Waffenwerbung in Wohlfühlatmosphäre

 In FEATURED, Politik (Inland)

Für Lobbyist:innen ist der direkte Draht in die Politik gewissermaßen der Goldstandard.Um im Wettbewerb der Interessen die eigenen Anliegen möglichst prominent anzubringen, wenden Unternehmen und Wirtschaftsverbände teilweise hohe Summen auf: für Hauptstadtbüros und Lobbyposten, Parteispenden und Lobbyveranstaltungen oder für die Nebeneinkünfte von Abgeordneten. Diesen Lobbyeinfluss macht Abgeordnetenwatch immer wieder sichtbar.

 

Erst Ende letzten Jahres haben gemeinsame Recherchen von abgeordnetenwatch.de, Zeit und ZDF Magazin Royale aufgedeckt, dass mehrere Ex-Abgeordnete in ihrer Rolle als frischgebackene Lobbyist:innen bei Regierung und im Bundestag vorstellig wurden:

  • Sigmar Gabriel (SPD) – Ex-Vizekanzler und derzeitiger Stahllobbyist (Thyssen Krupp Steel) – nutzte sein Adressbuch nach dem Ausscheiden aus der Politik und verschaffte sich Mitte 2022 etwa ein Treffen mit Kanzler Olaf Scholz. Gegenstand der Zusammenkunft: unbekannt.
  • Peter Tauber (CDU) – früher Generalsekretär der CDU, mittlerweile Lobbyist für den Deutschen Unternehmensverband Vermögensberatung (DUV) – bemühte sich für seinen neuen Auftraggeber um Termine im Wirtschaftsministerium.
  • Frank Sitta (FDP) – ehemals FDP-Fraktionsvize und neuerdings Rüstungslobbyist für den US-Konzern General Atomics – trifft sich beispielsweise „in unregelmäßigen Abständen” mit dem FDP-Verteidigungspolitiker Marcus Faber, um sich über sicherheitspolitische Themen auszutauschen.Mit Ehemaligenausweisen in den Bundestag

    Neueste abgeordnetenwatch.de-Recherchen haben nun ergeben, dass es für Lobbyist:innen einen weiteren Weg in den Bundestag geben könnte.

    Demnach haben Ex-Abgeordnete die Möglichkeit, einen sogenannten Ehemaligenausweis zu beantragen – damit gelangen sie auch nach dem Ausscheiden aus der Politik in die Gebäude des Bundestags. Auf Anfrage erfuhr abgeordnetenwatch.de, dass mittlerweile neunzig Prozent der bei der letzten Wahl ausgeschiedenen Abgeordneten einen solchen Ehemaligenausweis beantragt haben.

    Äußerst problematisch daran: Ungehinderten Zugang zum Bundestag genießen demnach auch Seitenwechsler:innen, die nach der Abgeordnetenlaufbahn als Lobbyist:innen tätig werden.

    Lobbyveranstaltung im Abgeordnetenrestaurant

    Einen besonders pikanten Fall von Lobbyzugang in den Bundestag brachte kürzlich auch das Portal The Pioneer ans Licht.

    So war es dem Waffenhersteller Lockheed Martin Ende September 2022 gelungen, eine Lobbyveranstaltung mitten im Abgeordnetenrestaurant des Bundestags abzuhalten.

    Möglich war das nur, weil ein SPD-Abgeordneter die Veranstaltung für den Rüstungskonzern bei der Bundestagsverwaltung anmeldete – zum Abgeordnetenrestaurant haben sonst ausschließlich Mitglieder des Parlaments Zugang.

    Für die Waffenlobbyisten ein Glücksfall, konnte man die eigenen Anliegen doch bei Wohlfühlatmosphäre und gutem Essen vorbringen. Und Anliegen hatte der Waffenhersteller Lockheed Martin zu dieser Zeit durchaus – die Amerikaner standen gerade in Verhandlungen mit der Bundesregierung über den Verkauf von Kampfjets des Typs F-35.

    Übrigens: Eine abgeordnetenwatch.de-Anfrage zur Herausgabe der Korrespondenz zwischen Lockheed Martin und der Bundestagsverwaltung bezüglich der Lobbyveranstaltung im Abgeordnetenrestaurant ließ die Bundestagsverwaltung seit nunmehr fast drei Monaten unbeantwortet.

    Lobbyzugang aufdecken und erschweren

    Mit unseren Recherchen werfen wir immer wieder ein Schlaglicht auf geheimen und unkontrollierten Lobbyismus. Auf diese Weise informieren wir die Öffentlichkeit und erzeugen Handlungsdruck in der Politik.

    Dabei sind unsere Offenlegungen häufig lediglich der erste Schritt. Im Zuge der daraus resultierenden öffentlichen Debatte treten wir mit Entscheidungsträger:innen in Kontakt und zeigen Lösungswege auf. Als letztes Mittel scheuen wir aber auch den Klageweg nicht – auf diese Weise haben wir Regierung und Bundestag bereits mehrmals Transparenz verordnet und für striktere Lobbyregeln gesorgt.

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