Neuwahlen in Griechenland: sind Besserungen in Sicht?

 In FEATURED, GRIECHENLAND, Holdger Platta, Über diese Seite

Der zehnte neue Spendenbericht zu „Patenschaft für Panagiota.“ Vielleicht den meisten von Euch noch nicht bekannt: es stehen Neuwahlen in Griechenland an. Eine Chance für positive Veränderungen dort? Dieser Frage gehe ich vor allem in meinen neuesten Mitteilungen nach. Verbunden natürlich – wie immer – mit den Informationen zum aktuellen Spendenstand für unsere Hilfsaktion. Holdger Platta

 

Liebe HdS-Leserinnen und liebe HdS-Leser,

keine Ahnung, ob sich das schon bis zu Euch herumgesprochen hat: in Griechenland stehen in diesem Frühjahr Neuwahlen an. Der genaue Termin wurde von der Regierung der ultrakonservativen „Nea Dimokratia“ (ND) noch nicht bekannt gegeben. Aber schon im April könnten diese Neuwahlen über die Bühne gehen. Und welches Schauspiel werden sie uns bieten? Wie sehen also die Chancen für positive Veränderungen in Griechenland aus? Wird es endlich eine neue Politik in diesem kaputtsanierten Land geben, eine – zumindest das! – sozialere und freiheitlichere Politik?

Um es vorwegzunehmen: es sieht nach wie vor nicht gut aus für die Oppositionsparteien in Griechenland, an der Spitze für die SYRIZA. Der griechische Wissenschaftler Gregor Kritidis, Historiker und Soziologe und Sozialpsychologe und Politologe, der unter anderem in Hannover studiert hat und seit einiger Zeit Geschäftsführer bei der Rosa-Luxemburg-Stiftung in Sachsen-Anhalt ist, schätzt die Chancen der Partei von Alexis Tsipras so ein:

„Eine Alternative im Sinne einer politischen Kraft, welche die (…) Konflikte produktiv bearbeiten könnte, stellt SYRIZA nicht dar, dazu fehlen der Partei die Mittel, aber anscheinend auch der Wille, ihre Schwächen zu überwinden.“

Keineswegs besser fällt aber auch sein Urteil über die anderen Parteien aus, die vielleicht als Bewegkräfte für ein besseres Griechenland genannt werden könnten, über die Kommunistische Partei, die KKE, über die MeRA-25, die vor einigen Jahren von Yannis Varoufakis gegründet worden ist, sowie über die relativ neue politische Bewegung der Anarchisten in Griechenland, über die Antarsia (auf Deutsch: Meuterei). Kritidis wörtlich, in einem Interview mit Andreas Schuchardt vom Gewerkschaftsforum Hannover:

„Die KKE ist mit ihren zahlreichen Vorfeldorganisationen und den in der PAME zusammengeschlossenen Gewerkschaftsverbänden nach wie vor ein gewichtiger Faktor im politischen Leben Griechenlands, aber aufgrund ihrer Wagenburg-Mentalität zu einer vorwärtstreibenden Bündnispolitik nicht in der Lage.

Die Varoufakis-Partei MeRA-25 ist in intellektueller Hinsicht von Gewicht, neben (…) Kleon Grigoriadis wird die Partei durch Sofia Sakorafa, eine ehemalige Speerwerferin und SYRIZA-Abgeordnete, im Parlament vertreten. Über eine relevante soziale Verankerung verfügt die Partei jedoch nicht.

ANTARSIA ist eine Organisation von Aktivistinnen und Aktivisten und spielt innerhalb des linksradikalen und anarchistischen Spektrums sowie bei den Basisgewerkschaften eine wichtige Rolle, verfügt aber nicht über eine relevante Breitenwirkung.“

Unerwähnt in der Kurzanalyse von Gregor Kritidis bleibt freilich die Partei der „Sozialdemokraten“ in Griechenland, der PASOK-KinAI – und damit auch die – rein rechnerisch zumindest – nicht ganz auszuschließende Koalition von SYRIZA und PASOK-KinAI nach der Wahl.

Trotz dieser schlechten Chancen für eine neue, für eine freiheitlichere und sozialere Politik in Griechenland  hat allerding das kapitalismusfromme „Handelsblatt“ in Deutschland bereits zu Jahresanfang weinerlich geunkt – am 3. Januar erschien dieser Artikel –, mit der Befürchtung nämlich, dass eine neue Regierung unter Alexis Tsipras „das Reformwunder des Landes gefährden“ könne. Gemeint ist tatsächlich die Politik des Herrn Kyriakos Mitsotakis, des ND-Regierungschefs, die Politik also des systematischen und brutalen Sozialabbaus und der Verelendung von Millionen von Menschen in Griechenland. Dabei hat Mitsotakis tatsächlich seit einiger Zeit mit einem Problem zu kämpfen, das ihm mehr und mehr zu schaffen macht: mit einer nicht nur landesweiten Affäre, bei der es um illegale Überwachungs- und Spionageaktionen geht. Ich zitiere wiederum aus dem Interview mit Gregor Kritidis, ausführlich sogar:

„Im Frühjahr 2022 wurde bekannt, dass der Wirtschaftsjournalist Thanassis Koukakis mithilfe der Spionagesoftware „Predator“, mit dem sein Mobiltelefon infiziert worden war, ausspioniert worden ist. Im Sommer fand die IT-Sicherheit des EU-Parlaments die Spionagesoftware auf dem Handy des Europaabgeordneten Nikos Androulakis, der gleichzeitig Vorsitzender der oppositionellen PASOK ist. Das ist besonders pikant, weil Androulakis Mitglied im Unterausschuss für Sicherheit und Verteidigung des EU-Parlaments ist und über zahlreiche sensible Kontakte verfügt. Infolge dieser Enthüllungen mussten Panagiotis Kontoleon, der Chef des griechischen Geheindienstes EYP, und Grigoris Dimitriadis, Büroleiter und Neffe von Premierminister Kyriakos Mitsotakis, ihren Hut nehmen. Mitsotakis stritt jegliche Mitwisserschaft vehement ab, obwohl er die EYP bei Amtsantritt seiner persönlichen Kontrolle unterstellt und auch Kontoleon persönlich ausgewählt hatte. Zudem bedrohten Mitglieder der regierenden Partei Journalisten mit hohen Gefängnisstrafen, sollten sie weiter über die Affäre berichten. Diese ließen sich jedoch nicht einschüchtern.

Es folgten weitere Enthüllungen des Magazins Documento, die auf Informationen beruhten, die dessen Herausgeber Kostas Vaxevanis offenbar aus dem Umfeld der Regierungspartei selbst zugespielt wurden. Demnach sind von den Bespitzelungen nicht nur Journalisten, Oppositionspolitiker, Leiter staatlicher Institutionen und Unternehmer betroffen, sondern auch Regierungsbeamte, Kabinettsmitglieder und selbst Außenminister Nikos Dendias. In griechischen Medien wird darauf hingewiesen, dass die Bespitzelten innerparteiliche Konkurrenten von Mitsotakis umfassten. Der zur Aufklärung eingerichtete parlamentarische Untersuchungsausschuss und die ermittelnde Staatsanwaltschaft kommen angesichts des Ausmaßes der Überwachungen mit ihrer Arbeit kaum hinterher.

Bisher hat sich Premier Mitsotakis in Verschwörungstheorien geflüchtet und wahlweise ukrainische, armenische oder russische Geheimdienste als Täter herbeiphantasiert, was ihm die weitgehend regierungsloyalen Medien noch haben durchgehen lassen. In den internationalen Medien wird aber breit über das griechische Watergate berichtet, und die europäischen Partner bringen der griechischen Regierung in diesem Punkt kein Vertrauen mehr entgegen. Mittlerweile bröckelt auch in Griechenland die Front der Unterstützer. So haben die konservativ-liberalen Zeitungen To Vima und Ta Nea die Enthüllungen von Documento bestätigt – beide gehören neben dem Fernsehsender MEGA zur Unternehmensgruppe des Reeders Vangelis Marinakis, bis dato ein Freund der Familie von Premierminister Mitsotakis. Dagegen hält sich der Reeder Giannis Alafouzos – zu seinem Imperium gehören u.a. die Tageszeitung Kathimerini und der Fernseh- und Radiosender Skai – bisher merklich zurück, obwohl auch er auf einer Liste der Ausgespähten steht. Es steht zu vermuten, dass hinter den Kulissen schon nach einer Alternative zur Regierung Mitsotakis gesucht wird.“

An dieser Stelle ergänze ich von meiner Seite aus nur: ich hoffe, auf diese Vorgänge und Geschehnisse auch in nächster Zeit noch ausführlicher eingehen zu können. An dieser Stelle abschließend nur, für heute jedenfalls: nach wie vor scheint es so zu sein, dass selbst solche Abhörskandale wie die oben skizzierten der Mehrheit der Griechinnen und Griechen das Vertrauen in die vormalige SYRIZA-Regierung nicht zurückzugeben vermögen, trotz aller Anstrengungen von Alexis Tsipras in dieser Sache. Bei mir drängt sich der Eindruck auf, dass man in Deutschland, was die Linkspartei betrifft, von ähnlichen Prozessen sprechen könnte – obwohl sämtliche Details der Enttäuschungen bei uns über diese Partei ganz andere sind. Ein weites Feld, das ich hier nicht weiter „beackern“ kann.

Abschließend für heute noch die neuesten Zahlen zum Spendeneingang:

Nun ja, Grund zum Jubeln hat wohl niemand von uns: befanden sich vor einer Woche 2.084,45 Euro auf unserem Konto (Achtung: ich korrigiere hiermit einen Zahlendreher aus meinem letzten Bericht – da hatte ich fälschlicherweise nur 2.048,45 Euro angegeben), so kamen inzwischen 70,- Euro hinzu, überwiesen von fünf Spenderinnen und Spendern an uns. Neuer Kontostand also: 2.154,45 Euro.

Dieser Betrag muss uns keine Sorge machen, jetzt jedenfalls noch nicht, aber ich sehe doch mit einiger Unruhe der nächsten Bedarfsmeldung von Tassos Chatzatoglou entgegen. So wenig es mir liegt, die Dringlichkeit einer Aufbesserung bei unseren Finanzen zu betonen: objektiv gibt es diese Dringlichkeit schon, vor allem, wenn wir das Schicksal von Laura mit bedenken, die jährlich auf eine Hilfe in der Höhe von 5.000,- Euro für ihre Fußprothesen angewiesen ist. Deswegen mit aller Herzlichkeit mein erneuter Appell – verbunden mit Dank an die SpenderInnen aus der letzten Woche:

Wer von Euch uns Gelder für unsere Hilfe für Menschen in Griechenland zukommen lassen will, der überweise uns diese bitte unter dem Stichwort „Panagiota“ auf das Konto:

IBAN: DE16 2605 0001 0056 0154 49
BIC: NOLADE21 GOE
Inhaber: IHW

Wer eine Spendenbescheinigung benötigt – ab 201,- Euro erforderlich –, wende sich bitte an Volker Töbel, entweder unter der Postanschrift Tewaagstraße 12, 44141 Dortmund, oder unter der Mailadresse vtoebel@web.de.

Mit herzlichen Grüßen
Euer Holdger Platta

 

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