Wieder einmal: Gutes von uns und Verbrecherisches aus Griechenland

 In FEATURED, GRIECHENLAND, Holdger Platta

224. Bericht zu unserer Spendenaktion „Helfen wir den Menschen in Griechenland!“ / Holdger Platta

 Manchmal fällt mir das Verfassen meiner Berichte doch äußerst schwer – denn geradezu furchtbar ist der Kontrast: was unsere Spendenaktion betrifft, darf ich sehr gute Nachrichten verkünden. Und gleichzeitig muß ich über Geschehnisse in und um Griechenland berichten, die für mich nicht mehr zu unterscheiden sind von kriminellen Aktionen im Staatsauftrag – egal, ob damit die griechische Regierung gemeint ist oder – wieder einmal – Europa insgesamt. Und auch dieses gilt wieder einmal: aus unseren Massenmedien erfährt man davon nichts. HP

 

Liebe HdS-Leserinnen und liebe HdS-Leser,

große Freude natürlich bei uns: in der letzten Woche ist jene Großspende bei uns eingetroffen, die uns Konstantin Wecker aus dem Erlös seines letzten Internetkonzertes zugesprochen hatte: 3.000,- Euro. Zur Erinnerung: sämtliche Spendeneingänge zu diesem Konzert wurden – nach Abzug der Kosten – weitergeleitet an humanitäre Organisationen und Einrichtungen, an KünstlerkollegInnen von Konstantin Wecker, die unter der Corona-Krise bis in die Existenzgefährdung hinein zu leiden haben, sowie an MitarbeiterInnen – Techniker und andere -, ohne deren Hilfe Konzerte gar nicht stattfinden können und die ebenfalls zur Zeit arbeitslos sind und ohne Einkommen. Um es also deutlich zu sagen: nichts von den Netto-Erträgen dieses Internetkonzertes hat Konstantin Wecker in die eigene Tasche gesteckt, sämtliche Spenden kamen anderen zugute.

Mein Dank an ihn schließt also ganz ausdrücklich diese Hilfsbereitschaft auch für die anderen Spendenempfänger mit ein. Sie zeigt, daß Konstantin Wecker nicht nur als Künstler auf der Bühne, mit all seinen Texten und Liedern, für die Mitmenschlichkeit eintritt, sondern daß er in diesem Sinne auch zu handeln bereit und fähig ist. Ich gebe zu, das hat mich sehr an den berühmten Zweizeiler von Erich Kästner erinnert: „Es gibt nichts Gutes / außer: man tut es“. Ich bin sicher, daß sich auch alle weiteren Mitglieder aus unserem Organisationsteam diesem sehr herzlichen Dank anschließen dürften!

Ansonsten fiel der Spendeneingang auf unserem Konto für die GriechInnenhilfe während der letzten sieben Tage eher bescheiden aus: 3 Unterstützer überwiesen 30,- Euro an uns (in der Vorwoche hatte eine Spenderin immerhin 100,- Euro an uns überwiesen). Da auch die Spendensumme für HdS eher im niedrigen Bereich verblieb – 45,- Euro gingen auf unserem Zweitkonto bei uns ein -, vermute ich stark, daß nunmehr auch bei uns die Einkommensnot vieler HdS-Leserinnen und HdS-Leser aufgrund der Corona-Krise ihre Auswirkungen zu zeigen beginnt. Wir können alle nur hoffen, daß die staatlichen Hilfsgelder zur Überwindung der sozioökonomischen Krisenfolgen aufgrund der Maßnahmen gegen die Corona-Krise endlich auch die wirklich Bedürftigen erreicht, die soloselbständigen KünstlerInnen und Hartz-IV-Betroffenen, und nicht nur in den Vorstandsetagen – etwa der Autoindustrie – landen. Da ist wirklich nicht alles im Lot, noch lange nicht!

Wir selber, die HelferInnen so mancher Menschen in Griechenland (einschließlich der dort gestrandeten Flüchtlinge), sind mitten in der Planung für neue Hilfsmaßnahmen dort. Ich hoffe, sehr bald auch darüber wieder berichten zu können.

Die griechische Regierung selber, der von Experten wie von der Bevölkerung ganz überwiegend eine gute Eindämmungspolitik gegen die Corona-Gefahren bescheinigt wird, versucht inzwischen wieder, den Tourismus im eigenen Land in Gang zu bringen. Die bisherige Zwei-Wochen-Quarantäne für ausländische Gäste ist mittlerweile aufgehoben worden, auch werden mehr und mehr Flughäfen wieder für die Anreisenden geöffnet, nach Athen und Thessaloniki gilt das ab 1. Juli auch für zahlreiche Urlaubsinseln. Gleichwohl bleiben die Prognosen eher verhalten bis katastrophal: mehr als 20 Prozent des Vorjahresergebnisses wird Griechenland im Einnahmesektor Fremdenverkehr in diesem Jahr wohl nicht mehr erwirtschaften können. Der Tourismus, die „Schwerindustrie“ Griechenlands, die bis zu fast einem Viertel beiträgt zum Bruttoinlandsprodukt dieses Mittelmeerstaates, steuert also 2020 durchaus auf eine Katastrophe zu, mit furchtbaren Folgen für viele arbeitende Menschen dort – Stichwort Erwerbslosigkeit.

Um so zynischer mutet deshalb an, daß die griechische Regierung alles dafür tut, auch die Flüchtlinge im Land teilhaben zu lassen am Unglück, gegen das Kyriakos Mitsotakis mit seinem Kabinett nur höchst unzureichend bis gar nicht vorgeht. Der neueste Beschluß der Führungsspitze in Griechenland:

Flüchtlinge, die bereits Asylstatus besitzen, sollen – so lautet die „Rechtfertigung“ – wie griechische Staatsbürger behandelt werden. Was nach Aufwertung klingt, ist aber nichts anderes als Ausweitung des Unrechts. Nunmehr haben auch die anerkannten Flüchtlinge kein Anrecht mehr auf kostenlose Unterkunft – über diese Rauswurf-Aktionen berichtete ich bereits -, sie haben auch keinen Anspruch mehr auf Zahlungen in der Höhe von 90,- Euro pro Monat (ohnehin viel zu wenig gewesen, um überleben zu können!). Daß sie, die Flüchtlinge, noch weniger Chancen haben, einen Arbeitsplatz zu bekommen als die GriechInnen selbst – bei einer Arbeitslosigkeit von mittlerweile wieder über 20 Prozent -, versteht sich von selbst. Nicht mal Integrations- und Sprachkurse wurden für diese „Neubürger“ (wenn man so die anerkannten Flüchtlinge nennen will) aufgelegt. Die anerkannten Flüchtlinge bleiben – wohnungslos, arbeitslos – völlig sich selbst überlassen. Und als sich vor kurzem Hunderte der Betroffenen vor der Asylbehörde in Athen versammelten, um gegen diese Verweigerung jeglicher Menschenhilfe zu protestieren, ließ der griechische Migrationsminister Notis Mitarakis verkünden, die Hilfsbedürftigen hätten gar nicht erscheinen müssen, sie hätten sich doch per Internet bei seiner Behörde melden können. Per Internet? – Hat dieser Minister tatsächlich angenommen, die Flüchtlinge liefen auf der Straße mit Laptops herum? Hat er tatsächlich geglaubt, sie könnten sich die Gebührenzahlungen leisten in einem Internetcafé?

Diesem Zynismus setzt wohl nur noch die Krone auf, daß der Vizepräsident der EU-Kommission Margaritis Schinas, ebenfalls zuständig für die Asylpolitik in Griechenland, gleichzeitig „Kommissar für die Förderung des europäischen Lebensstils“ ist und zuständig für die „Gleichheit“ in Griechenland. Was für ein Europa ist das, was für ein Griechenland?

Von schlimmsten Vorfällen ist zudem zu berichten, was die Behandlung von Flüchtlingen betrifft, die von der Türkei aus versuchen, nach Griechenland zu gelangen. Mehr und mehr dementsprechende Informationen treffen beim Flüchtlingswerk der UNO ein, beim UNHCR, sowie bei der „Internationalen Organisation für Migration IOM“. Inzwischen verlangt sogar die EU Aufklärung darüber.

Diesen Berichten zufolge ist die griechische Küstenwache dazu übergegangen, Boote mit Geflüchteten an Bord durch gefährliche Manöver zum Abdrehen zu zwingen, bevor sie die griechischen Inseln erreichen könnten, ihnen die Außenbordmotoren abzunehmen und sie auf die türkische Seite der Seegrenze zurückzudrängen. Ein letzter Vorfall dieser Art wurde Mitte Juni von der Hilfsorganisation „Watch the Med“ der Öffentlichkeit mitgeteilt. Ich zitiere hier aus dem Bericht der „Griechenland Zeitung“ (GZ) vom 17. Juni des Jahres:

„Demnach saßen 36 Menschen aus Iran und Afghanistan, unter ihnen zehn Kinder und zehn Frauen, von denen drei schwanger sein sollen, mehr als 15 Stunden bei Lesbos in einem Schlauchboot fest, während die griechische wie auch die türkische Küstenwacht tatenlos zuschauten und behaupteten, die Geflüchteten befänden sich auf der jeweils anderen Seite der Grenze. Außenbordmotor und Benzintank waren entfernt worden, und ein Boot der griechischen Küstenwache kreuzte vor dem Schlauchboot, um es am Fortkommen zu hindern. Schließlich ruderten die Bootsinsassen mit den Händen so eindeutig in griechische Gewässer, dass der Küstenwache nichts anderes übrigblieb, als sie an Bord zu nehmen.“

Anzufügen ist nur noch, daß selbst der Direktor der europäischen „Grenzschutz“-Organisation Frontex, Patrice Leggeri, vor vier Wochen diese Praktiken gegenüber dem Europarlament ausdrücklich bestätigt hat: Migranten würden demzufolge auch mit schwimmenden Rettungsflößen wieder „zurückgeschoben“ in die internationalen Gewässer oder in die Gewässer der Türkei, selbst solche Flüchtlinge, die bereits auf den griechischen Inseln gelandet seien. Unglück ist steigerbar, Unrecht und Unmenschlichkeit auch. Und wieder einmal sehen wir sie Seit‘ an Seit‘ agieren: die Eurostaaten und das ultrakonservativ regierte Griechenland. Wißt Ihr davon aus ARD und ZDF? Lest Ihr was darüber in den bundesdeutschen Edelblättern wie ZEIT und FAZ? Oder gar in Eurer Regionalzeitung vor Ort?

Es gibt ein Beschweigen all dieser Geschehnisse, das kommt einer Mittäterschaft gleich.

Ich jedenfalls erneuere hiermit unseren Aufruf zur Hilfe für unsere Spendenaktion „Helfen wir den Menschen in Griechenland!“:

Wer uns Gelder für unsere Hilfe für Menschen in Griechenland zukommen lassen will, der überweise uns diese bitte unter dem Stichwort „GriechInnenhilfe“  auf das Konto:

Inhaber: IHW

IBAN: DE16 2605 0001 0056 0154 49

BIC: NOLADE21GOE

Wer eine Spendenbescheinigung benötigt – ab 201,- Euro erforderlich -, wende sich bitte an unseren Kassenwart Henry Royeck, entweder unter der Postanschrift Sültebecksbreite 14, 37075 Göttingen, oder unter der Mailadresse henryroyeck@web.de.

Mit herzlichen Grüßen und allen meinen guten Wünschen

Euer Holdger Platta

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