Wählen die GriechInnen am 7. Juli die alte Austeritätspolitik ab zugunsten einer neuen Austeritätspolitik?

 In FEATURED, GRIECHENLAND, Holdger Platta, Über diese Seite

172. Bericht zu unserer Spendenaktion „Helfen wir den Menschen in Griechenland!“ Aus gegebenem Anlass äußere ich mich nochmal, hoffentlich abschließend, zu meiner bis vor kurzem stark beeinträchtigten Arbeitssituation. Im Mittelpunkt des folgenden Berichtes steht aber zweierlei: Neues über die von uns betreuten Hilfsbedürftigen, und Neues über die Wahlkampfsituation in Griechenland. Werden tatsächlich die Konservativen die großen Gewinner der kommenden Parlamentswahlen sein? Eine Prognose nicht ohne eine schmerzhafte Paradoxie.  Holdger Platta

Liebe HdS-Leserinnen und liebe HdS-Leser,

nun ja: die vorletzte Juniwoche erbrachte kein besonders gutes Ergebnis für unsere Hilfsaktion. Gegenüber der Vorwoche mit ihren 50,- Euro Spendenbetrag und 3 SpenderInnen ging während der letzten sieben Tage lediglich der kleine Betrag von 15,- Euro auf unserem Konto ein, überwiesen von einem Spender an uns. Selbstverständlich Dank auch an diesen Unterstützer unserer Hilfsinitiative, im Namen des gesamten Teams! Und persönlicher Dank von mir für dessen Genesungswünsche an mich!

Dazu die gute Nachricht, dass nach äußerst schmerzhaften vier Wochen – ein eingeklemmter Ischiasnerv “sorgte” für Schmerzen, die oft kaum auszuhalten waren – die dritte Behandlungsstunde bei meiner Physiotherapeutin vor einer knappen Woche endlich den Durchbruch für mich brachte. Seither nahezu schmerzfrei! Nur sehr viel nicht existierender Schlaf während der Wochen davor benötigt noch einigen Nachholbedarf. Bei dieser Gelegenheit:

Ich empfand es durchaus nicht als unproblematisch, Euch – in Kürze zwar, doch immerhin – über diese starke Beeinträchtigung meiner Arbeitsfähigkeit zu informieren. Allzu leicht hätte das wie ein Renommieren mit meiner “Tapferkeit” wirken können, dennoch Woche für Woche meine Hilfsberichte zu Papier zu bringen. Nichts lag mir ferner als das. Aber ich war mir allzu unsicher geworden, ob meine Berichte noch jene Qualität (und Verstehbarkeit!) besaßen, die – vielleicht! – ansonsten für meine Textbeiträge zu unserer GriechInnenhilfe typisch sind! Zum Glück habe ich aber nur zahlreiche Anzeichen der Anteilnahme registrieren dürfen, und mir ist keine Kritik der befürchteten Art zu Ohren gekommen. Ganz besonderen Dank also auch dafür!

Und ich selber bin derjenige, der am stärksten hofft, dass bis auf weiteres von diesen Malässen nicht mehr geredet werden muss. – “Muss”? – Nun, wie gesagt: die erwähnte Unsicherheit bin ich niemals während der letzten Wochen losgeworden, die Frage also, ob diese Mitteilerei zu meinen höchstpersönlichen Gesundheitsproblemen richtig war oder nicht. Möge Euch wie mir die Zukunft solche Konflikte ersparen. So oder so: zu Recht erwartet Ihr von diesen Berichten Auskünfte über unsere Hilfsaktionen und über die Situation in Griechenland (vor allem bei den Ärmsten der Armen dort), nicht aber sogenannte “Krankheits-Bulletins”. Und damit, wirklich, zurück zu den eigentlich wichtigen Themen hier!

Tassos Chatzatoglou hat mir in der Zwischenzeit zwei überaus wichtige Kurzberichte von seiner Griechenlandfahrt zugeschickt. Sie diente ihm wie dem Gesamtteam zunächst einmal dem Sondieren der Situation in Griechenland. Generell, was die Nachwahl- und Vorwahlzeit in Griechenland angeht, ganz speziell, was das Wohlergehen einzelner von uns betreuter Menschen in Griechenland betrifft.

Gute und entlastende Nachrichten erstmal aus Megara, zur Situation von Panagiota K. mit deren drei Töchtern, denen wir vor längerer Zeit eine neue – wirklich menschenwürdige – Wohnung verschaffen konnten (und seither mit Hilfsgeldern mitfinanzieren). Zwar ist die Drohung, womöglich auch diese gute Unterkunft wieder verlassen zu müssen, nicht ganz vom Tisch – und demzufolge hat Panagiota K. die Suche nach einer neuen Wohnung auch keinesfalls aufgegeben (sicher ist sicher!). Aber unmittelbar ist sie mit ihren Töchtern von einem Rauswurf nicht bedroht – wegen „Eigenbedarfs“ des Vermieters –, und seit einigen Monaten ist sie sogar wieder in „Lohn und Brot“. Die Gemeinde Megara hat ihr eine Putzstelle vermittelt. Viel bekommt sie zwar nicht. Aber vielleicht wird daraus sogar eine Daueranstellung. Natürlich würden wir uns riesig über diese gewisse Absicherung ihrer Existenzmöglichkeiten freuen.

Auch in der Gemeinde von Korydallos sind offenbar keine Verschlechterungen eingetreten, trotz der Abwahl des SYRIZA-Bürgermeisters Kassimatis dort. Der neue Bürgermeister – ein Nikos Chousamás –, Kandidat der Nea Dimokratia und der (neuen) Kleinstpartei KINAL, einer Nachfolgepartei der PASOK, wird zum 1. September des Jahres sein Amt antreten und wird von den vielen Gesprächspartnern, die Tassos über die veränderte Situation in Korydallos informiert haben, übereinstimmend als unideologischer „Pragmatiker“ bezeichnet. Hinzukommt, dass Chousamás im Gemeinderat auch weiterhin mit einer SYRIZA-Mehrheit zu tun haben wird. 12 Gemeinderatsmitglieder sind nach wie vor „Kassimatis-Leute“, wie Tassos schrieb, lediglich 9 Gemeinderäte gelten als Gefolgsleute des neuen Bürgermeisters.

Fazit von Tassos Chatzatoglou: Was die – von uns seit langem unterstützte – Sozialstation von Korydallos angeht, wird sich nichts verändern für uns. Chousamás ist auf Kooperation angewiesen, er kennt die Situation der BürgerInnen dort und ist vor allem auch informiert über die hohe Arbeitslosigkeit in seinem Verantwortungsbereich! Im übrigen erwartet Tassos von den kommenden Parlamentswahlen dort, dass am 7. Juli des Jahres die NichtwählerInnen zur „stärksten Partei“ in Korydallos werden dürften – Zeichen des allgemeinen Unmuts über die politische Situation in Griechenland. Abschließend dazu: 13 Jahre lang war Kassimatis Bürgermeister von Korydallos gewesen, und zum erstenmal nach 40 Jahren stellen dort wieder die Konservativen den Bürgermeister.

Womit ich, nahtlos, auch zu den derzeitigen Umfrageergebnissen übergehen kann, die generell die pateipolitische Situation in Griechenland widerzuspiegeln vermögen.

Nun, nach wie vor sieht alles nach einem deutlichen Wahlsieg der ND, der Nea Dimokratia, aus, nach einem klaren Wahlsieg der Konservativen mithin – trotz aller Zahlenunsicherheiten im Detail. Konkret: dem Meinungsforschungsinstitut „Pulse“ zufolge darf Kyriakos Mitsotakis, ND-Vorsitzender, mit 32 Prozent bis 37 Prozent für seine Partei rechnen. Die SYRIZA rangiert mit 23,7 Prozent bis 28,3 Prozent auf Platz zwei. Und die „Bewegung der Veränderung“, die KinAl, hat Aussicht darauf, mit 5,6 Prozent bis 8,4 Prozent auf dem dritten Platz zu landen, gefolgt von der marxistisch-leninistischen KKE (4,3 Prozent bis 6,7 Prozent), der faschistischen „goldenen Morgenröte“, der Chryssi Avgi (3,8 Prozent bis 6,2 Prozent), und der Partei MeRa25, der Neugründung des vormaligen SYRIZA-Finanzministers Yanis Varoufakis, die mit etwa 3,5 Prozent aller abgegebenen gültigen Stimmen rechnen darf – und damit ebenfalls eine Chance hat, im neuen Parlament der Griechen vertreten zu sein (in Hellas genügen dafür 3 Prozent, nicht – wie bei uns – 5 Prozent).

Gleichviel, von welchem Wahlergebnis im Einzelnen man ausgeht: es dürfte damit für eine absolute Mehrheit der Konservativen reichen im neuen griechischen Parlament. Ein drastischer Wandel in Griechenland scheint näher zu rücken, und die SYRIZA wird offenkundig aufs bitterste bezahlen müssen für ihre unakzeptable Gehorsamspolitik gegenüber der Troika.

Dass damit – einerseits – die verheerende „Austeritätspolitik“ ihre verdiente Quittung bekommt, diese wahnwitzige Verelendungspolitik bzw. allen Regeln der Logik und Humanität widersprechende Kombination aus Steuererhöhungen sowie Lohn- und Rentendumping, liegt auf der Hand. Dass damit aber – andererseits – noch gehorsamere Austeritätspolitiker an die Macht gewählt werden dürften, ebenfalls. Ein Paradox, das zweierlei zeigt: die riesige Enttäuschung der GriechInnen, was die ursprünglichen Zusagen der SYRIZA betrifft, und die immense Ratlosigkeit, die nunmehr und seit längerem schon in der griechischen Bevölkerung existiert. Schon mehrfach sprach ich ja in den vorangegangenen Berichten von dieser Konfusion.

Selbst der seit Jahren zu beobachtende Boom in der Touristik-Branche scheint sich übrigens in diesem Jahr nicht fortsetzen zu wollen. Zwar werden erneut über 31 Millionen Urlaubsgäste in Griechenland erwartet, doch die Hotelbranche hat bereits Alarm geschlagen: Einer Studie der „Griechischen Hotelkammer“ (XEE) zufolge verzeichnen 45 Prozent aller Mitglieder nach 3 Jahren des Fortschritts erstmals wieder deutliche Buchungsrückgänge gegenüber dem Vorjahr. Preissenkungen, dadurch verursacht, in der Größenordnung von 16 Prozent, werden für weitere Gewinneinbußen sorgen.

Und vergessen wir bei diesen Hiobsbotschaften nicht (vielfach von mir erwähnt in diesem Zusammenhang): dieser Boom war ohnehin nahezu vollständig und stets den ausländischen Hotelketten zugutegekommen, nicht aber den im Touristik-Bereich arbeitenden Menschen auzs Griechenland. Diese hatten stets ihre – zeitlich befristeten! – Tätigkeit zu Mindestlöhnen zu erbringen gehabt! Folge jedenfalls des erwarteten Einnahmenrückgangs im Tourismusbereich: die Hoteliers verlangen jetzt schon Subventionen vom Staat. Nun, liebe SYRIZA, wie wäre es mit der Idee, diese Subventionen zuzusagen unter der Bedingung, dass dieses Geld den in diesem Wirtschaftssektor arbeitenden Griechinnen und Griechen zugutekommt, den Mindestlöhnern, den Teilzeit- und befristet beschäftigten Menschen in diesem Bereich? Meine Befürchtung ist, dass die SYRIZA zu solchen Programmaussagen nicht mehr fähig ist.

Und damit wieder einmal zu meiner Spendenbitte für unsere Hilfsaktion „Helfen wir den Menschen in Griechenland!“:
Wer uns Gelder für unsere Hilfe für Menschen in Griechenland zukommen lassen will, der überweise uns diese bitte unter dem Stichwort „GriechInnenhilfe“ auf das Konto:

Inhaber: IHW
IBAN: DE16 2605 0001 0056 0154 49
BIC: NOLADE21GOE

Wer eine Spendenbescheinigung benötigt – ab 201,- Euro erforderlich –, wende sich bitte an unseren Kassenwart Henry Royeck, entweder unter der Postanschrift Sültebecksbreite 14, 37075 Göttingen, oder unter der Mailadresse henryroyeck@web.de.

Und wer, wie gesagt, noch etwas mehr tun will: auch unser gemeinnütziger Verein, die „Initiative für eine humane Welt (IHW) e.V“, ist immer wieder erneut auf neue Hilfsgelder angewiesen, zur finanziellen Absicherung unserer Arbeit ganz generell. Diese Spenden bitte dann an dasselbe Konto, wie oben angegeben, jedoch mit dem Stichwort „GR-IHW“ versehen. Es sei wiederholt: wir würden uns riesig auch über diese Unterstützung freuen.

Mit herzlichen Grüßen wie stets
Euer Holdger Platta

Anzeigen von 3 Kommentaren
  • Peter Boettel
    Antworten
    Ja, leider verstehe ich nicht, weshalb die Griechen sich von einer Partei, die durch Erpressung von Schäuble & Co.  im Sommer 2015 zur Austerität gezwungen wurde, wieder einer Partei zuwenden wollen, die sich unter Samaras freiwillig der Austerität unterwarf.

    Vergessen die noch schneller als bei uns die Fehler der Vergangenheit?

    • Volker
      Antworten
      Herr Boettel, ich denke eher, dass hierbei Verzweiflung nach jedem Strohalm greift, paradox zwar, allerdings auch eine ur-menschliche Reaktion, wenn es um nichts anderes mehr geht, als irgendwie zu überleben.
  • Volker
    Antworten

    Nun, wie gesagt: die erwähnte Unsicherheit bin ich niemals während der letzten Wochen losgeworden, die Frage also, ob diese Mitteilerei zu meinen höchstpersönlichen Gesundheitsproblemen richtig war oder nicht.

    Lieber Holdger, war richtig und ist auch wichtig mitzuteilen. Mach Dir blos keinen Kopf darüber. Sollte eine Pause notwendig sein, gönne sie dir und behüte Deine Kräfte.

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