Zahlenzauber beim RKI

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Plötzlich zwei “Klassen” von Menschen erschaffen, eine davon massiv diskriminieren und staatlicherseits den Chor ihrer Beschimpfer auch noch selbst zu dirigieren – das ist an sich schon ein höchst fragwürdiger Vorgang. Normalerweise wird dies so begründet, dass man ja zu Recht diskriminiere, “die Zahlen” legten nahe, dass ein bestimmter Personenkreis andere ansteckt, gefährdet, die Intensivstationen verstopft. Nun hat es die “Genesenen” hart getroffen, die sich lange auf der sicheren Seite wähnten. Sie fanden sich quasi über Nacht zusammen mit Ungeimpften und Hunden “draußen” wieder. Der noch größere Skandal ist aber: “Die Zahlen” – jener Fetisch unserer Zeit – sagen gar nicht das aus, was führende Politiker aus ihnen herauszulesen meinen. Man braucht jedoch etwas Geduld und Scharfsinn, um hier den Durchblick zu behalten. Unser Autor ist der Sache auf den Grund gegangen. Vorsicht: Kann Spuren von Ironie enthalten. U.B. Kant

 

Es war eine große Überraschung, als das RKI plötzlich und unerwartet den Genesenenstatus von sechs Monaten auf drei Monate verkürzt hat. Einzelne Medien übten scharfe Kritik, vor allem da viele Menschen über Nacht, gänzlich ohne Vorwarnung, nicht mehr am öffentlichen Leben teilhaben durften. Aber wenn sich das Wissen in der Wissenschaft ändert, dann muss man auch die Maßnahmen daran anpassen.

Nachdem es Nachfragen gab, wie denn plötzlich der Sinneswandel gekommen sei, obwohl es bisher keinerlei Anzeichen für eine solche Anpassung gegeben hatte und beispielsweise in der Schweiz der Genesenenstatus erst kürzlich sogar auf ein ganzes Jahr verlängert wurde, reichte das RKI wenige Tage später wissenschaftliche Quellen für seine Entscheidung nach. Die Entscheidung basiert schließlich auf wissenschaftlichen Konsens, dem aktuellsten Stand der Forschung.

Das Robert-Koch-Institut versichert auf seiner Homepage, dass diese Vorgaben regelmäßig überprüft werden und sich gemäß dem Stand der Wissenschaft ändern können. Nicht müssen.

Tatsächlich gilt der Genesenenstatus allerdings gar keine drei Monate, wie teilweise berichtet wurde, sondern lediglich 90 Tage. Das allerdings auch erst 28 Tage nach der Infektion. Praktisch bleiben somit lediglich 62 Tage übrig, in denen man die wundervollen Vorteile der 2G-Welt auskosten kann.

Aber es hat schließlich alles Hand und Fuß. Deshalb hat das RKI auch drei beeindruckende Quellen für seine Entscheidung hinterlegt. Fangen wir von unten an – Quelle 3:

Da verweist das Robert-Koch-Institut doch glatt auf sich selbst. Man selbst weiß schließlich alles immer am besten. So verlinkt man auf das eigene Epidemiologische Bulletin und auf folgenden Hinweis der Stiko, die ebenso zum RKI gehört:

„Personen, die eine labordiagnostisch gesicherte SARS-CoV-2-Infektion durchgemacht haben, sollen bis auf weiteres eine einmalige COVID-19-Impstoffdosis im Abstand von mindestens 3 Monaten zur Infektion erhalten.“

“Bis auf weiteres” hört sich zumindest nicht sehr wissenschaftlich gesichert an. Ebenso ist “mindestens” ja doch eine ziemlich dehnbare Beschreibung, und hört sich doch eher so an, als sollte man sich auch nicht wirklich vor diesem Zeitraum impfen lassen. Wer sich zwei Jahre nach seiner Infektion impfen lässt, erfüllt die Empfehlung von “mindestens 3 Monaten” weiterhin.

Aber, so ist das in der Wissenschaft, das RKI beweist, dass es selbst sagt, dass man sich frühestens nach drei Monaten impfen kann. Entsprechend ist diese Quelle schon ziemlich aussagekräftig und reicht eigentlich schon aus, um die Anpassung der Regelung zu begründen.

Doch wie ist es so oft in der Wissenschaft, eine einzige Quelle, das würde nicht wirklich seriös wirken. Also gibt es noch zwei weitere Quellen. Da wir in Deutschland, bekanntermaßen, nicht sonderlich gut in der Erfassung und Auswertung von Corona-Daten sind, bezieht sich das RKI lieber auf unsere Freunde aus England. Obgleich die englische Regierung trotz ihrer Daten zu einer gänzlich anderen Einschätzung kommt und sogar die Maskenpflicht aufhebt, scheinen die Daten aus England zum Thema Genesung sehr gut zu sein. Also werfen wir einen Blick darauf.

In der zweiten Quelle bezieht sich das RKI auf die UK Health and Security Agency – quasi das englische RKI. Die haben schließlich am 14. Januar ihr 34. Technical briefing veröffentlicht, ein Dokument mit 36 Seiten. Aus welcher Seite das RKI seine Empfehlung abgeleitet hat, verrät es nicht, das ist in der Wissenschaft aber auch eher unüblich. Man verweist einfach auf ein seitenlanges Dokument, wer wird sich schon die Mühe machen und das im Detail lesen?

Vermutlich hat man sich auf die laufende SIREN Studie berufen, die ab Seite 25 im Detail beschrieben wird. In England wurden seit Juni 2020 bei tausenden Krankenhausmitarbeitern alle zwei Wochen PCR-Tests durchgeführt, um die Inzidenz in dieser Gruppe detailliert verfolgen zu können. Gezählt werden alle positiven Tests, unabhängig der Schwere der Erkrankung, ja, sogar unabhängig vom Vorhandensein von Symptomen.

Als genesen („prior infection“) gilt man in England, wenn seit dem PCR-Test mindestens drei Monate vergangen sind. Als Genesen gilt man auch, wenn seit der Infektion bereits 1,5 Jahre vergangen sind. Die Daten sind entsprechend eine Mischkalkulation aus unterschiedlich langen Genesungsdauern. Daraus kann generell nicht geschlossen werden, ob man sich nach 3, 6, 9 oder 12 Monaten wieder häufiger ansteckt. Aber wir schauen uns die Daten trotzdem noch etwas weiter an.

Auf Seite 28 findet sich eine detaillierte Übersicht über Omicron-Fälle, welche im Dezember 2021 dort aufgetreten sind:

 

 

Nimmt man also die Anzahl der Infektionen und teilt sie durch die jeweilige Anzahl der Teilnehmer, ergeben sich für den Dezember 2021 folgende Ansteckungsraten mit Omicron:

Nicht geimpfte, nicht genesene Menschen: 24% (21 von 87)
Nicht geimpfte, aber genesene Menschen: 14% (35 von 255)
Doppelt geimpfte, nicht genesene Menschen: 16% (182 von 1156)
Dreifach geimpfte, nicht genesene Menschen: 10% (937 von 9841)

Okay, daraus lässt sich tatsächlich schließen, dass genesene Menschen sich offensichtlich etwas häufiger anstecken als dreifach Geimpfte – aber seltener als doppelt Geimpfte. Man muss fairerweise aber hinzufügen, dass die Genesung bei diesen Menschen mindestens drei Monate bis zu 1,5 Jahren zurückliegt, während der Booster beim Großteil der Teilnehmer wohl nicht einmal drei Monate zurückliegt, so lange wird schließlich noch gar nicht geboostert.

Unabhängig davon, dass es schon fast skandalös ist, dass sich binnen eines Monats 10% der dreifach geimpften Teilnehmer ansteckten, stellt sich doch die Frage, warum doppelt geimpfte Menschen denn bessergestellt werden sollten als Genesene, stecken sich genesene Menschen doch deutlich seltener an. Und wie häufig steckt man sich wohl an, wenn der Booster mindestens drei Monate zurückliegt? Gibt es dann überhaupt noch einen messbaren Unterschied?

Offensichtlich steckt sich jeder an, genesene Menschen aber doch nicht ganz so oft wie vom RKI behauptet. In wie weit die Häufigkeit bei nicht geimpften Menschen repräsentativ ist, ist fraglich, war es doch mit Abstand die kleinste Gruppe.

Aber dazu können wir einen weiteren Blick auf die Daten der UK Health and Security Agency werfen, schließlich wird diese vom RKI als verlässliche Quelle verlinkt. Werfen wir also einen Blick auf den aktuellsten „Vaccine surveillance Report“ der UK Health and Security Agency, erschienen am selben Tag.

Bekannt ist, dass wir in Deutschland vom Großteil der Corona-Fälle den Impfstatus nicht kennen. Manche Behörden lasten dann gerne mal alle Infektionszahlen den nicht geimpften Mitbürgern an, obgleich gar keine Daten dafür vorliegen. In England ist man da deutlich besser unterwegs. Auf Seite 39 finden wir eine Übersicht über alle Corona-Fälle der Wochen 50-2021 bis 1-2022. Die Daten decken sich somit ausgesprochen gut mit den Daten der vorherigen Übersicht der SIREN Studie.

Betrachtet man die Daten für Erwachsene, kommt man zu folgendem Ergebnis:

Bei insgesamt 2,7 Millionen vorliegenden Infektionen in England ist der Impfstatus von 189.614 Menschen unbekannt. Das entspricht 7.1%. Entsprechend ist von 92.9% aller Fälle der Impfstatus bekannt, da kann das RKI wahrlich neidisch auf die Daten aus England blicken.

Von den 2,5 Millionen bekannten Infektionen waren 292.438 Menschen nicht geimpft, das entspricht 12,3%. 2,2 Millionen Menschen, die sich infiziert hatten, waren geimpft, der überwiegende Großteil mehr als zweifach. Das entspricht einem Anteil von 87,7% der Infektionen unter den Geimpften.

Auf Seite 41 findet man die Corona-Todesfälle in England:

Erneut neidische Blicke aus dem RKI – die Engländer kennen den Impfstatus von 99.2% aller Corona-Todesfälle. Nur bei 0.8% ist der Impfstatus unbekannt. Gemäß den Daten der UK Health und Security Agency sind in England 29% der Corona-Todesfälle nicht geimpft, während 71% aller Corona-Todesfälle geimpft war, hauptsächlich mindestens doppelt geimpft.

Aber wir schweifen vom Thema ab, wir wollten doch eigentlich wissen, warum Genesene jetzt nur noch 62 Tage statt bisher 6 Monate genesen sind. Und dafür werfen wir einen Blick auf die letzte Quelle, die das RKI auf seiner Homepage zur Rechtfertigung der Maßnahme angibt:

Es ist eine Studie, ebenfalls aus dem Vereinigten Königreich, welche das Hospitalisierungsrisiko in England im Falle einer Omicron-Infektion untersucht, veröffentlicht am 22.12.2021. Dort wurden alle Fälle in den ersten beiden Dezemberwochen untersucht, also wieder gut passend zu den Daten der vorherigen Berichte. Untersucht wurde speziell für Omicron, in wie weit eine vorherige Infektion oder eine Impfung konkret vor einer Hospitalisierung schützt.

Als Hospitalisierung wurden Krankenhausaufenthalte gezählt, die mindestens einen Tag dauerten. Also alle stationären Fälle, nicht beispielsweise beschränkt auf Intensivfälle.

“Using a hospital stay of 1+ days as the endpoint, the adjusted estimate of the relative risk of reinfections versus primary cases is 0.31, a 69% reduction in hospitalisation risk (Table 2).“

So schützt also eine früher durchgemachte Infektion, unabhängig davon wie lange diese Infektion her ist, zu 69% vor einem Krankenhausaufenthalt. Das ist eine beeindruckende Zahl, die Studie hat auch die Mitarbeiter des RKI offensichtlich so beeindruckt, dass sie diese gleich als Beleg dafür genutzt haben, um den Genesenenstatus entsprechend drastisch einzuschränken.

Auf Seite 8 werden die Daten übersichtlich aufbereitet, damit sich wirklich jeder selbst ein Bild über den Schutz vor einer Hospitalisierung durch Omicron machen kann:

Wir schauen uns erst einmal die „Uncorrected“ Daten an – also die tatsächlich aufgezeichneten Daten, ohne jegliche Anpassungen.

Als erste Gruppe betrachten wir die nicht geimpften Menschen – hier gab es 9585 Omicron Fälle, von welchen 56 im Krankenhaus behandelt werden mussten.

Unter den 9585 Fällen waren 18.6% Genesen, unter den Hospitalisierungen waren es 8.9%.

Daraus lässt sich folgendes Hospitalisierungsrisiko aufschlüsseln:

Nicht geimpfte, nicht genesene Menschen: 7802 Fälle, davon 51 Hospitalisierungen = 0,65%
Nicht geimpfte, genesene Menschen: 1783 Fälle, davon 5 Hospitalisierungen = 0,28%
Doppelt geimpfte, nicht genesene Menschen (Biontech): 19601 Fälle, davon 56 Hosp. = 0,29%
Dreifach geimpfte, nicht genesene Menschen (Biont.): 2270 Fälle, davon 10 Hosp. = 0,44%

Entsprechend hatten ungeimpfte, genesene Menschen das niedrigste Risiko für eine Hospitalisierung, vergleichbar mit doppelt geimpften, sogar deutlich niedriger als dreifach geimpfte Menschen.

Doch es gibt auch noch die „corrected“ Daten – hier haben die Studienautoren noch eigene Annahmen einfließen lassen – nämlich, dass es ja viele Menschen gibt, die sich unbekannt in der Vergangenheit bereits angesteckt hatten, also Genesen sind, obwohl sie es gar nicht wissen. Obgleich das nur Annahmen der Autoren sind, wollen wir diese nicht unterschlagen, schließlich hat das RKI diese als Quelle für ihre kürzlichen Anpassungen genannt.

Daraus ergeben sich dann folgende angepassten Daten:

Nicht geimpft, nicht genesen: 1,06% Hospitalisierungsquote
Nicht geimpft, genesen: 0,22% Hospitalisierungsquote
Doppelt geimpft, nicht genesen: 0,35% Hospitalisierungsquote
Dreifach geimpft, nicht genesen: 0,44% Hospitalisierungsquote

Hier scheint die Genesung noch bedeutend besser zu schützen. Aber solche Datenanpassungen sind trügerisch, sollten mit Vorsicht genossen werden. Es sind schließlich reine Mutmaßungen, die auch zu falschen Schlüssen führen können.

Die letzte Quelle des RKI besagt also, dass eine natürliche erworbene Immunität deutlich besser vor einer Hospitalisierung schützt als die Biontech Impfung.

Entsprechend hat das RKI in seiner Quellensammlung eindrucksvoll dargestellt:

Genesene, nicht geimpfte Menschen erkranken ähnlich oft wie geimpfte Menschen und erkranken am seltensten schwer. Da bleiben eigentlich kaum noch Zweifel an der Entscheidung des RKI, dass genesenen Menschen spätestens nach 62 Tagen die Teilnahme am öffentlichen Leben verboten werden sollte.

Generell bleiben keine Zweifel an all den Maßnahmen unserer Regierung. Die Impfung ist schließlich der einzige Weg aus der Pandemie. Die Zahlen belegen doch eindrucksvoll:

87,7% der Corona-Neuinfektionen sind von Geimpften, nur 12,3% von Ungeimpften. 71% der Todesfälle sind von Geimpften, selbst nach dem heiligen Booster infizieren sich noch 10% der Geimpften binnen nur eines Monats, und generell: Die Abweichungen der Infektionsraten zwischen Geimpften und Ungeimpften (zwischen 10%-20%), die Abweichungen der Hospitalisierungsraten (zwischen 0,6% und 0,2%) – rechtfertigt das überhaupt noch irgendwelche Maßnahmen?

Die englische Regierung, die wohl ihre eigenen Daten ebenfalls nutzt, um politische Entscheidungen zu treffen, hat sich jedenfalls bereits vor Monaten für einen Freedom Day entschieden. Trotz hoher Omicron-Infektionszahlen wird gar im Januar die Maskenpflicht abgeschafft. Nur in Deutschland geht das nicht. In Deutschland wollen wir lieber gemeinsam und solidarisch diejenigen ausgrenzen und diskriminieren, die Zweifel an der grenzenlosen Wirkung der Impfung haben.

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