Wann kommt Armani nach Athen?

 In FEATURED, GRIECHENLAND, Holdger Platta, Über diese Seite

126. Bericht zu unserer Spendenaktion „Helfen wir den Menschen in Griechenland!“ “Gute” Nachrichten aus Griechenland. Die Arbeitslosenquote ist leicht zurückgegangen. Aber wohl eher, weil immer mehr junge GriechInnen vor der ökonomischen Aussichtslosigkeit ins Ausland fliehen. Und weil viele der Arbeitgeber in Europas ärmstem Land nach dem Motto agieren: “Sozial ist, wer Sklavenarbeit schafft”. Vielleicht hat der “linke” Premier Tsipras, der in jüngster Zeit durch originelle Outfit-Accessoires glänzte, auch nicht mehr so viel “Schlimmes” getan. Aber der mit seiner Hilfe ermordete griechische Sozialstaat bleibt tot, selbst wenn ihm keine weiteren Stiche mehr zufügt. (Holdger Platta)

Liebe HdS-Leserinnen und liebe HdS-Leser,

erneut zwei gute Nachrichten vorweg (leider nur, was unsere Hilfsaktion betrifft): in der letzten Woche konnten wir an Evi und Tassos Chatzatoglou, unsere “Außenteamer” aus Graz, 1.500,- Euro für die Armenhilfe auf Andros überweisen. Bericht darüber folgt. Hier nur: die Unterstützung der notleidenden Menschen auf der betreffenden Insel gehört seit langem zu unserem Nothilfeprogramm. Und nach wie vor vertreten wir die Meinung, dass wir Menschen nicht verrecken lassen dürfen, lediglich deshalb, weil eine „radikale“, eine – so wörtlich! – „an die Wurzel gehende“ Lösung erst denkbar wäre, wenn wir den Kapitalismus in Griechenland und Europa abgeschafft hätten. Es bleibt dabei: wir arbeiten gegen die Verelendung in Griechenland an, auch wenn die große, die eigentliche Befreiung von aller Not noch nicht zu bewerkstelligen ist – bei aller Richtigkeit der These, dass “eigentlich” die Abschaffung des brutalen Kapitalismus auf der Tagesordnung steht. Nebenbei: weltweit, nicht nur in Europa oder in Griechenland!

Die andere gute Nachricht (wie gesagt: ausschließlich unsere Nothilfeaktion betreffend): Spendeten in der Vorwoche zwei UnterstützerInnen 400,- Euro an uns – schon dieses ein recht gutes Ergebnis zur Monatsmitte hin –, so wurden während der letzten sieben Tage sogar 440,- Euro auf unser Hilfskonto eingezahlt, überwiesen von insgesamt 5 SpenderInnen an uns. Das ist bemerkenswert angesichts der nicht zu leugnenden Tatsache, dass wir OrganisatorInnen nur über sehr begrenzte Mittel verfügen, für „Helfen wir den Menschen in Griechenland!“ werben zu können. Von Herzen kommender Dank an die HelferInnen auch dieses Mal, im Namen der Mitaktiven ohnehin, aber auch im Namen der Betroffenen in Griechenland! Mit Sicherheit befördern wir revolutionäre Bewegungen in diesem Staatswesen nicht, wenn wir statt solcher Hilfen die Ärmsten der Armen dort verrecken ließen.

Ansonsten bleibt es in der “großen” Politik, die vor allem die “kleinen” Leute aufs bestialischste trifft, so wie Woche für Woche in meinen Berichten mitgeteilt wird: Positive Veränderungen gibt es nicht, und selbst angeblich positive Veränderungen erweisen sich bei genauerer Analyse als Lug und Trug. Zum Beispiel, was die so wundersam gesunkenen Arbeitslosenzahlen in Griechenland betrifft. Aber konkret:

Jawohl, selbst ELSTAT, die griechische Statistikbehörde in Griechenland, meldet für den April dieses Jahres geringfügig niedrigere Erwerbslosenzahlen als für den April des Vorjahres 2017. Lag die Arbeitslosenquote vor zwölf Monaten noch bei 21,7 Prozent, so gab ELSTAT dieses Mal “nur” noch eine Arbeitslosenquote von 20,2 Prozent bekannt, heißt: aufgerundet 71.000 Griechinnen und Griechen stehen nunmehr in Lohn und Brot, für die solches im Vorjahresapril noch nicht zutraf. Aber was uns das staatliche Statistikamt verschweigt: zu welchem Lohn arbeiten diese “neuen” Erwerbskräfte nun? Reicht die monatliche Lohnsumme, die erstmals wieder nach Hause gebracht werden kann, aus, um nunmehr wieder ein Leben führen zu können, das als menschenwürdig bezeichnet werden kann? Reichen die Einkünfte aus, jetzt wieder eine Familie ernähren zu können, den Ehepartner und auch die Kinder?

Um es deutlich zu sagen: “Erfolgsziffern” wie die vorgenannten täuschen einen Fortschritt vor, den es für die meisten betroffenen Menschen auf spürbare Weise nicht gibt. Und auch anderes stimmt bedenklich, wenn man diese Mini-Absenkung der Arbeitslosenzahlen genauer betrachtet:

Gegenüber dem Vormonat dieses Jahres, gegenüber dem März 2018 mithin, stellen diese 20,2 Prozent Arbeitslosenrate sogar einen – leichten – Anstieg dar – vor einem Monat waren es nämlich nur 20,1 Prozent. Und was ist mit dem Tourismusboom, der Griechenland auch in diesem Jahre erfasst hat? Geht dieser, ganz offenkundig, nicht an den meisten Griechinnen und Griechen vorbei? Und schließlich: Wie nimmt sich eine solche – geringfügig gesunkene – Arbeitslosenquote in Griechenland aus, wenn man sie an der Tatsache misst, dass in Gesamteuropa die Arbeitslosenquote lediglich bei 8,4 Prozent liegt? Was bedeutet es für die Zukunft dieses Landes, insbesondere für die jungen Menschen in Griechenland, dass von ihnen, den 15- bis 24-Jährigen, nach wie vor 42,3 Prozent arbeitslos sind? Was bedeutet es für die Geschlechtergerechtigkeit, dass – ebenfalls ELSTAT zufolge! – “lediglich” 16,5 Prozent aller Männer arbeitslos sind, bei den Frauen aber 24,7 Prozent, nach wie vor? Und wenn ich schreibe: „nach wie vor“ – was hat es in diesem Zusammenhang zu bedeuten – diese Tatsachen sind in Griechenland allgemein bekannt –, dass zahlreiche Erwerbslose längst schon die Suche nach Arbeit aufgegeben haben?

Selbst die – nicht sonderlich kritische! – „Griechenland Zeitung“, die GZ, stellt zu diesen Zahlen fest, „dass viele Arbeitslose einfach aus dem Arbeitsmarkt ausgestiegen sind, entweder weil sie in Rente gingen oder einfach aufhörten, nach Arbeit zu suchen“ – so in ihrer neuesten Ausgabe vom vergangenen Mittwoch, den 18. Juli des Jahres. Und auch dieses verschweigt die GZ ihren LeserInnen nicht: „zum großen Teil“ sei dieser Rückgang der Arbeitslosigkeit wohl zurückzuführen auf etwas ganz anderes als auf „Konjunkturaufschwung“ oder dergleichen, nämlich auf – Emigration! Viele (übrigens: vor allem junge) Griechinnen und Griechen haben ihr Heimatland seit längerem verlassen und suchen mittlerweile woanders in diesem Europa ihr Glück. Und nicht selten sind es junge, besonders gut ausgebildete, Griechinnen und Griechen, die ihr Heil in Frankreich suchen, in Österreich oder sogar bei uns.

Was nicht deshalb zu erwähnen ist, weil wir vorrangig diesen jungen “Eliten” Glück wünschen bei ihrer Suche nach einem angemessenen Arbeitsplatz, sondern weil dieser Weggang stärker noch als die Emigration anderer Arbeitskräfte Griechenland den Weg in eine bessere Zukunft verbaut. Als „Braindrain“ haben das die Experten bezeichnet, wörtlich übersetzt, als „Gehirnabfluss“ (im spezielleren Sinne dann: als Weggang von WissenschaftlerInnen). Baut man so die Zukunft eines Landes wieder auf? Hilft auf diese Weise Westeuropa dem kaputtgeretteten Griechenland, durch Abwerbung seines wissenschaftlichen Nachwuchses? Nicht nur meine Zweifel sind da groß – übergroß, um ehrlich zu sein!

Auf fatale Weise „gut“ paßt zu diesen Nachrichten denn auch eine andere Meldung aus Griechenland, und diese Auskunft “verdanken” wir dem Gouverneur der Bank von Griechenland Iannis Stournaras: diesem zufolge hätten immer noch viele Haushalte in Griechenland ihre Ersparnisse – so um die 12 bis 14 Milliarden Euro herum – „unter der Matratze“ versteckt oder „in Blumentöpfen“ (aus Angst, dass diese Gelder anderenfalls, auf Bankkonten deponiert, verlorengehen könnten). Auch in dieser Bevölkerungsgruppe – in der, immerhin, erspartes Geld noch vorhanden ist, das „gebunkert“ werden kann – scheinen Zweifel also größer zu sein als irgendeine Art von Zuversicht. Und selbst vielen Unternehmern hält Iannis Stournaras vor, dass sie ihre Gelder, in der Größenordnung von bis zu 10 Milliarden Euro, auf Banken im Ausland untergebracht hätten, nicht aber in Griechenland! Noch einmal: sieht so Aufschwung, sieht so Zuversicht aus? Das Gegenteil dürfte wohl richtiger sein! Und selbst der Mitbegründer der SYRIZA und deren Vorsitzender während der Jahre 2004 bis 2008 Alekos Alavanos las dementsprechend drastisch seinem „Ziehkind“ Alexis Tsipras vor nicht mal einer Woche die Leviten. Dazu abschließend in diesem Bericht.

Er, der als „Ziehvater“ des jetzigen griechischen Ministerpräsidenten gilt (so die GZ), warf dem Regierungs-Chef vor, „politisch rechter“ zu agieren als die konservative Oppositionspartei Nea Dimokratia: seit dem Ende des Bürgerkrieges im Jahre 1949 „habe keine konservative Kraft einen ähnlichen – und erfolgreichen – ‚Angriff auf die politische Linke‘ verübt“, so der GZ zufolge Alavanos in einem Interview mit der griechischen Sonntagszeitung „To Vima“. Und zum Ende der, wie die GZ schreibt, „Spar- und Reformauflagen“ von Seiten der Euro-Staaten gegenüber Griechenland stellt SYRIZA-Ex-Vorsitzender Alavanos fest – ich korrigiere an dieser Stelle: zum vermeintlichen Ende dieser Politik; und ich korrigiere zum zweiten: zum Ende einer brutal betriebenen Verelendungs- und Kotrollpolitik, nicht einer Politik mit „Spar- und Reformauflagen“! -: „Jeder Massenmörder hört an dem einen oder anderen Punkt auf zu morden. Er ist deshalb nicht unschuldig, die Leichen bleiben Leichen“. Gekürzte Gehälter und gekürzte Renten, so Alekos Alavanos, bleiben bestehen, erhöhte Steuern und Armut bleiben bestehen, das Land bleibe auch weiterhin unter Aufsicht, „als ob man unter einer ‚Okkupation‘ lebe“, kurz: die amtierende Regierung Tsipras lege „gegenüber der deutschen Bundeskanzlerin Angela Merkel eine unterwürfige Haltung an den Tag“, und mit Sicherheit hat auch der Ex-Mitbegründer der SYRIZA Alavanos bei dieser Bemerkung nicht nur an Tsipras‘ bourdeaux-rote Krawatte gedacht, die der griechische Ministerpräsident neuerdings trägt, weil er die Freiheit, die Selbständigkeit, die Autonomie Griechenlands wiederhergestellt sieht. Sei es, wie es sei:

Diese Mini-Minderung in puncto Massenarbeitslosigkeit, die ich eingangs erwähnte, kann wohl kaum als Indiz gelten für ein neues, für ein erholtes, für ein zukunftsträchtiges Griechenland! Westliche Kapitalinteressen werden in Athen auch weiterhin aufs zynischste durchgesetzt, und Tsipras & Co haben dem nichts anderes mehr entgegenzusetzen als ein vermeintlich schickeres Outfit. Rot ist out, Bourdeaux-Rot ist in! Und demnächst kommt wohl Armani nach Athen und kleidet die gesamte griechische Regierung neu ein, auf dass sie auch modisch  auf dem europäischen Parkett endlich, endlich, endlich mithalten kann.

Und damit wieder zu meinen obligaten Schlusshinweisen:

Wer uns bei unserer Hilfe für Menschen in Griechenland unterstützen will, unter dem Stichwort „GriechInnenhilfe“,  der überweise uns bitte Spendengelder auf das Konto:

Inhaber: IHW

IBAN: DE16 2605 0001 0056 0154 49

BIC: NOLADE21GOE

Wer eine Spendenbescheinigung benötigt – ab 200,- Euro erforderlich -, wende sich bitte an unseren neuen Kassenwart Henry Royeck, entweder unter der Postanschrift Sültebecksbreite 14, 37075 Göttingen ,oder unter der Mailadresse henryroyeck@web.de.

Und wer noch etwas mehr tun will: auch unser gemeinnütziger Verein, die „Initiative für eine humane Welt (IHW) e.V“, wäre eigentlich sehr dringend mal wieder auf neue Hilfsgelder angewiesen, zur finanziellen Absicherung unserer Arbeit ganz generell. Diese Spenden bitte dann an dasselbe Konto, wie oben angegeben, jedoch mit dem Stichwort „IHW“ versehen. Wir würden uns riesig auch über diese Unterstützung freuen.

Mit herzlichen Grüßen wie stets

Euer Holdger Platta

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