Zum Fraport-Deal: Auflistung der Schäbigkeiten
53. Bericht zu unserer Spendenaktion „Helfen wir den Menschen in Griechenland!“Was machen eigentlich mittellose Menschen in einem inselreichen Land, wenn sie – vielleicht auf Verwandtenbesuch – einmal eine andere Insel besuchen wollen? Angewiesen auf Fähre oder Flugzeug, sind die hohen Preise, die sie dafür zahlen müssten, oft eine unüberwindliche Schranke, die sie auf ihrer Heimatinsel quasi gefangen hält. Eine von unzählingen unmenschlichen “Details”, mit denen sich Griechinnen und Griechen derzeit herumschlagen müssen. Im Mittelpunkt von Holdger Plattas zornigem Artikel steht aber vor allem die in wenigen Wochen anstehende “Übergabe” aller lukrativen griechischen Flughäfen an das deutsche Unternehmen Fraport. Alles Rosinen haben sich die Deutschen herausgepickt, und die ungenießbaren, verbrannten Stellen des “Kuchens” bleiben beim griechischen Staat, also beim Steuerzahler. Wagen es griechische Arbeiter z.B. gegen miese Arbeitsbedingungen zu streiken, so verlangt Fraport per Vertrag Schadensersatz von den Steuerzahlern; laufen die Geschäfte dagegen glatt, sacken die Cleverles aus dem herzlosen “Herzen Europas” das Geld allein ein. Holdger nennt diesen Skandal beim Namen: Neokolonialismus.
Liebe HdS-Leserinnen und liebe HdS-Leser,
bestimmt erinnert Ihr Euch: in der letzten Woche stellte ich eine griechisch-deutsche Gemeinschaftsaktion gegen die Wasserprivatisierung in Griechenland in den Mittelpunkt meines Berichts (hier noch einmal der Link, unter dem Ihr Euch an dieser Initiative beteiligen könnt: https://griechenlandsoli.com/2016/12/12/petition-unterschreiben-stoppt-die-wasserprivatisierung-in-griechenland/). Die Argumentation gegen solche Privatisierungen im Bereich der öffentlichen Daseinsvorsorge muss ich an dieser Stelle sicher nicht wiederholen. Wo es um derartig fundamentale Allgemeininteressen der Menschen geht, haben Profitinteressen schlicht nichts verloren. Doch dasselbe gilt selbstverständlich auch für andere Bereiche, und mit Sicherheit gehört auch die Gewährleistung von Luft-, Bahn- und Straßenverkehr zu den Pflichtaufgaben, die ein Staat, ein freier, ein demokratischer Staat, seinen Bürgern zu garantieren hat. Infrastruktur – der Erhalt von Straßen etwa, der Betrieb von öffentlichem Nahverkehr und Eisenbahn – sollte ebenfalls kein Tummelplatz kommerzieller Geldgier sein. In Griechenland, diesem Inselstaat, kommt hinzu: Aufrechterhaltung von Fähr- und Flugbetrieb, zu Preisen, die für die Menschen erschwinglich sind, zu Bedingungen, die alle Bürger (auch des Auslands übrigens) schützen vor zeitgenössischer Wegelagerei und modernisiertem Raubrittertum. Doch auch davon kann in Griechenland immer weniger die Rede sein, auch dieses wird dort mehr und mehr zur Disposition gestellt, von den Euro-Staaten (aber “selbstverständlich”!), auch im Bereich des Flughafenbetriebs reißen sich immer unverschämter ausländische Betreiber ganz Griechenland unter den Nagel. Davon soll heute vor allem die Rede sein.
Schon 2015 hatte ich darüber zu berichten gehabt: zu den Bedingungen, die Griechenland zu erfüllen hat, um weitere Kredite erhalten zu können, zählte am 12. Juli 2015 auch das Verscherbeln des eigenen Flughafennetzes. Und mittlerweile ist es so weit: in wenigen Wochen sollen 14 griechische Flughäfen ins Eigentum der bundesdeutschen Fraport übergehen (für 40 Jahre zunächst). Und daran ist gleich mehrerlei interessant und gleich mehrerlei skandalös:
Zunächst: von den rund 40 Flughäfen in Griechenland – nochmal: erforderlich für diesen Staat mitten im Mittelmeer, um auch auf kleinen Inseln Versorgung, Verkehr, Tourismus aufrechterhalten zu können – hat sich die bundesdeutsche Fraport “natürlich” die Gewinnbringer, die “Leckerbissen”, fürs eigene Geschäftemachen ausgesucht. Soll doch Griechenland selber auf den Verlustbetrieben sitzenbleiben! Konkret bedeutet das: alle Flughafenbetriebe, die bis dato Gewinne erwirtschafteten, sollen ins Eigentum der Fraport übergehen. Noch konkreter: die Flughäfen “selbstverständlich” von Athen und Thessaloniki, von Kreta, Rhodos und Korfu. Überall, wo es Großstädte gibt und Großbetrieb, überall, wo der Tourismus besonders gut funktioniert, sahnt nun die Fraport die Gewinne ab. Und ganz konkret gesagt (die entsprechende Wikipedia-Liste dazu liegt mir vor): sämtliche Flughäfen mit einer Mindestzahl von 300.000 Passagieren pro Jahr – anno 2003 war das – landeten auf der Begehrlichkeitsliste des Flughafenbetreibers aus Frankfurt am Main. Das soll einen Staat sanieren, das soll Bestandteil eines sogenannten „Hilfs“- oder gar „Rettungs“pakets sein? Die Verlustbetriebe, liebes Griechenland, bleiben selbstverständlich bei Euch, wir nehmen Euch nur, mit aller christlichen Demut, die Profitbringer ab! – Doch weiter im Text:
Handelt es sich bei dieser Maßnahme, bei diesem „Deal“, tatsächlich um „Privatisierung“ im klassischen Sinne (schon dieses wäre ja schlimm genug!)? – Nun, im vorliegenden Fall sieht die Sache anders und – ich meine, mit vielen Griechen und Volkswirtschaftlern – noch um einiges schlimmer aus. Was da passiert, ist irgendwie auch „Privatisierung“ – ich komme gleich noch darauf zurück –, vor allem aber stellt es den Teilverkauf Griechenlands an einen fremden Staat, an Deutschland, dar. Was bedeutet: „Kolonialisierung“ Griechenlands, das ist in diesem Falle der treffendere, der präzisere Begriff. Und dieses schlicht deshalb, weil die bundesdeutsche Fraport vor allem der öffentlichen Hand in Deutschland gehört. Anteilseigner bzw. Eigentümer der Fraport sind nämlich seit 2001 vor allem das Land Hessen, mit 31,94 Prozent, die Stadt Frankfurt am Main, mit 20,40 Prozent, und die Bundesrepublik Deutschland, mit 18,27 Prozent. Lediglich ein knappes Drittel der Eigentumsrechte an Fraport teilt sich auf sogenannten „Streubesitz“ auf, nämlich 29,39 Prozent, und lediglich dieses knappe Drittel legitimiert beim Fraport-Deal zum Teil den Begriff „Privatisierung“. Heißt: im Falle dieses Fraport-Deals kauft sich die Bundesrepublik Deutschland als Staat in Griechenland ein.
Und das heißt zweitens: abgesehen von läppischen Einkaufs- und jährlichen Abgabebeträgen – der ganze Einkaufsspaß kostete gerade mal 1,2 Milliarden Euro, an Konzessionsalmosen sollen gerade mal 22,9 Millionen Euro pro Jahr an Griechenland zurückfließen können –, wird also der Umsatzertrag, wird der Geschäftsgewinn aus diesen 14 Edelflughäfen ausschließlich nach Deutschland gehen. Nochmal: das alles soll, den Euro-Staaten zufolge, deklariertermaßen „Hilfe“ und „Rettung“ für Griechenland sein. Ich frage mich hingegen: gibt es, im Falle Griechenlands bzw. im Falle der Euro-Staaten-Politik gegenüber Griechenland, noch Grenzen für das Orwellsche „Neusprech“ (= alle Begriffe werden – aus ideologischen Gründen – bei ihrer Definition ins obrigkeitsfromme Gegenteil verkehrt)? Ausbeutung in neokolonialistischer Manier, das soll humanitärer Beistand sein? Wenn dieses der Fall ist, sollte man sofortest auch Monsanto heiligsprechen, zum Beispiel für seine famose Geschäftspolitik in Afrika!
Doch auch dieses sei noch angemerkt zum Fraport-Deal in Griechenland, und nun werfe ich, wenn man so will, auch noch einen Blick hinter die Kulissen dieses bundesdeutschen Supergeschäfts zulasten des drangsalierten Griechenlands: Wie sieht es eigentlich mit der Verteilung von Chancen und Risiken bei diesem Vertragsabschluss aus? Wie steht es um die Verteilung von Pflichten und Rechten bei diesem Geschäft, vor allem, wenn es um die Interessen der arbeitenden Menschen in Griechenland geht?
Ob Ihr es glaubt oder nicht, liebe HdS-Leserinnen und HdS-Leser, den folgenden Auszug aus einem Pressebericht entnahm ich keinem kleinen linksradikalen Blatt. Das folgende Langzitat entstammt vielmehr der „WirtschaftsWoche“ vom 3. November 2016, einer Zeitschrift aus dem Holtzbrinck-Konzern, und nicht einmal die halbkritischen Bewertungen dieses Fraport-Deals stammen von mir. – Hier also das staunenswert klare Zitat aus dem unternehmernahen Wirtschaftsmagazin:
„(…) der Vertrag, der der WirtschaftsWoche in Auszügen vorliegt, teilt Freud und Leid in sehr ungleichem Maße auf. So können sich Fraport und seine Miteigentümer, etwa das Land Hessen, über ein nahezu risikofreies Investment freuen. Möglich wird das, indem unzählige Risiken für den Betrieb der Flughäfen beim griechischen Staat und damit dem griechischen Steuerzahler verbleiben.
• So hat Fraport keine Verpflichtung, Flughafenmitarbeiter zu übernehmen. Für etwaige Kündigungsentschädigungen kommt laut Vertrag nicht Fraport auf, sondern der griechische Staat.
• Auch wenn Flughafenmitarbeiter bei Arbeitsunfällen verletzt oder getötet werden, muss nicht Fraport zahlen, sondern der griechische Staat.
• Gegen etwaige Risiken am Standort hat sich Fraport in dem Vertrag umfassend abgesichert: So hat Fraport bei Flugausfällen aus technischen Gründen oder wegen Streiks etwa Anspruch auf Entschädigung. Ebenfalls entschädigt wird Fraport, wenn dem Unternehmen aufgrund einer Gesetzesänderung zusätzliche Betriebskosten erwachsen.
• Wegen etwaig veralteter Maschinen an den Flughäfen ist Fraport ebenfalls frei von Risiken: Für Reparaturen oder den Ersatz alter Maschinen muss der griechische Staat aufkommen.
• Von zahlreichen Steuerabgaben ist Fraport in Griechenland weitgehend befreit. So muss das Frankfurter Unternehmen weder Steuern auf Immobilien zahlen, noch für die Abwasserentsorgung, Müllabfuhr oder kommunale Beleuchtung aufkommen.“
Ich frage mich – und hiermit Euch -: ist angesichts eines solchen Katalogs der Schäbigkeiten verwunderlich, dass der Linke Herbert Behrens diesen Vertrag als „Niederlage der Demokratie in Europa“ bezeichnet hat? Daß die OSYPA, die Gewerkschaft der zivilen Luftfahrt in Griechenland, von einem „nationalen Verbrechen“ sprach? Nun, Fraport hingegen war auch auf Nachfrage der WirtschaftsWoche“ fest überzeugt, „dass das Projekt der Privatisierung der 14 griechischen Regionalflughäfen für alle Beteiligten Vorteile und langfristigen Nutzen bringen wird“. Bei diesem Satz ist nicht nur das schlechte Deutsch zum Kotzen, man verzeihe mir meine Offenheit.
Liebe HdS-Leserinnen und HdS-Leser, abschließend für heute noch kurz das Spendenergebnis der vergangenen Woche: 520,- Euro gingen an weiteren Hilfsgeldern auf unserem Konto ein (Vorwoche 650,- Euro), überwiesen an uns von 5 SpenderInnen (Vorwoche 7). Wir danken Euch sehr und sparen zunächst weiter das Geld für die kommende Hilfsfahrt nach Griechenland an. Und hier, wie immer zum Schluss, die üblichen Hinweise:
Wer uns bei unserer Hilfe für Menschen in Griechenland unterstützen will, unter dem Stichwort „GriechInnenhilfe“, und wer auch uns Akteuren wieder mal mit Organisationsgeldern helfen will (dann bitte unter dem Stichwort „HDS“), der überweise uns bitte Spendengelder auf das folgende Konto:
Inhaber: IHW
IBAN: DE16 2605 0001 0056 0154 49
BIC: NOLADE21GOE
Und hier nochmal die Kontaktdaten von Peter Latuska, an den Ihr Euch wenden könnt, wenn Ihr Patenschaften übernehmen wollt oder eine Spendenbescheinigung benötigt (für Spendenbeträge bis 200,- Euro genügt fürs Einreichen beim Finanzamt Kopie oder Original Eurer entsprechenden Kontoauszuges):
Peter Latuska
Theodor Heuss Str. 14
37075 Göttingen
Email: latuskalatuska@web.de
Mit herzlichen Grüßen
Euer Holdger Platta