Natur ist kein harmloser Begriff
Was hört sich harmloser an als das Wörtchen „Natur“? Das ist doch das, worin wir spazieren gehen, wonach wir uns sehnen, nachdem wir acht Stunden in den Bildschirm gestarrt oder unsere Lebenszeit anderweitig verkauft haben. Natur ist aber auch das, wo Kinder wieder zu sich kommen und Liebespaare eine eigenartige Innigkeit empfinden, die sie in den eigenen vier Wänden nicht so richtig anfliegt. Um „Natur“ soll es hier also gehen. Bei anderen Begriffen ahnen wir sofort, dass eine nähere Beschäftigung mit ihnen heikel wird: „Mann“ zum Beispiel oder, noch gefährlicher, „Frau“. Noch ehe man sich gedanklich diesen Begriffen genähert hat, bricht schon die Gender-Debatte los. Also nichts wie weg und raus in die Natur. Bobby Langer
Raus in die Natur – geht das?
Aha. Da haben wir – leider – gleich das Problem: „raus in die Natur“. Automatisch schwingt hier der Gedanke mit, wir selbst seien keine Natur; die sei eben „um uns“. Manche LeserInnen wird es bei dieser Vorstellung frösteln, die meisten aber noch nicht. An letztere wende ich mich eher denn an erstere.
Was bedeutet es, wenn ich mich nicht als Natur empfinde? Zur Verdeutlichung wähle ich ein anderes Beispiel: Wenn ich mich als Mann empfinde, dann bin ich keine Frau. Und wenn ich mich als Dackel empfinde, dann steht der Einweisung in die Psychiatrie nur mehr wenig im Weg. Also: Wenn ich mich nicht als Natur empfinde, dann bin ich auch keine. Aber was, bitteschön, bin ich dann? Die Antwort liegt nahe: Ich bin ein „Mensch“. Du, liebe Leserin, bist, wie ich, ein Mensch. Beide sind wir weder Lastkraftwagen noch Wellensittich. Wir sind Menschen. Aber keine Natur. Nach der sehnen wir uns, in der machen wir Picknick oder Liebe oder stellen unser Auto auf den Wanderparkplatz.
Bäume sind nicht von unserem Blut
Vielleicht findest du meine Fragestellung ein bisschen an den Haaren herbeigezogen. Du könntest entgegnen, Ausdrücke wie „raus in die Natur“ sage man eben so, sie seien aber nicht so gemeint. Nur stimmt das leider nicht. Richtig ist, dass wir solche Ausdrücke meist gedankenlos hersagen, sie „rutschen uns quasi raus“. Schon bewusster, vielleicht sogar stolz, sagen wir, dass wir die Natur schützen wollen oder müssen. Auch in diesem Fall ist die Natur „draußen“, jenseits von uns. Und wir wollen sie keineswegs in einem Gefühl existenzieller Notwendigkeit schützen, wie wir uns selbst vor Angriffen schützen würden, sondern wir möchten sie bewahren. Im einfachsten Falle tut uns ein Baum leid, der gefällt, oder eine Hecke, die abgeholzt werden soll.
Als Regenwaldschützerinnen engagieren wir uns, weil wir verstanden haben, dass Regenwälder eine wichtige Funktion im Klimageschehen spielen. In beiden Fällen fühlen wir uns in der Regel in unseren Wurzeln nicht bedroht. Unsere Kinder würden wir mit weitaus größerer Vehemenz verteidigen als Bäume. Schließlich sind sie Blut von unserem Blut (was auch immer das bedeuten mag – aber das wäre ein anderes Thema), die Bäume sind nicht von unserem Blut, auch nicht die Versuchstiere oder die Hühner in ihren Käfigen. Wir können mit unvermindertem Vergnügen eine Bratwurst essen und gleichzeitig an das Schwein denken, das dafür sein Leben lassen musste. Und warum fällt uns das so leicht? Weil wir uns dem Schwein nicht nahe fühlen. Es gehört zu der Natur „da draußen“.
Ausbeutung – unser gutes Recht?
Aber war das nicht schon immer so? Nein, war es nicht. Ethnologen berichten von indigenen Völkern, die ihre Schuld, die sie bei Jagdzügen durch vielfaches Töten auf sich nahmen, durch Rituale neutralisieren wollten. Aber darum soll es hier gar nicht gehen. Sondern um die Tatsache, dass „Natur“ für uns „draußen“ sein muss, damit wir sie als Ressource betrachten können. So wie ein Berg vielleicht Silber enthält und es darauf ankommt, die Schürfrechte zu bekommen, damit man die Ressource Silber gewinnen kann, so sind uns Wälder Holzressourcen, die Äcker Weizen- oder Kartoffelressourcen, die Flüsse und Meere Fischressourcen und Haustiere Fleischressourcen. Die Natur kann und darf ausgebeutet werden. Dazu ist sie da, finden wir (meist). Die Ausbeutung, der Massenmord an Leben braucht uns nicht zu tangieren, wir gehören ja nicht dazu. Und selbst als Erholungsraum ist uns die Natur noch eine Ressource.
Doch indem wir uns nicht als Teil der Natur betrachten, die Natur nach außen verlagern, stellen wir ein uraltes, natürliches Machtverhältnis auf den Kopf. Solange wir nämlich Teil der Natur waren, waren wir ihr preisgegeben. Wir mussten uns nach ihren Rhythmen richten, mussten uns ihrem Willen und ihren Launen fügen. Sie war die Macht, die wir mit Gebeten und Ritualen gnädig zu stimmen versuchten – bis wir lernten, sie uns gefügig zu machen. Wir lenkten Flüsse um, verschoben Berge und verwandelten Büffel in Ochsen. All dies in der Meinung, wir seien kein Teil der Natur und seien deshalb dem Unheil, das wir in ihr anrichten, nicht ausgesetzt. Nein, Natur ist kein harmloser Begriff. Egal, ob wir ihn auf ausbeuterische oder romantische Art verwenden, nur selten entkommen wir dem essentiellen Irrtum, wir könnten über „die Natur“ nach Gutdünken verfügen, sie beherrschen; ein Irrtum, der uns in absehbarer Zeit vermutlich Jahrtausende kultureller Entwicklung kosten wird. Denn, so alt und banal der Vergleich ist, er stimmt: Wir sägen an dem Ast, auf dem wir sitzen. Der Bumerang der Entfremdung, den wir geworfen haben, kehrt mit Macht zurück.
We take resources from the commons (the earth, water, soil, air, life, plant and animal people), we build things with and from them and then sell them, making money with the money we make from selling what is not ours in the first place, destroy our and other lifeforms’ habitats while doing so in a ruleset of a deeply flawed capitalist system that directs the flow of privilege and status and individual property always to the ones that have more than enough, literally destroying life on the planet trans-forming it into virtual non-matter “money” on virtual non-matter “bank accounts”. Kaa Faensen (fraendi.org/2020/07/05/a-capacity-for-desirable-futures)
„Den Platz, wo die Wiese war, haben sie asphaltiert. Heute früh haben sie den Baum vorm Haus gefällt.
Wie dächten wir über Eltern, die über die Geschehnisse mit ihren Kindern in einer Weise sprechen würden wie die zwei ersten Sätze?
Vermutlich kämen vielen oder sogar den meisten Menschen diejenigen Eltern vernünftig(er) vor, die mit ihren Kindern über die „Dinge“ sachlich (!) sprechen würden.
Ich muss an den Titel eines jüdischen Märchens denken: „Leben und Tod sind auf der Zunge“. Was würde wohl in den Kindern gesät und freigesetzt, wenn wir unseren Familienbegriff wie angedeutet weiteten? Ich vermute, dass in jener Weise zu sprechen bei Kindern starke Resonanz fände. Vielleicht könnte es auch einen Weg erschließen, das eigene „Verhältnis zur Natur“ zu heilen.
Fliegende Innigkeit in natürlicher Umgebung >>> Stadtwald Frankfurt/Offenbach, oder auf verdorrten Restwiesen am Rande lebloser Betonzwinger, unter Einflugschneise Flughafen. Jo, da wird Liebespaar kräftig durchschüttelt, Sinne beflügelt und Duftstoffe freigesetzt. Kerosin und Lärm, als Voraussetzung umschlungener Sehnsüchte nach Deckel für Topf, Eierkuchen, Kind und Kegel.
Ein Bussi darauf. ++ glucks ++
Was sonst. Aber, momentmal, is net korrekt gegendert. Bin – trotz weiblichen Anteilen – ein männlicher Vertreter des sieben Tage-Wunders, also ein Leser und keine *in. Korrekt wäre Leser*in, aber nicht Leserin ohne *er.
Bei Lastwagen und Wellensittiche wird’s komplizierter, hier fehlt die logische Verbindung zwischen LKW und Vogel, es sei, man gendert beide auf Teufel komm raus zusammen, obwohl im sieben Tage-Plan nicht vorgesehen.
Was daraus entstehen könnte, möchte ich nicht weiter vertiefen, aber wahrscheinlich wäre, dröhnende Motoren und Vogelgezwitscher als Gesamtpaket in Grün zu vermarkten. Dafür allerdings ++ glucks ++ stürben Liebeswälder sowie Liebesgedichte für teslanische Belange. Was soll’s, ein KI-Baby erblickt die Welt bei Amazon, mit Prim sogar portofrei.
Kein Mensch benötigt ein Bett im Kornfeld –
Sommerabend über blühendem Land
Schon seit Mittag stand ich am Straßenrand
Bei jedem Wagen, der vorüber fuhr, hob ich den Daumen
Auf einem Fahrrad kam da ein Mädchen her.
Sorry Jürgen, die Zeiten sind vorbei, im Lande blüht fast nix mehr, für jeden Wagen, der mich nicht überfährt, hebe ich den Daumen. Bin schon froh darüber, mich am Straßenrand an einen Baum klammern zu dürfen – Baum und ich ein Liebespaar, klar, beide sind bedroht. Bedarfsgemeint vereint.
🙂
Selbstschändungspsalm, ab dem 31.März.2020
Sachbezwungen
wohlbestallt
überheblichst
heuchlerische Schießbudenfiguren
der veröffentlichten Öffentlichkeit
befehlen ihren vorauseilendst im Staub kriechenden Untertanen
total alternativlose Gehorsamkeit gegenüber der Willkür ihrer HintermännerInnen:
Nutzprächtigst besagte Schindpestilenz,
gemeiner Tod
sowie betuliches Geschwätz
im gnadenlosen Übermaß vorauseilend gehorsamster Schriftgelehrtenchöre
durchschmerzen erbärmliches Dasein
im Schändgezeit des allzu Menschlichen –
Grausam wie niedertrachtbescholten
erweiset sich zumeist der Mensch
in dessen frommer Güte schändlich.
Angst, Hass, Empörung
bis zur völligen Erschöpfung –
Zerpflichtet sule sich der gute Mensch in Bringschuld bied´rer Süchte nichtig.
Unzählige Kohorten gemeingeniederter Pflichtschuldknechte
erflehen härteste Widerliebe besachzwungener Peinigerheere,
zerfrönen dankbarst im Abdienst totalen Ausbrauchs,
nährend die Edlen sowie deren lüstern obwirkend Geschränz
verhaftet im eitlen Beidienst begehrlichen Grauens.
Nun, tut harschest Schindbuße
zur gütigsten Läuterung
schändschindgnädigster Gospoderie!
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Schindpsalm I
Zerbraucht Euch
rücksichtslos
zum Fruchtgenuß
Eurer Dienstherren
Ihr habt die Wahl:
Versenkt
Eure ausgespieenen Stimmen
in stumme Urnen
ohnmächtigster
Finsternis
bebend
lüsternster Dankbarkeit
Euch ewig
zu zerschulden
Zerwüstet Euer Hirn
hinab in die totale Einheit
inbrünstigsten
Gehorsams
Eurer Karzer
selbst gewählter Pflichtgier.
Verrottet gütigst
auf Euren Kreuzwegen
dankbarster Hingabe –
Hallelujah
Angst sei Euch Erfüllung
aller Sehnsucht
Verzicht sei Euch Verzückung
Vergessen sei Euch Gnade
Und –
liebet Eure Schmerzen,
vor allem,
Eure Peiniger –
Zerschindet dankbarst
Euren Nächsten
als Euch selbst
Ihr Herrscher des Volkes
so Ihr Euch nennt:
Das herrschende Volk
Schindpsalm II
Giert der Armut
Frönt der Reichheit
Zerbetet Euer Hirn
zum Friedhofsfrieden.
Liebt Eure Peiniger
mit kindlicher Hingabe
inniglichst
und redet darüber –
hart des Stolzes
schindrünstigster Dankbarkeit
hinab
in völlige Selbstzerschmerzung.
Dient
vorauseilendst
rücksichtslos
Euren Nießbrauchenden
dumpf in alle Düsterkeit
bis
zur prächtigen Verzückung
im Augenblick Eures Todes.
Danach
lebt gefälligst ewig.
Vorher aber
wagt es nicht
zu vergessen,
Euren
gütigst besachzwungenen Peinigern
pflichtgetreu zu verzeihen,
denn
sie erfüllten und erfüllen
immer
ihre gute fromme Pflicht:
Die Edlen zu bedingen
mittels Ausbrauch der Geringen.
Schindpsalm III
Die Geschichte wiederholt sich ständig.
Betulich ruht die Lüge im Schein des Nachtlichts.
Der Morgen lädt zur Arbeit ein –
Sie macht frei
von der Freiheit
freiwilligst
verrecken zu dürfen.
Längst schon
sind unüberhört
die schwarzen Stiefel
in die Gehörgänge eingetreten –
In diesen spiegeln sich
die gesichtslosen Mäuler der Präfektur,
sowie die haßerfüllte Ohnmacht ihrer Obniedrigten.
Die Mod´ ändert sich gütig und scheinbar –
Auch letztere lacht mit lüsterner Absicht
in den zerabschätzenden Siegestaumel
besachzwungener Beitragsschlächter
hinein in den Alltag
ihrer Beschundenen und Selbstzerschinder.
Die Kombattanten erwarten den ersten Stein –
Alle erwarten die Ruhe
nach der Schlacht
als wär´s totaler Frieden.
© Peter Ruzsicska
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Der Mensch als Teil seines Herrschaftsgebiets in zahlreichen Stresskommunen (P. Sloterdijk)
schändet sich in dessen autoanthropozidaler Endphase gütigst im Schindstress seines Gewaltmanagements bestehend aus unterschiedlichen Angst- und Hasserweckungstechniken.
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Hier noch eine Gedichtspende:
Freudenruf im Jubelhimmel
Wir weilen kurz
und müssen weichen.
Auch spät gewinnt die Stimme ihren Glanz.
Doch heute ist die Luft so klar,
daß langsam, jetzt und wirklich,
ein lichter Schein sich tanzend breitet,
gewirkt von Sonnenfäden
aus Südwest.
Da wird der Gänger mild umspielt,
der gut in Schuldlust Staub beschreitet.
So dienlich seiner Sehnsucht pflichtig.
So gütig, sanft
im Wohldunst lüst´ner Wonnen
von Eigennutz behütet.
Während sich Blatt und Licht durchwirken…
Dergestalthaft satt gerüstet
sucht selbig dieser,
listbeflissen,
harscher Eigenpeinbewußtheit,
leichten Fußes gänzlich zu entweichen:
Die Schmerzknechtschaft, in ihrem inniglichen Wühlen,
die zeitlos und getrieben
das Bild im Hirn mit Sinnessalven hinterlistig reich verwebt:
Sie ist sein Schatten den er flieht!
Indsess´ manch Krähe Luft zerschneidet…
Es bildet Wasserdampf, gewitzt mit Luft verbrämt
so manche Wolke,
auch scheint die Seele im Gehirn verortet.
Und Himmel überspannt
die Tiere, Menschen und Maschine,
desgleichen deren Eltern und Bedinger:
Die Strauch- und Baumschaft,
dicht, in ihrem mannigfaltigen Geranke
zerstäubt das Licht und bildet Kreise
– so es der Mond als Gleichnis im Gewölk erzeiget –
auch in des Betrachters Kopfe,
daß jener wähnt:
Das ist die Wirklichkeit!
Nun wandelt Pein allmählich sich in Staunen;
vertraulich wiegt sich Unterleib mit Herz ins Gleichgewicht.
Und drängend bricht ein Strahl der Freude
bar jeder Absicht über Bauch und Brust durchs Schädeldach
empor in frische Lüfte:
So heftig strebt die Freudenkraft,
daß alles taugt sie zu begründen!
Der Mensch hält ein
in seinem redlich meisterlichen Töten,
senkt seine blutgetränkten Arme erdwärts.
Verliebt, soselbst im Staunen leer, blickt er empor,
um diesen Atemzug des Wunderhimmels zu erheischen,
den ew´gen Augenblick des Glücksgefühls
fraglos rüder Jubelfreuden,
sie mit rücksichtsloser Kindesunschuld zu empfangen:
Immer schon war er dazu bereit!
Im Freudenrot geht alles auf und wieder unter
und selbst der Tod erstrahlt in seinem zwingenden Gewand…
Mit Untertänigkeit:
Rusitschker
© Peter Ruzsicska
da kann ich nicht mithalten – oder doch…
Ein Regenwurm
fliegt mit dem Schirm
zum Schnabel
einer Meise.
Vedaulich gut,
man ahnt ihn schon,
den Reim
bezüglich Meise.
🙂