Von Heuschrecken, Investoren und der unersättlichen Gier nach Rendite

 In Christine Wicht, FEATURED, Politik (Inland), Wirtschaft

Alptraum Wohnungsbesichtigung. Meistens bilden sich entmutigend lange Schlangen

Über das lukrative Geschäft mit Immobilien in Großstädten. Wohnen ist ein Grundrecht und eine Aufgabe der Daseinsvorsorge. Inzwischen verkommt Wohnen zur Ware, die gehandelt und meistbietend weiterverkauft wird. Die Mieter werden gleich mit weiterverkauft und von Investoren und Heuschrecken aufgefressen, denn sie haben meist keine andere Wahl als die hohen Mieten zu zahlen, weil es keine bezahlbaren Alternativen gibt. Grundstücks- und Anlagenverkäufe der öffentlichen Hand an meistbietende internationale Investoren, Zweckentfremdung von Wohnraum, z.B. für Medizintourismus, spekulationsbedingter Leerstand, möblierte Vermietungen, Bau von Luxusimmobilien – all dies führt dazu, dass Bürger, vor allem in Großstädten, keinen bezahlbaren Wohnraum mehr finden. (Christine Wicht)

Aktuell fehlen in Deutschland rund eine Million Wohnungen, hauptsächlich in Großstädten, Ballungszentren und Universitätsstädten. Mittlerweile sind aber auch schon insgesamt 138 Städte und Kreise massiv betroffen. Auch hier steigen die Neubau- sowie Wiedervermietungsmieten und in Folge die Bestandsmieten ungebremst. Daraus resultieren existentielle Wohnungsnöte für immer mehr Haushalte bis weit in die Mitte der Gesellschaft, so erklärte der Bundesdirektor des Deutschen Mieterbundes (DMB), Lukas Siebenkotten, anlässlich des von der Bundesregierung vorgelegten Berichts über die Wohnungs- und Immobilienwirtschaft und den Wohngeld- und Mietenbericht 2016. „Die Wohnungsprobleme bergen enormen sozialen Zündstoff. Wir brauchen 400.000 neue Wohnungen pro Jahr, die Hälfte davon Mietwohnungen. Und der soziale Wohnungsbau darf in der nächsten Legislaturperiode nicht klammheimlich beerdigt werden. Er muss auf hohem Niveau fortgesetzt werden und gemeinsame Daueraufgabe von Bund und Ländern bleiben.“ (http://www.mieterbund.de/presse/pressemeldung-detailansicht/article/40480-deutschland-2017-1-million-wohnungen-fehlen-mieten-steigen-ungebremst.html?cHash=d6b72855ded62d00024e4203081c525d).

Besonders München ist begehrt, die Immobilienpreise steigen hier ins Unermessliche. Für einen Normalbürger sind Preise von 10.000 Euro und mehr pro Quadratmeter Wohnfläche unbezahlbar. Für Investoren ist es eben ein Preis, der für gute Immobilien gezahlt werden muss. Die Gentrifizierung hat in München längst über die Stadtteile Haidhausen und Lehel hinaus alteingesessene Arbeiterviertel wie Westend, Au oder Giesing erreicht. In diesen Quartieren gibt es kaum mehr günstige Wohnungen. Der Hype mit Münchner Immobilien boomt. Im Jahr 2000 waren es Aktien, heute sind es die Immobilien. In keinem Flyer exklusiver Immobilien dürfen Namenszusätze wie „Park“, „Höfe“ oder „Gärten“ fehlen, flankiert von Attributen wie „Fürst“, „Herzog“ oder „Prinz“. Oft werden auch Frauennamen  wie „Martha“ oder „Luise“ bemüht, um dem exklusiven Objekt eine gewisse Noblesse zu verleihen. Doch reale Gärten oder Parks sucht der Käufer in der unmittelbaren Umgebung meist vergebens. Das ist auch nicht wichtig, Natürlich kauft der Investor oder wohnt der vermögende Bürger künftig in repräsentativen und luxuriösen Town-Wohnungen, die selbstredend höchsten Ansprüchen entsprechen. In solch einer Atmosphäre darf natürlich ein Dachgarten nicht fehlen, der dann eventuell noch mit einem Koiteich aufgerüstet werden kann. Abgefahren? Warum nicht? München – man gönnt sich ja sonst nichts. Aber nicht nur der Trend zum Luxus drängt den Normalbürge aus dem Wohnungsmarkt.

Der Missbrauch von Wohnungen als Hotelalternative dezimiert Wohnraum

Touristen bevorzugen zunehmend individuelles Wohnen in Privatunterkünften und steigen seltener in Hotels und Pensionen ab, auch immer mehr Jugendliche ziehen eine Wohnung einer Jugendherberge vor. Die Fremdenbeherbung in Wohnungen erfreut sich international wachsender Beliebtheit und ist ein brisantes Thema in vielen Großstädten mit Wohnraummangel (http://www1.wdr.de/fernsehen/aktuelle-stunde/airbnb-problem-staedte-wohnungen-100.html). Anfangs stellten Privatleute ein Zimmer oder ihre Wohnung während ihres Urlaubs für Touristen zur Verfügung und boten diese auf Internetplattformen wie Airbnb, wimbdu oder bei anderen Providern an. Auch hier ist es wie mit jeder Idee, die kommerzialisiert wird, wenn sie erfolgreich ist. So sind heute ein Großteil der Airbnb-Vermieter nicht mehr Privatleute, sondern Profis. Die Süddeutsche Zeitung hat zusammen mit Kollegen aus Belgien, Frankreich und den Niederlanden diesbezüglich Daten ausgewertet. Die Datenbank umfasst alle Übernachtungsplätze, die Airbnb in den zehn größten deutschen Städten im Angebot hat. Insgesamt sind das mehr als 37 000 Zimmer und Wohnungen, die mindestens eine Bewertung haben, also mindestens einmal tatsächlich gebucht wurden. Das entspricht Schlafgelegenheiten für mehr als 100 000 Gäste. Allein in Berlin sind mehr als 38 500 Betten im Angebot, in München sind es beispielsweise 16 575 und in Hamburg 16 284 Betten.

http://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/uebernachtungs-plattform-airbnb-wird-von-profi-vermietern-ueberrannt-1.3615029. Airbnb hat in vielen Städten Ärger mit Behörden und wehrt sich beispielsweise in New York gegen die Einführung von Bußgeldern, die diese illegale Form der Vermietung unterbinden sollen. Für private Anbieter ist es ein einträgliches Geschäft, sie müssen keine strengen Brandvorschriften wie Hotels beachten, sie führen keine Mehrwertsteuer ab, oftmals laufen Geschäfte in bar und tauchen in keiner Steuererklärung auf, wodurch nicht nur professionellen Beherbungsbetrieben wie Hotels und Pensionen, sondern auch der Gesellschaft erheblicher Schaden zugefügt wird. Außerdem werden mit der Vermietung an Touristen traumhafte Renditen erzielt, die sich mit einer Normalvermietung nicht verdienen ließen (http://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/vermietung-von-ferienwohnungen-die-staedte-muessen-airbnb-dringend-zaehmen-1.3616450). Diese Form der Vermietung führt nicht nur zu einer Wohnraumverknappung, sie geht auch einher mit massiv ansteigenden Mieten und leistet der Gentrifizierung vorschub. Immer mehr Bewohner ziehen entnervt aus ihren Stadtvierteln weg, wenn ganze Häuser hotelähnlich genutzt werden. Dadurch ändert sich wiederum die Infrastruktur der betroffenen Stadtviertel, da Touristen keine Metzgereien oder Bäckereien sondern Lokale, Imbissbuden und Geschäfte aufsuchen, die nicht zum täglichen Bedarf gehören. Den meisten Nutzern der Privatwohnungen ist offensichtlich nicht bewusst, dass sie Wohnraum blockieren, sie wollen nur günstig in privater Atmosphäre wohnen. Manche wollen es in anonymer Atmosphäre mal so richtig krachen lassen, wie es zunehmend im von Junggesellenabschieden geplagten Amsterdam der Fall ist (http://www.arte.tv/de/videos/073399-003-A/re-touristen-gegen-anwohner).

Extreme Missbrauchsfälle verursachen sogenannte Medizintouristen aus den arabischen Golfstaaten. Sie begleiten ihre Verwandten, die sich in Kliniken medizinisch behandeln lassen und mieten für die Dauer ihres Aufenthalts privaten Wohnraum, vorzugsweise in der Nähe von Kliniken oder Rehazentren. Diese profitable Art der Vermietung skupelloser Betreiber führt zu massiven Konflikten mit den Anwohnern, da sich ein Großteil dieser Kurzzeitmieter nicht an Hausordnungen und Regeln hält, wie am Beispiel von Bonn Bad Godesberg ersichtlich ist (http://www.spiegel.de/video/arabische-medizintouristen-erobern-bonn-bad-godesberg-video-1705699.html). Die Bewohner sind oftmals respektlosem, rücksichtslosem Verhalten und massiven Beleidigungen ausgesetzt, wenn sie dagegen vorgehen, dass Müll in ihre Grünanlagen entsorgt wird, auf Rasenflächen geworfene Essensreste Mäuse und Ratten anziehen, beißender Geruch von unentwegtem Räuchern mit extrem riechenden Gehölzen und Essenzen in die Ritzen ihrer Wohnungen zieht und Lärmbelästigungen den Schlaf rauben. Von Lebens- und Wohnqualität kann nicht mehr die Rede sein. Obendrein entsteht massiver Schaden am Gemeinschaftseigentum, das nicht geachtet wird, nach dem Motto „Nach mir die Sintflut“. Defäkieren und Wildbieseln gehören ebenso zu diesem Verhalten wie nächtliches An- und Abreisen mit Ziehkoffern und lautstarken Unterhaltungen, begleitet von wildem, rücksichtslosem Parken auf Geh-, Rad- und Fußwegen, in Feuerwehreinfahrten und Grünanlagen.

Letztendlich kommen die Wohneigentümergemeinschaften für die verursachten Schäden auf und führen langwierige, kostenintensive Prozesse, um dem Treiben ein Ende zu bereiten. Die Betreiber verbuchen Gewinne und die Gemeinschaft zahlt die Schäden. Gewinne werden privatisiert und Kosten sozialisiert. Die Gesetze sind auf diese Form der Vermietung und seine Folgen nicht vorbereitet, wer sich wehrt, wird oftmals als ausländerfeindlich abgestempelt. Wohnanlagen sind keine Ferienanlagen. Zudem können Hotels Gäste des Hauses ausweisen, wenn Regeln nicht eingehalten werden; das kann eine Eigentümergemeinschaft nicht, ein einzelner Mieter schon gar nicht. Der Bau von Boardinghäusern ist als Alternative für kurzzeitige Mieter im Gespräch. Auch diese Form des Wohnungsbaus ist den Mietern, die bezahlbaren Wohnraum suchen, nicht förderlich, sie dient in erster Linie den Betreibern. Zudem geht auch hier wertvoller Wohnraum für Bürger verloren. Zweifelsohne ist Tourismus ist ein beachtlicher Wirtschaftszweig. Doch den Auswirkungen der Privatvermietungen ist mit dem Bau von Boardinghäusern in Wohngegenden nicht genüge getan.

Da die Folgen des Tourismus und Medizintourismus gerade in München mit seinen renommierten Kliniken die Wohn- und Lebensqualität der betroffenen Bewohner massiv einschränkt, Wohnraum ohnehin schon Mangelware ist und sich die Bürger seit Jahren gegen diese Art der Nutzung wehren, wurde im Juni 2017 im Bayerischen Landtag ein Gesetz zur Zweckentfremdung von Wohnraum neu abgestimmt. Mit dem Gesetz, das nun von der Stadt München in eine Satzung überführt werden muss, wurde der Bußgeldrahmen von 50.000 Euro auf 500.000 Euro erhöht und um eine Auskunftspflicht erweitert, zudem gilt das Gesetz unbefristet (http://www.gesetze-bayern.de/Content/Document/BayZwEWG2008-3). Der Landtags-SPD ging der Entwurf nicht weit genug, ihr Entwurf sieht als letztes Mittel die Einsetzung eines Treuhänders vor, um die Bereitstellung von Wohnraum für Wohnzwecke besser durchsetzen zu können. Der Gesetzentwurf der SPD sieht außerdem vor, dass bereits das Anbieten und Bewerben von Wohnraum mit dem Ziel der Zweckentfremdung als Ordnungswidrigkeit geahndet werden können. Außerdem enthält es eine Auskunftspflicht der Anbieter nach Hamburger Vorbild (http://www.abendblatt.de/hamburg/article207029151/Problemfall-Airbnb-Hamburg-als-Vorbild-fuer-Berlin.html). Obendrein forderte die Landtags-SPD die Räumung der zweckentfremdeten Wohnungen (https://bayernspd-landtag.de/presse/pressemitteilungen/?id=360332). Alle Vorschläge wurden von der CSU, die im Bayerischen Landtag die Mehrheit hat, abgelehnt. Im Herbst 2018 ist Landtagswahl in Bayern, es wird sich zeigen, ob das Gesetz Wirkung zeigt. Viele der vom Tourismus betroffenen Bewohner haben sich zwischenzeitlich von der CSU abgewandt. Sicher sind diese verlorenen Wähler für die CSU zu verschmerzen, doch sind auch all diejenigen zu verschmerzen, die keinen bezahlbaren Wohnraum in München finden?

Die Weltstadt mit Herz

Die durchaus sinnvollen und zielführenden SPD-Vorschläge wurden von der Landtags-CSU abgelehnt, mit der Begründung, dass in einer Weltstadt mit Herz keine Touristen aus Wohnungen geholt werden. Da stellt sich die Frage wo das Herz der Weltstadt war, als der CSU-regierte Freistaat Bayern im Jahr 2013 die im Besitz der LandesLB befindlichen GBW-Wohnungen an die Patrizia und ein Konsortium für 2,5 Milliarden Euro verkaufte? Laut Institut für soziale Wirtschaftsforschung e.V. (isw) handelt sich im Fall der GBW-Verkäufe um ein Konsortium von 27 Investoren. Darunter: Versicherungen, drei süddeutsche Sparkassen, Pensionskassen sowie berufsständische Versorgungswerke von Apothekern, Ärzten und Rechtsanwälten. Und die wollen bei dem Immobilien-Deal Höchstrenditen herausschlagen. Die Rendite liegt um ein Vielfaches höher als bei Staatsanleihen, die bei etwa 1,2 bis 1,4 Prozent liegt, bei Immobilien hingegen im Schnitt rund fünf Prozent (https://isw-muenchen.de/2013/04/gbw-verkauf-bayerische-staatsregierung-privatisiert-33-000-wohnungen/). Der Deal wurde damit begründet, dass der Freistaat diese Wohnungen nicht besitzen dürfe, da ihm sonst ein wettbewerbsrechtliches EU-Verfahren drohe, was sich aber als falsch herausstellte (https://www.mieterverein-muenchen.de/aktionen-presse/presse/pressenews/pressenews/freistaat-haette-gbw-wohnungen-doch-kaufen-koennen.html). Die Patrizia brachte lediglich 58 Millionen Euro ein, die restliche Summe kam von 26 deutschen Investoren sowie von einem aus der Schweiz (http://www.bayerische-staatszeitung.de/staatszeitung/politik/detailansicht-politik/artikel/undurchsichtiger-milliardendeal.html). Die Bürger wurden offensichtlich belogen und die Mieter einem Heuschreckenkonsortium ausgeliefert, die nun mit Mieterhöhungen Kasse machen.

Wo war die Weltstadt mit Herz als das ehemalige Gefängnis am Neudeck vom Freistaat meistbietend an einen Investor verkauft wurde? Der Investor wirbt damit Lebensträume wahr werden zu lassen. Diese Träume sind für den Normalbürger jedoch unbezahlbar (http://www.muc-re.de/projekte/muenchen-am-neudeck/ und http://www.sueddeutsche.de/muenchen/au-einblick-ins-gefaengnis-gefordert-1.3616684). Hier hätten beispielsweise Studentenwohnungen vom Freistaat entstehen können, doch der hat es vorgezogen das Filetstück an einen Investor zu verkaufen.

Wo war die Weltstadt mit Herz als der Sozialausschuss der Stadt München am 11.05.2017 die festen Preisobergrenzen bei den Wohnungsbaugesellschaften Gewofag und GWG abgeschafft hat und diesen Schritt damit begründete, den Sanierungsstau aufzulösen und die Preise stadtweit gerechter zu gestalten (https://www.tz.de/muenchen/stadt/mieten-von-mehr-als-27-000-muenchner-wohnungen-steigen-8296874.html). Künftig wird sich der Mietpreis der städtischen Wohnungsbaugesellschaft am Mietspiegel orientieren (http://www.sueddeutsche.de/muenchen/wohnungsmarkt-stadt-macht-mieten-fuer-geringverdiener-teurer-1.3501408).

Wo war die Weltstadt mit Herz als die Luxusimmoblie „The seven“ auf dem Gelände des ehemaligen Heizkraftwerks in München entstanden ist? Hier hätten Münchner Normalbürger wohnen können, die Stadtregierung hätte es in der Hand gehabt, aber vorgezogen, sich hier ein Denkmal in der Luxusklasse zu setzen, zum Schaden der Bürger (https://www.tz.de/muenchen/stadt/the-seven-hochhaus-nobel-werden-wohnungen-luxus-turm-2694914.html). Das Heizkraftwerk war zudem Volkseigentum, das ohne Not zu einer Luxusimmobilie umfunktioniert wurde.

Allem Anschein nach schlägt das Herz der Weltstadt für Investoren. Bürger, die bezahlbaren Wohnraum suchen, sind nicht sonderlich lukrativ, denn niedrige Mieten bedeuten niedrige Renditen.

Wohnen ist ein Grundrecht und Aufgabe der Daseinsvorsorge

Die Privatisierung von Staatsbetrieben geht oftmals einher mit dem Verkauf der Wohnungen, in welchen Staatsbedienstete wohnen, beispielsweise Wohnungen der Post http://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/deutsche-post-post-schlaegt-immobilien-los-1.792908. Nicht nur Städte und Kommunen verkaufen Immobilien, auch der Bund ( (https://www.bundesimmobilien.de/1934068/verkauf-ideen-plane-chancen) verkauft Grundstücke, Wohnungen, Seen, Gewerbeimmobilien, Flug- und Seehäfen und Bundeswehrgelände an Investoren, darunter auch zu Höchstpreisen, statt sie zu günstigen Preisen für den Bau bezahlbarer Wohnungen zur Verfügung zu stellen (http://www.tagesspiegel.de/berlin/immobilien-in-berlin-bund-verkauft-mauergrundstueck-zum-hoechstpreis/13043574.html). Dass nun auf dem Mauergrundstück in Berlin, welches für 29 Millionen Euro an die Essener formart GmbH verkauft wurde, unter anderem 110 Wohnungen für Geringverdiener entstehen sollen, hält Gesine Lötzsch, seinerzeit Vorsitzende des Bundestags-Haushaltsausschusses, für falsch: „Die letzten großen Bundesgrundstücke dürfen nicht zum Höchstpreis an private Investoren verkauft werden. 110 Feigenblattwohnungen reichen nicht aus.“  (http://www.tagesspiegel.de/berlin/immobilien-in-berlin-bund-verkauft-mauergrundstueck-zum-hoechstpreis/13043574.html).

Der Bundesrechnungshof kritisiert, dass die Bima (Bundesanstalt für Vermögensaufgaben) von ihrer bisherigen Praxis, dem Verkauf per Bieterverfahren, ohne vorherige Wirtschaftlichkeitsuntersuchung abrückt. Mit dem Direktverkauf würde die Bundesanstalt „auf eine mögliche Erlösoptimierung verzichten“. Dies wäre mit den Grundsätzen der Bundeshaushaltsordnung nicht vereinbar. Laut Bundesrechnungshof ist ein Direktverkauf nur dann möglich, wenn er wirtschaftlich sei oder wenn eine Ermächtigung durch den Haushaltsausschuss des Bundestags vorliege. Die Haushälter hätten solche Verkäufe aber nicht pauschal zugelassen, sondern auf Transaktionen ehemaliger Militärflächen beschränkt, so der Rechnungshof (http://www.berliner-zeitung.de/berlin/bundeseigene-immobilien-rechnungshof-kritisiert-guenstigen-wohnungsverkauf-an-berlin-24918020). Die noch im Bund befindlichen 38.000 Wohnungen sollen nun sukzessive verkauft werden (http://www.spiegel.de/wirtschaft/soziales/bund-will-alle-seine-wohnungen-verkaufen-a-1005430.html), statt sie zu günstigen Preisen für den Bau bezahlbarer Wohnungen zur Verfügung zu stellen.

Der Vizepräsident des Deutschen Städtetages und Oberbürgermeister der Stadt Nürnberg Ulrich Maly schlägt vor: „Die verbilligte Abgabe von bundeseigenen Grundstücken an Kommunen für sozialen Wohnungsbau muss praktikabler gestaltet und auch für eine zweckgebundene Weiterveräußerung an private Investoren geöffnet werden.“ (https://www.welt.de/wirtschaft/article166736442/Deutschland-bleibt-hinter-den-Zielen-zurueck.html). Politikern wird immer mehr bewusst, wie dringend bezahlbarer Wohnraum ist. Doch wenn der Wohnungsbau Investoren überlassen wird, wird der Staat seiner Verantwortung nicht gerecht, da Renditestreben im Vordergrund steht. Der Steuerzahler ist auch nicht in der Verantwortung steigende Mieten auszugleichen und Investoren Renditen zu bescheren. Politiker schlagen Lösungen vor, die das Kernproblem nicht angehen, sondern lediglich Symptome kurieren.

Bundesbauministerin Barbara Hendricks fordert: „Wir brauchen eine regelmäßige und bedarfsgerechte Anpassung des Wohngelds an die Mieten- und Preisentwicklung. Nur so können wir sicherstellen, dass nicht Tausende Familien in die Grundsicherung abrutschen oder aus ihrem vertrauten Stadtteil wegziehen müssen. Ich stelle mir einen Rhythmus von zwei Jahren vor. Mieterinnen und Mieter müssen sich auf ihr Wohngeld verlassen können.“ (http://www.bmub.bund.de/pressemitteilung/hendricks-wir-brauchen-eine-regelmaessige-anpassung-des-wohngelds/).

Der Münchner Oberbürgermeister Reiter (SPD) geht einen kleinen Schritt weiter in die richtige Richtung und schlägt vor, dass für die Umwandlung von Miet- in Eigentumswohnungen künftig in sämtlichen Städten mit erhöhtem Wohnungsbedarf eine behördliche Genehmigung notwendig ist. Bislang ist dies nur in Erhaltungssatzungsgebieten der Fall. Reiter will zudem erreichen, dass in Eigentum umgewandelte Wohnungen in Erhaltungssatzungsgebieten erst nach zehn Jahren an jemand anderen als den Mieter verkauft werden dürfen. Bislang gilt eine Sperrfrist von sieben Jahren. Damit alteingesessene Handwerksbetriebe vom Milieuschutz profitieren können, soll die Erhaltungssatzung künftig nicht nur für Wohnungen, sondern auch für Kleingewerbe gelten. Verringern will Reiter auch den Pflichtbeitrag der Mieter zur Modernisierung ihrer Wohnung – von elf Prozent pro Jahr auf acht. Darüber hinaus sollen innerhalb von acht Jahren maximal drei Euro je Quadratmeter auf den Mieter umgelegt werden können (http://www.sueddeutsche.de/muenchen/gentrifizierung-muenchens-ob-fordert-hilfe-gegen-hohe-mieten-aus-berlin-1.3548081). Das sind Anfänge, doch reichen sie bei weitem nicht aus. Zudem ist Wahlkampf, wer weiß ob die frommen Wünsche auch in die Tat umgesetzt werden. Die Kommunen müssen auf eigenen Grundstücken selber kostengünstig bauen und diesen Kostenvorteil an die Mieter weitergeben. Die Mieten müssen gedeckelt und steigende Mieten dürfen nicht vom Steuerzahler subventioniert werden. Auflagen und Steuern für in- und ausländische Investoren für nicht selbstbewohnte Immobilien, wären eine weitere Möglichkeit um dem Ausverkauf von Wohnraum und steigenden Mieten entgegenzuwirken.

Wohnen ist ein Grundrecht und eine Aufgabe der Daseinsvorsorge. Inzwischen verkommt Wohnen zur Ware, die gehandelt und meistbietend weiterverkauft wird. Die Mieter werden gleich mit weiterverkauft und von Investoren und Heuschrecken aufgefressen, denn sie haben meist keine andere Wahl als die hohen Mieten zu zahlen, weil es keine bezahlbaren Alternativen gibt. Wir brauchen Politiker, die sich dem Gemeinwohlgedanken und nicht Investoren verpflichtet fühlen. Wir brauchen Bürger, die sich zusammenschließen und für bezahlbaren Wohnraum eintreten und das Feld nicht allein Politikern und Investoren überlassen. Wir brauchen ein Zweckentfremdungsgesetz, das die lukrative Vermietung an Touristen wirkungsvoll bekämpft. Wir brauchen Politiker, die sich nicht von Lobbyisten beeindrucken lassen (http://www.zeit.de/wirtschaft/unternehmen/2016-10/airbnb-gesetze-ferienwohnungen-sharing-economy) und Ämter und Behörden, die diese Form der Vermietung ernsthaft bekämpfen und den Bußgeldrahmen ausschöpfen. Niedrige Bußgelder wirken nicht abschreckend, sie werden aus der Portokasse gezahlt.

Im Herbst ist Bundestagswahl, der Wähler kann seine Stimme einer Partei geben, die sich dem Gemeinwohlgedanken verpflichtet fühlt und sich für das verbriefte Recht jedes Menschen auf angemessenen, Teilhabe sichernden Wohnraum in einem sozial gestaltetem Umfeld einsetzt.

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