Wie das Internet Bernie Sanders zum Sieg verhelfen kann

 In Politik (Ausland)
Bernie Sanders

Bernie Sanders

Prinz Chaos II. war fleißig und hat eine Menge englischsprachige Internetseiten gelesen. Dies bringt ihn zu einer Schlussfolgerung, die hoffnungsvoll stimmt (sofern man in Bezug auf die USA noch Hoffnung wagen möchte): Bernie Sanders hat noch immer gute Chancen, gegen Hillary Clinton die Präsidentschaftskandidatur der „Demokraten“ zu erringen. Seine große Stärke: die neuen Medien arbeiten überwiegend zu seinen Gunsten. (Prinz Chaos II.)

James Carville bildete gemeinsam mit Paul Begala das strategische Topduo des Präsidentschaftswahlkampfs von Bill Clinton im Jahre 1992. Carville war es, der im Headquarter der Kampagne in Little Rock, Arkansas, ein großes Schild anbrachte, auf dem die drei zentralen strategischen Botschaften standen. Der erste Punkt hieß: „Veränderung statt Weiter-so“; der dritte Punkt las sich: „Denk an die Gesundheitsversicherung!“

Der zweite Punkt ging in die Geschichte ein: „The economy, stupid!“ – auf gut deutsch: „Es geht um die Wirtschaft, Depp!“

Der weitere Werdegang James Carvilles ist in unserem Zusammenhang interessant. Er wurde eingekauft für die Wahlkampagnen von Ehud Barak (1999) – auf Veranlassung Bill Clintons, der von Benjamin Netanyahu extrem genervt war. Carville verhalf anschließend Tony Blair zum Wahlsieg 2001. Im Jahr darauf war er in Bolivien an Carlos Mensas allerletztem Sieg über Evo Morales beteiligt.

2008 war Carville für Hillary Clintons gescheiterte Präsidentschaftskampagne tätig. Danach wechselte er ins Kabelfernsehen. Von MSNBC und CNN bis hin zu seinem jetzigen Arbeitgeber FOX hat er dabei alle großen Sender abgeklappert.

Leute wie James Carville symbolisieren, was die Clinton-Demokraten ausmacht – nicht zuletzt eine schmierige Nähe zu den Mainstreammedien – und zum vermeintlichen politischen Gegner!

Carvilles Frau, Mary Matalin, beispielsweise, ist auch politische Beraterin. Sie allerdings ist für die Republikaner im Rennen. Sie war tätig für die Präsidentschaftskampagnen von Herbert Walker Bush und George W. Bush. Sie arbeite anschließend im persönlichen Beraterstab von Dick Cheney. Dann zog es auch sie in die Medien.

Es ist dieses politische Establishment der demokratischen Partei, das sich auch 2016 auf Hillary Clinton eingeschworen hat und sich mit Händen und Füßen gegen einen möglichen Sieg von Bernie Sanders wehrt – klar unterstützt, übrigens, von Barack Obama (Hier: http://trofire.com/2016/03/28/obama-endorses-debbie-wasserman-schultz-florida-seat-cronies-stick-together/ Und hier: http://www.nytimes.com/2016/03/18/us/politics/obama-hillary-clinton-bernie-sanders.html?_r=0 )

Nachdem Clinton am 15. März fünf Vorwahlen gewann, wähnte sich dieses Establishment bereits am Ziel. 12 Senatoren forderten Sanders auf, nunmehr aufzugeben, damit sich Hillary endlich auf die Präsidentschaftswahlen konzentrieren könne. (Hier: https://www.youtube.com/watch?v=ypnRNdJeuc4))

Aber dieses Ärgernis aus Vermont will und will nicht weggehen. Sanders gewann anschließend sechs der nächsten sieben Vorwahlen. Die einzige Vorwahl, die Hillary Clinton gewann, ist Gegenstand einer wütenden Auseinandersetzung über Wahlbetrug und Wählerunterdrückung (Hier: http://usuncut.com/news/arizona-polling-disaster/ und hier: http://usuncut.com/politics/arizona-election-fraud-hearing-chaos/)

Erstaunlich sind die Margen der Sanders-Siege. Er gewann in Alaska mit 80%, in Washington State mit 72%, in Utah mit 79%, in Idaho mit 78%, in Hawaii mit 71% und die „Globale Vorwahl“ der „Demokraten im Ausland“ mit 69%.

Noch gibt sich das Establishment der Demokraten siegessicher. Und in der Tat muss Sanders 57% der verbleibenden Delegierten für sich gewinnen, um Clinton zu überholen. Aber der Enthusiasmus des Sanders-Lagers ist ungebrochen. Allein in den 24-Stunden nach seinem Dreifachsieg in Washington State, Alaska und Hawaii gingen $4 Millionen an Spenden ein (Hier: http://thehill.com/blogs/ballot-box/presidential-races/274482-sanders-raises-4-million-since-weekend-wins).

Jetzt steht Wisconsin auf dem Wahlkalender, danach Wyoming – und dann New York.

Der Kampf um New York wird voraussichtlich die Vorentscheidung bringen in dieser Vorwahlkampagne. Und diese Auseinandersetzung beschreibt perfekt die grundsätzlichen Unterschiede zwischen den Kandidaten.

Hillary Clinton wohnt seit 16 Jahren in der Stadt. Aber sie ist keine New Yorkerin, sondern hierher gezogen, um einen sicheren Senatorenposten zu übernehmen.

Sanders ist in Brooklyn geboren und aufgewachsen, in ärmlichen Verhältnissen. Er spricht bis heute vernehmlich den rauen Akzent der Arbeiterklasse dieses Stadtteils. Er kommt zurück als Held der armen Leute und startet seinen New Yorker Wahlkampf in den Bronx. Damit ist er der erste Präsidentschaftskandidat seit Bobby Kennedy 1968, der eine Veranstaltung in diesem Viertel abhält! (Hier: http://www.welcome2thebronx.com/wordpress/2016/03/29/the-bronx-is-berning-bernie-sanders-is-coming-to-the-bronx/?preview=true)

Hillary Clinton ist derweil fest verankert in Manhattan, und in der Welt derer, die reich sind an Geld und Einfluss. Die Teilnahme an einem Spendendinner, welches das Ehepaar Clooney kürzlich für Hillary ausrichtete, kostete $350.000 pro Paar (Hier: https://www.yahoo.com/politics/bernie-clooney-hillary-clinton-171452613.html)

Aber auch der politische Preis für dieses Clooney-Dinner ist hoch für Clinton – vor allem im Internet, wo seither mancher Geldbetrag höhnisch in die Währung eines $350.000-Dinners umgerechnet wird.

Das Internet ist auch der Ort, wo die großen Gewichte in Richtung Sanders verschoben werden, jeden Tag ein Stückchen mehr. Direkt nach Clintons Siegen vom 15. März dominierte der Hashtag #StillSanders auf Twitter. Seither schoss Sanders immer wieder an die Spitze der Twitter-Trends. Etwa mit dem Hashtag #BirdieSanders, als ein kleiner Spatz auf Sanders Rednerpult in Portland landete – eine Szene, wie gebacken für das Internet, die sofort vital ging (Hier: https://www.youtube.com/watch?v=Jc2TVLoxsDA). Unter dem Hashtag #BernieMadeMeWhite („Bernie machte mich weiß“) machen sich seit Tagen Sanders-Unterstützer ethnischer Minderheiten über das Mantra der Mainstreammedien lustig, Sanders könne nur unter Weißen gewinnen – obwohl Wähleruntersuchungen das längst widerlegen.

Schließlich dominierte #ToneDownForWhat auf Twitter. Clinton nämlich wollte Sanders eine zuvor vereinbarte Debatte in New York verweigern, sollte die Sanders-Kampagne „ihren Ton nicht mäßigen“. Dieses Aussage wurde zu einem digitalen Debakel für Clinton. Ob sie nur für $225.000 zur Debatte komme, wurde sie gefragt – für diesen Betrag hielt sie Reden für Goldman-Sachs. Ob sie denke, auch Donald Trump werden ihr gegenüber seinen Ton mäßigen? Schließlich flog ihr ein Video aus dem Vorwahlkampf 2008 um die Ohren, in dem sie von Obama kategorisch mehr Debatten einfordert. Das Internet vergisst nichts!

Nach drei Tagen, in denen Clinton durch die Weiten des Netzes gewatscht wurde, sagte ihre Kampagne die Debatte dann doch zu: eine Machtdemonstration des Sanders-Lagers.

Diese Macht liegt übrigens nicht zentralisiert bei der Sanders-Kampagne, sondern in der Selbstaktivität und Massenkreativität einer anhebenden Bewegung.

Das bedeutendsten Mobilisierungstool der Kampagne sind Smartphones. Die Sanders-Kampagne hat eine dezentrale App am Start, die Unterstützer mit den Telefonnummern potentieller Unterstützer versorgt. Die Zahl der getätigten Anrufe liegt derzeit weit über 30 Millionen, eine unfassbare Leistung. Diese Mobilisierungsmaschine und den virtuosen Einsatz des Online-Campaignings erklären die Architekten der Sanders-Strategie im Internet hier: http://www.thenation.com/article/how-the-sanders-campaign-is-reinventing-the-use-of-tech-in-politics/

Sanders wirkt als Prisma für die Wut und Hoffnung von Millionen. Und diese Bewegung holt auch anderweitig ihre Siege. Etwa in Kalifonien, wo der Mindestlohn landesweit auf $15 angehoben wurde (Hier: http://www.usatoday.com/story/money/2016/03/28/california-raises-minimum-wage-15-hour/82348622/) Oder vor dem Obersten Gerichtshof, wo ein Angriff auf die Gewerkschaften scheiterte, weil der Tod eines noch von Ronald Reagan eingesetzten Richters die Mehrheiten verschob (Hier: http://thehill.com/regulation/court-battles/274543-supreme-court-upholds-mandatory-union-fees-in-4-4-tie)

In Staaten, die Sanders mit großer Mehrheit geholt hat, steigt derweil der Druck auf die Superdelegierten, sich auf dem Parteitag dem Votum der Wähler anzuschließen (Hier: http://usuncut.com/politics/alaska-superdelegate/).

Auch die Blockadehaltung der Mainstreammedien beginnt unter dem Druck des Internets und der kürzlichen Sanders-Siege aufzubrechen. Etwa auf Reuters (Hier: http://blogs.reuters.com/great-debate/2016/03/28/why-wont-sanders-quit-the-race-because-hes-winning/), auf CNN (Hier: http://edition.cnn.com/2016/03/29/opinions/bernie-sanders-big-story-2016-opinion-kohn/index.html) oder bei Morning Joe auf MSNBC, wo der Wahlprozess der Demokraten als korrupt gegeißelt wurde (Hier: http://usuncut.com/politics/morning-joe-blasts-dnc-rigging-primary-bernie-sanders-video/)

Aber Sanders reagiert auch seinerseits auf den Druck des Internets. Als der populärste Internetkanal, „The Young Turks”, sich lauthals beschwerte, dass Sanders deren Interviewanfragen konsequent ignoriere, saß Sanders am nächsten Tag in deren Studio in Los Angeles.

Dieses denkwürdige Interview zeigt auch eine mögliche Verselbständigung der Sanders-Kampagne von der demokratischen Partei. Auf die Frage, ob er im Falle seiner Niederlage Hillary Clinton unterstützen würde, antwortete Sanders nicht mit einer klaren Zusage, sondern mit einem Forderungskatalog, der für seine Unterstützung unverzichtbar wäre (Das ganze Interview, hier: https://www.youtube.com/watch?v=ggFitmOTSok).

Und im Netz gibt es immer mehr Memes, die von einer eigenen Partei träumen. Die würde dann „The Peoples’ Party“ heißen und einen kleinen Spatz als Maskottchen tragen. Es ist völlig unklar, ob Bernie Sanders selbst dazu bereit wäre. Immerhin trat er aber jahrzehntelang als Unabhängiger an. Wir werden sehen. Bisher hat er noch Chancen, die Vorwahl der Demokraten zu gewinnen.

Denn Clinton gerät auch anderweitig unter Druck. Die Affäre um Emails, die sie als Außenministerin auf ihren privaten Server geladen hat, eskaliert. 147 FBI-Beamte pflügen sich derzeit durch 37.000 Emails (Hier: http://www.zerohedge.com/news/2016-03-28/hillary-clintons-email-story-unravels-147-fbi-agents-are-her-heels). Noch spannender, als ein möglicher Rechtsverstoß durch das Kopieren dieser Emails auf ihren privaten Server, ist aber deren Inhalt. Dank des „Hillary Clinton Email-Archivs“ auf Wikileaks sind diese Emails öffentlich zugänglich (Hier: https://wikileaks.org/clinton-emails/). Facebook versucht, diesbezügliche Meldungen zu unterdrücken, aber Wikileaks machte die Zensur öffentlich und die Story läuft und läuft (Hier: https://twitter.com/wikileaks/status/710884889797722112).

Aktuelles Fundstück: wie Clintons Außenministerium im Verein mit Google und AlJazeera der Bürgerkrieg in Syrien anheizte (Hier: https://www.rt.com/op-edge/337620-hillary-clinton-google-aljazeera-syria/)

Zusammengefasst ist das Rennen um die Kandidatur der Demokraten weiterhin völlig offen. Aber kann ein Kandidat verlieren, dessen Unterstützer selbständig solche Videos produzieren, wie dieses hier?

https://www.youtube.com/watch?v=XSRUmRYrRLY

Sollte sich am Ende tatsächlich Sanders durchsetzen, käme das nicht nur einer Sensation gleich, sondern auch einem Triumph des Internets über die Macht des Establishments in den Medien und im Parteiapparat der Demokraten.

Eventuell ist die Zeit der James Carvilles dieser Welt vorbei…

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