich ist es, wie passiv sich die “Qualitätsmedien” hier verhalten, während sie in anderen Fällen ihre Missbilligung ausdrücken.

    Deshalb ist der Spendenaufruf in jedem Fall zu unterstützen!

  • Holdger Platta
    Antworten
    Danke, lieber Peter Boettel!

    Holdger Platta

  • Rocco
    Antworten
    Lieber Holdger,

    was sollen die bösen Europäer machen, ernste Frage?!

     

  • Holdger Platta
    Antworten
    Lieber Rocco,

    wenn Du unsere Berichterstattung – seit dem Juli 2015! – verfolgt hast, weißt Du, daß die EU immer wieder direkt ins Staatshandeln der griechischen Regierung eingegriffen und vor allem die sogenannte “Austeritätspolitik” durchgesetzt hat, konkret: immer mehr Belastungen für die Armen in Griechenland, immer mehr Entlastungen für die Reichen.

    Ich habe mit vielen anderen diese Eingriffe niemals gebilligt. Aber jetzt wäre es an der Zeit, durch gezielte Finanzhilfen dem geschundenen Land dabei zu helfen, die zusätzlichen Probleme lösen zu können, die dadurch entstanden sind, daß Griechenland völlig allein gelassen worden sind – von Europa -, den Flüchtlingen im eigenen Land ein menschenwürdiges Leben zu ermöglichen.

    Dieses Europa, das urplötzlich Riesenbeträge zur Verfügung hat, um unter anderem Autokonzerne (vor allem deren Aktieninhabern) durch die Corona-Krise zu bringen,  könnte das. Aber ebenso urplötzlich schweigt dieses Europa, schweigt zu Menschenrechtsverletzungen ohne Zahl, und hat für die – zumindest partielle – Wiederherstellung der Menschenrechte in Griechenland keinen Cent übrig.

    Dieses Europa, dessen Reichen immerr reicher werden und die Armen immer ärmer, hätte also nunmehr in Griechenland positiv einzugreifen, und – noch einmal – dieses Europa könnte das auch.

    Wäre das nicht auch Politik in Deinem Sinne?

    Mit herzlichen Grüßen

    Holdger

    • Volker
      Antworten
      Lieber Holdger, wäre Politik der Menschlichkeit. Aber Europa rückt davon immer mehr ab, rüstet auf, um Grenzen abzuriegeln, finanziert Elend und Tod flüchtender Menschen weiterhin, europäische Unmenschlichkeitspolitik, aus der Faschismus herauswächst, geduldet sowie gefördert.
      Was mich wütend macht, ist die Tatsache, dass vor meiner Haustür, vor der Tür Europas, Menschen in Lager dahinvegetieren, durch europäische Politik erst realisiert, und dass diese Politik abertausende Flüchtlinge ertrinken- und weiterhin qualvoll enden lässt.
      Europa ist nicht einmal in der Lage dazu, oder nicht willens!, Konzentationslager zu verhindern, nein, es finanziert sie sogar, wie es weitere Kriege mitfinanziert sowie ermöglicht, mit faschistischen Regierungen Handelsverträge unterschreibt, die die eigene Bevölkerung terrorisiert, unter Waffengewalt und Mord.

      Einen Philipp Amthor, gebürtiger Jungpolitiker mit Zukunftsambitionen, Gewinner des zu vertretenden, zu verteidigenden Systems, ihn wird es wohl nicht interessieren, sowie es keinen interessieren wird, der am Elend der Menschen gut und günstig profitiert. Nur ein Beispiel von vielen, ein kurzer Aufreger in der Presse, und danach, wenn die Phillips an Macht sich gewöhnen, handeln sie Menschenleben wie Exportwaren – behandeln Waren fürsorglicher als Menschenleben.

    • rocco
      Antworten
      Lieber Holdger,

       

      danke für die Ausführungen und die lieben Grüße!

      In meinem Sinne wären europäische Solidarität  und eine realistische Flüchtlingspolitik

      lG

      rocco

  • Die A N N A loge
    Antworten

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