Weiter gegen die europäische Killerpolitik!
39. Bericht zu unserer Spendenaktion „Helfen wir den Menschen in Griechenland!“Holdger Platta, wahrlich daran gewöhnt, schlechte Nachrichten aus Griechenland zu erfahren und weiterzugeben, ist zornig: “Das halbtote Griechenland bringt immer noch nicht ausreichend Gehorsam gegenüber seinen Killern auf”, schreibt er in seinem neuesten Freitagsbericht. Wieder mal haben die herzamputierten EU-Granden ihrem zerstörerischen Wirken noch eines drauf gesetzt und mehr gefordert: mehr Austerität, mehr Sozialkürzungen, mehr Privatisierung. “Krieg gegen die Griechen” nennt Holdger dieses Polik zu Recht. Denn diese Politik tötet. Wie anders kann man es nennen, wenn ein Drittel aller Bewohner derzeit ohne Krankenversicherung ist, wenn Menschen ihre Wohnung verlieren, lebenswichtige Medikamente fehlen und die Säuglingssterblichkeit nach oben schnellt? Noch vor einigen Jahren hatten Wohlmeinende gedacht, die unfassbare Härte der Entscheider hätte ihre Grenzen, wenn es ums nackte Überleben und um die Kernbereiche der Menschenwürde geht. Nichts davon. Wenigstens die Spender aus unserem LeserInnenkreis zeigen Herz und schenken – einigen Menschen in Griechenland – ein wenig Hoffnung. (Holdger Platta)
Liebe HdS-Leserinnen und liebe HdS-Leser,
wie sollte es anders sein: erneut mit Dankbarkeit schreibe ich diesen Bericht, erneut aber auch mit einigem Zorn!
Dankbar bin ich selbstverständlich dafür, dass Ihr auch weiterhin so beharrlich unsere Spendenaktion unterstützt: 600,- Euro gingen in den letzten sieben Tagen bei uns an Hilfsgeldern ein (in der Vorwoche 772,16 Euro – also mit dem typischen Anstieg jeweils zu Monatsbeginn; Stichwort „Dauerspender“), 9 UnterstützerInnen brachten diese Summe auf (Vorwoche: 23). Mit mir sagen auch alle anderen aus unserem Helferteam Dank! Und ausdrücklich danken möchte ich auch Bettina Beckröge für ihren Bericht, ich meine die Schilderung ihrer Eindrücke bei der Familie K. in Athen Ende letzter Woche auf HdS (https://hinter-den-schlagzeilen.de/2016/10/06/notstand-bei-einer-familie-in-griechenland-ein-fall-von-tausenden/). Deutlicher läßt sich die Misere nicht beschreiben, in der zig Millionen Menschen in Griechenland zu leben haben, viele von ihnen seit langer Zeit schon, alle aufgrund der buchstäblich „verheerenden“ Politik der Euro-Staaten gegen dieses gepeinigte Land. Tatsächlich: es ist so, als führe man Krieg gegen die Griechen, gegen die Ärmsten vor allem, und nichts, aber auch gar nichts, deutet auf eine Änderung hin. Beispiel? – Ein Beispiel! Und schon bin ich auch bei den aktuellen Anlässen für meinen Zorn:
Anfang dieser Woche, am Montag, den 10. Oktober, tagten die Finanzminister der Euro-Staaten in Brüssel zum Thema Griechenland. Beschlossen werden sollte eigentlich die Freigabe von weiteren 2,8 Milliarden Euro als Umschuldungshilfe für die kaputtgerettete griechische Volkswirtschaft (ich muss, so hoffe ich, nicht daran erinnern, dass selbst diese Geldbeträge echte Hilfe nicht sind!). Doch trotz „erkennbarer Fortschritte“, so der niederländische Finanzminister Jeroen Dijsselbloem, gleichzeitig Chef der europäischen Währungsunion – ich lasse den Zynismus dieser Bemerkung hier unkommentiert – mochte sich die Runde der Kassenwarte Europas nur auf die Freigabe von 1,1 Milliarden Euro verstehen. Begründung – und da haben wir den Zynismus der Dijsselbloem-Aussage im Klartext -: es gab noch nicht „erkennbare Fortschritte“ genug, konkret: nicht genug Rentenkürzungen in Griechenland (weitere Rentenkürzungen, wohlgemerkt!), nicht genügend weiteren „Abbau“ im Bildungssystem, nicht genügend weitere „Privatisierungen“ im Bereich der öffentlichen Daseinsvorsorge für die griechischen Bürger, zum Beispiel bei Wasser und Strom. Kurz: das halbtote Griechenland bringt immer noch nicht ausreichend Gehorsam gegenüber seinen Killern auf.
Dabei – und das ist der zweite Anlass meines Zornes ganz aktuell – ist die griechische Regierung längst schon auf dem Weg, Schluss zu machen mit dem allerletzten Widerstand gegen diese Killerpolitik. Auch dazu ein konkretes Beispiel nur:
Die griechischen Notare – wahrlich nicht die progressivste Berufsgruppe im Land – hatten am Mittwoch dieser Woche zu einem eintägigen Streik aufgerufen. Der Grund: sie waren und sind nicht mehr einverstanden damit, dass es zu mehr und mehr Zwangsversteigerungen von Wohnungen in Griechenland kommt, und zwar vor allem bei solchen Menschen, die wegen der Finanzkrise arbeitslos wurden, nichts anderes mehr als die von ihnen selbst bewohnte Immobilie besitzen und ihre Schulden nicht mehr beim Staat abbezahlen können. Der griechische Verband der Notare dazu: „Der Staat, die Politiker und die Justiz müssen Entscheidungen zum Schutz der ärmeren Bürger treffen!“. Heißt, mit anderen Worten gesagt: selbst eine durch und durch „bürgerliche“ Standesorganisation in Griechenland opponiert mittlerweile gegen einen allzu willfährigen Staat. Oder anders formuliert: die Syriza-Regierung macht inzwischen Politik gegen das eigene Volk! Und an dieser Stelle muss ich, zum Abschluss für heute, auch eine Information korrigieren, die ich selber vor einigen Monaten an dieser Stelle Euch Leserinnen und Lesern mitgeteilt hatte:
Nein, auch mit der Rückkehr aller Griechinnen und Griechen in die staatliche Krankenversicherung hat es nicht geklappt! Nach wie vor sind drei Millionen GriechInnen ohne diesen Versicherungsschutz, hervorgerufen dadurch, dass nach 12 Monaten Arbeitslosigkeit noch jeder Grieche und jede Griechin aus der Krankenversicherung rausgeschmissen wird. Heißt mithin: fast ein Drittel der griechischen Bevölkerung kann sehen, wo es im Krankheitsfall bleibt. Und auch dieses gehört zum Krankheitsbefund des griechischen Gesundheitswesens hinzu:
• Das griechische Gesundheitsbudget wurde von 2009 bis 2015 um die Hälfte gekürzt;
• die Ausgaben für öffentliche Krankenhäuser gingen im gleichen Zeitraum von 2,9 Milliarden Euro auf 1 Milliarde Euro zurück;
• 5.000 Ärzte haben mittlerweile Griechenland verlassen;
• 18.000 Pflegekräfte haben inzwischen Griechenland den Rücken gekehrt;
• der Durchschnittsverdienst der Ärzte in Griechenland liegt derzeit nur noch bei 1.400,- Euro monatlich;
• die Säuglingssterblichkeit stieg von 2,6 Prozent (vor der Krise) auf vier Prozent;
• die Bevölkerung in Griechenland schrumpft, zum erstenmal in der Nachkriegszeit;
• es gibt in den öffentlichen Krankenhäusern kaum noch Medikamente.
Dr. Giorgos Vichas, einer der Ärzte, der in Griechenland blieb (und bleiben wird!), tätig unter anderem an der Athener Sozialklinik Ellenikó (MKIE) schrieb dazu kürzlich an Premierminister Alexis Tsipras: „Worum es uns in all diesen Jahren geht, ist, das griechische Gesundheitssystem aus dem Sumpf der Austeritätspolitik herauszubekommen. Nur dann wird der Anstieg der Sterbe- und Krankheitsrate ein Ende haben.“
Schrieb ich von „verheerender“ Politik der Euro-Staaten gegenüber Griechenland, von „Krieg“ sogar und „Killerpolitik“? Mit jeder seiner Äußerungen bestätigt der griechische Arzt Dr. Giorgos Vichas diesen Befund. Und nur eines, so Vichas ebenfalls, rettet derzeit noch die Menschen in Griechenland: die Hilfe – auch unsere Hilfe –, die von außen kommt.
Sorgen wir dafür, auch weiterhin, dass es bei dieser Hilfe bleibt!
Deswegen auch heute wieder unsere Angaben für Spenden an uns. Also:
Überweisungen gegebenenfalls, unter dem Stichwort „GriechInnenhilfe“, auf das folgende Konto:
Inhaber: IHW
IBAN: DE16 2605 0001 0056 0154 49
BIC: NOLADE21GOE
Und hier erneut die Kontaktdaten von Peter Latuska, an den Ihr Euch wenden könnt, wenn Ihr Patenschaften übernehmen wollt oder eine Spendenbescheinigung benötigt (für Spendenbeträge bis 200,- Euro genügt fürs Einreichen beim Finanzamt Kopie oder Original Eurer entsprechenden Kontoauszuges):
Peter Latuska
Theodor Heuss Str. 14
37075 Göttingen
Email: latuskalatuska@web.de
Mit herzlichen Grüßen
Euer Holdger Platta