Monika Herz: Lieder der Krieger*innen
Das erste dieser beiden Gedichte handelt davon, wie sich Ausgrenzung anfühlt – privat, und dann auch darüber hinausgehend… Das zweite beschreibt das Schicksal eines heimkehrenden Soldaten. Beide laden dazu ein, sich einzufühlen und an die von der Autorin erzählten oder vielmehr nur angedeuteten Geschichten eigene anzuknüpfen. Monika Herz
Das Lied der Krieger*innen (1)
So haben wir uns gefühlt
Genau so
Die ganze Nacht lang
Ohne zu schlafen
Damals, als wir Kinder waren
Als wir uns nicht auskannten in der Welt
Und sehr abhängig waren
Von der Güte vor allem der Mütter
Aber auch unserer Väter
… wie lang so eine Nacht sein kann
Die Schwester, der Bruder
Zusammen, um zu feiern
Ohne uns dieses Mal
Denn wir gehören da nicht dazu.
Wir sind „die Anderen“.
Mit uns kann man nicht gut lachen beim Weißwurst-Frühstück
Wir sind die Spielverderber,
Die Bösen,
Die Schuldigen.
Und wir sind nur Wenige.
Aber vielleicht sind wir gar nicht so Wenige.
Dieser Druck auf unsere Herzen
Was ist das, was tut da so weh
Nichts spüren wollen, nichts mehr spüren müssen
Nicht schlafen können, warten
Auf einen neuen Morgen
In der Kälte der Welt.
14.01.2022
Das Lied der Krieger*innen (2)
Wirst du mich noch lieben
Wenn ich am Leben bleibe
In diesem Krieg
Um dann zu Dir zurückzukehren
Wirst du mich noch lieben
Wenn ich verletzt zu Dir zurückkehre
Wirst du mich noch lieben
Wenn ich meine Schönheit verlor
Im Kampf
In diesem Krieg
Wirst du mich noch lieben
Wenn ich geschlagen
Wenn ich gedemütigt
Wenn ich der Gefangenschaft entflohen
Schwer versehrt
Zu Dir zurückkehre
Aus diesem Krieg
Der verloren ist
Oder doch nicht
Wirst du mich noch lieben
Wenn ich alles verloren habe
Nur das Leben nicht, das kostbare
Um das ich gekämpft habe
In diesem Krieg
Der verloren ist – oder doch nicht
Werde ich Dich noch lieben
Wenn Du die Türe zuschlägst
Wenn ich zurückkehre – aus diesem Krieg
15.01.2022