Renditedenken oder Menschenrechtspolitik? Zum Versagen von EU und SYRIZA

 In FEATURED, GRIECHENLAND, Holdger Platta, Über diese Seite

In vielen dieser Dörfer herrscht bittere Not.

115. Bericht zu unserer Spendenaktion „Helfen wir den Menschen in Griechenland!“ Die Politik – und die sich an diese anschmiegende Presse – haben jetzt eine neue Parole in punkto Griechenland ausgegeben: Alles ist auf einem guten Weg. Die Griechen haben ihre Hausaufgaben gemacht. Die Wirtschaft wächst, was will man mehr? Man sieht also, dass es sich lohnt, die Ärmel hochzukrempeln und ein bisschen zu sparen. Vielleicht kann Groß-Europa da sogar erwägen, gegenüber dem Bußfertigen Gnade walten zu lassen und einige der Schulden zu erlassen… Mit solchen Nachrichten reden die Medien sich selbst und uns derzeit besoffen – und lassen klammheimlich unter den Tisch fallen, welchen Preis Millionen von Griechen dafür bezahlt haben, dass ihre vermeintlich sozialistische Regierung sich den EU-Machthabern und Banken als Musterknabe angedient hat. Bittere Armut herrscht noch immer in weiten Teilen des Landes. Und SYRIZA hat diese Armut gegen das eigene Volk, zusammen mit seinen Peinigern, organisiert.

Liebe HdS-Leserinnen und liebe HdS-Leser,

tatsächlich, meine Hoffnung aus der letzten Woche hat mich nicht getäuscht! Ihr erinnert Euch sicherlich: gerademal 100,- Euro, zugesandt von einer Spenderin an mich auf dem Postwege, waren am vergangenen Donnerstag bei mir eingetroffen, aber ich setzte auf die Tatsache, dass zahlreiche DauerspenderInnen jeweils zum Monatsbeginn ihre Hilfsgelder an uns zu überweisen pflegen – und so war es denn auch. 1.065,- Euro gingen während der letzten sieben Tage auf unserem Konto ein, 19 UnterstützerInnen sorgten für dieses enorme Spendenplus. Und das war sogar fast ein Rekord, wenn man zurückblickt auf den Spendeneingang jeweils zum Monatsbeginn während des letzten Halbjahres insgesamt. Ich erinnere hier nur an den Betrag aus der ersten Märzwoche. Da hatten 17 SpenderInnen 765,- Euro auf unser Hilfskonto überwiesen, das waren also 300,- Euro weniger als dieses Mal. Sicherlich versteht Ihr unsere Freude darüber, und ein weiteres Mal habe habe ich Anlass, mit eben dieser Freude allen unseren Helfershelfern aus Deutschland, aus Österreich und der Schweiz aufs allerherzlichste zu danken! Merci an alle mithin, Dank für die Tatsache, dass wir weiterhin zahlreichen Menschen (und Hilfsinstitutionen) in Griechenland zu helfen vermögen, Dank für die Kontinuität Eurer Hilfe und dafür, dass Betreuung von Menschen in Not bei unserer Spendenaktion verbunden bleibt mit der Möglichkeit, diesen Menschen auch fortan getreulich zur Seite zu stehen!

Natürlich, gerne hätte ich Euch heute darüber informieren wollen, was sich inzwischen an unserer Hilfs”fron” getan hat. Aber neue Berichte unserer Außenteamer liegen mir noch nicht vor. So setze ich demzufolge meine Bemühungen fort, über die Gesamtsituation in Griechenland weitere Auskünfte zu geben. Fangen wir einmal mit den positiven Nachrichten an:

Wenn man den diversen Presseberichten glauben darf – aus der Griechenland-Zeitung (GZ) zum Beispiel oder dem Informationsdienst „Deutsche Wirtschafts Nachrichten“ (DWN) im Internet –, so scheinen inzwischen gleich mehrere Großorganisationen bereit zu sein, endlich einen Schuldenerlass für Griechenland ernsthaft in Erwägung zu ziehen. Die OECD, die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung, hat zum Beispiel am Montag der vergangenen Woche, am 23. April, einen Schuldenerlass für Griechenland gefordert. Griechenland habe wegen seiner „enormen Reformanstrengungen“ einen Schuldenerlass „verdient“, so OECD-Generalsekretär Angel Gurria vor gut zehn Tagen bei einem Besuch in Athen. Die Reformen der Tsipras-Regierung „trügen (…) Früchte“, dies die Mitteilung des Vertreters der OECD. Und seine Organisation erwarte für Griechenland in diesem Jahr 2018 ein Wirtschaftswachstum von zwei Prozent, im Folgejahr 2019 sogar von 2,3 Prozent.

Des weiteren, so die DWN vom 30. April, habe sich auch die EU-Kommission „eindeutig positioniert“ und fordere ebenfalls einen Schuldenschnitt für Griechenland. Und nicht zuletzt habe der Internationale Währungsfond schon seit langem „Schuldenerleichterungen“ für Griechenland als Bedingung genannt für seine Mithilfe beim Dritten Kredit-Paket für Griechenland (das – Ihr erinnert Euch – in wenigen Monaten ausläuft, Ende August, und statt der ursprünglich zugesagten 86 Milliarden Euro lediglich rund 43 Milliarden Euro betragen wird). Friede, Freude, Eierkuchen mithin? – Nun, keineswegs, aber darauf komme ich erst abschließend zurück!

Kaum weniger positiv klingt, was die Griechenland-Zeitung am Mittwoch letzter Woche mitzuteilen hatte. Griechenland, so die GZ in ihrem Aufmacher auf Seite 1, habe 2017 einen „beachtlichen“ Haushaltsüberschuss erzielen können, nämlich in der Größenordnung von 4,2 Prozent des Bruttoinlandprodukts (BIP). Das entspräche einem Betrag von rund 7 Milliarden Euro. Erwartet habe man ursprünglich nur einen sogenannten „Primärüberschuss“ (ohne die Kosten für den Schuldendienst!) in der Höhe von lediglich 1,75 Prozent. Und EU-Wirtschafts- und Währungskommissar Pierre Moscovici reagierte prompt: er „lobte“ die „Haushaltsdisziplin“ der Griechen und erinnerte daran, dass dieses Land im Jahre 2009 noch mit einer Unterdeckung seines Haushalts in der Höhe von 15 Prozent zu kämpfen hatte. Vor dem Hintergrund dieser Jubelnachrichten hielt demzufolge auch Ministerpräsident Tsipras mit Selbstlob nicht hinter dem Berg. Er verglich die heutige Situation Griechenlands mit der zu Regierungsbeginn der SYRIZA (Anfang 2015) und teilte der Öffentlichkeit mit, dass Griechenland auch in den kommenden Jahren mit jeweils 3,5 Prozent Haushaltsüberschuss rechnen dürfe, was einen „deutlichen“ Spielraum schaffen würde für Steuersenkungen und Erhöhung der Sozialausgaben. Alles in Butter mithin? Jedenfalls in absehbarer Zukunft?

Nun, eines ging bei diesem immensen Frohsinn nahezu unter, die Tatsache nämlich, dass Griechenland insgesamt im Jahre 2017 nur ein Wirtschaftswachstum von 1,4 Prozent erzielen konnte, angekündigt und angepeilt gewesen von ebenderselben Regierung war jedoch fast das Doppelte, nämlich 2,7 Prozent. Und völlig beiseitegelassen bei all diesem Selbstlob und bei all dieser Rundum-Begeisterung wurde das furchtbare Elend, in das diese tolle Regierungs- und Wirtschaftspolitik Millionen von Griechinnen und Griechen gestürzt hat. Ich berichtete derart oft darüber, da ich das an dieser Stelle nicht erneut im Detail darlegen muss. Völlig beiseitegelassen wurde und wird bei diesem Jubelgeschrei, dass die Politik der Zwangsversteigerungen von Immobilienbesitz mit aller Härte fortgesetzt wird und dass – “selbstverständlich” – auch der weitere Ausverkauf Griechenlands – sprich: die Privatisierungspolitik – ungebremst vorangetrieben wird, trotz zahlreicher Streikaktionen der betroffenen Werktätigen in Griechenland. Womit ich auch beim letzten Teil meiner heutigen Berichterstattung über die sozioökonomischen Veränderungsprozesse in Griechenland bin. Konkret:

Gleich in drei Bereichen wird von der „sozialistischen“ Regierung in Griechenland weiterer Gemeinbesitz an ausländische Unternehmen verhökert, und die Tsipras-Regierung benötigte nicht mal eine Woche dafür, um das zu tun, was die GZ so freundlich als „grundlegende Neugestaltung des Energiesektors“ bezeichnet hat („abgrundlegende Neugestaltung“ wäre wohl präziser gewesen): gleich drei große Staatsunternehmen werden in diesen Tagen an ausländische Investoren verkauft, gleich drei Energiebereiche sind von diesem Ausverkauf betroffen: die Stromproduktion, das Raffineriewesen und das Erdgasnetz. Ich zähle an dieser Stelle die einzelnen Stromwerke, Raffinerien und Erdgasförderstätten nicht auf. Ich rufe an dieser Stelle lediglich nochmals die Doppelursache dieser Selbstenteignungsprozesse in Erinnerung: dieses alles wurde von der Gläubiger-Seite, von den Euro-Staaten, Griechenland zur Auflage gemacht, damit dieses die letzten verbliebenen – wie gesagt: erheblich mickriger gewordenen – Notkredite bekommt.

Und all diesem hat die vormals sozialistische Tsipras-Regierung zugestimmt, trotz der Streiks der jeweils betroffenen Werktätigen seit nunmehr einer guten Woche schon. Die griechische Administration ist de facto ein Bündnis eingegangen mit den Euro-Staaten und mit diversen Privatinvestoren aus Italien, Spanien, Belgien gegen die eigene Bevölkerung. Und all die eingangs erwähnten “positiven” Wirtschaftsdaten täuschen nicht darüber hinweg, dass dafür Millionen von Griechen und Griechinnen mit bitterster Not und mit schlimmster Armut zu bezahlen hatten. Da mag sich besoffen reden, wer will – egal, ob Tsipras oder ein Tsakalotos, der griechische Finanzminister: diese Aufstiegszahlen beziffern nichts anderes als einen Niedergang. Um die Menschen geht es in Griechenland schon längst nicht mehr. Es geht nur noch um Profit. Das Recht auf ein menschenwürdiges Existenzminimum hat in Griechenland – wie in Deutschland übrigens! – ausgedient. Nur noch die Rendite westlicher Großkonzerne ist von Belang. Und da scheint es, abschließend mit Blick auf Deutschland gesagt, völlig gleichgültig zu sein, ob bei uns ein Wolfgang Schäuble Finanzminister ist, ein sogenannter Christdemokrat, oder ein Olaf Scholz, angeblich ein Sozialdemokrat.

Und damit zu meinen Schlusshinweisen:

Wer uns bei unserer Hilfe für Menschen in Griechenland unterstützen will, unter dem Stichwort „GriechInnenhilfe“,  oder wer auch uns Akteure wieder mal mit Organisationsgeldern helfen will (dann bitte unter dem Stichwort „IHW“), der überweise uns bitte Spendengelder auf das folgende Konto:

Inhaber: IHW

IBAN: DE16 2605 0001 0056 0154 49

BIC: NOLADE21GOE

Und hier nochmal die Kontaktdaten von Peter Latuska, an den Ihr Euch wenden könnt, wenn Ihr Patenschaften übernehmen wollt oder eine Spendenbescheinigung benötigt (für Spendenbeträge bis 200,- Euro genügt fürs Einreichen beim Finanzamt Kopie oder Original Eurer entsprechenden Kontoauszuges):

Peter Latuska

Theodor Heuss Str. 14

37075 Göttingen

Email: latuskalatuska@web.de

Mit herzlichen Grüßen wie stets

Euer Holdger Platta

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