Vertrauen heilt

 In FEATURED, Monika Herz, Spiritualität

Monika Herz

Ein gewisses Misstrauen ist angebracht und sogar „gesund“, wenn es darum geht, die Parolen politischer Parteien oder die Sinnangebote der Religionen zu bewerten. In einem Punkt allerdings ist Vertrauen unabdingbar: Wollen wir von körperlichen oder psychischen Erkrankungen geheilt werden, müssen wir ein positive Einstellung zur Möglichkeit der Heilung aufbringen und auch zur Heilerin oder zum Heiler – mag es sich dabei um einen Schulmediziner, einen Naturheilkundler oder spirituellen Heiler handeln. Wir müssen ihm/ihr und auch unseren Selbstheilungskräften zu-trauen, eine Wirkung zu entfalten. Das schließt nicht aus, dass wir auf dem Weg zum Vertrauen unsere Zweifel durchwandern. Monika Herz, Heilerin mit eigener Praxis, erzählt in diesem Auszug aus ihrem Buch „Sei still meine Herz, die Bäume beten“, wie man im Sinne des Weisen Lao Tse Vertrauen vermehren kann. (Monika Herz)

Muss eine Patientin fest daran glauben, dass spirituelles Heilen hilft? Ich kannte einen alten Heiler, der sagte zu Beginn seiner Gebets-Behandlung ausdrücklich: „Du musst nichts glauben! Es wirkt auch, wenn du nichts glaubst. Es reicht, dass du gekommen bist.“ An dieser Aussage ist natürlich was dran. Wenn nicht wenigstens ein Funke Vertrauen in das geistige Heilen vorhanden ist, wird man schwerlich den Weg in eine Praxis für Geistiges geistiges Heilen finden.

Ein Patient erzählte mir einmal von einer längst verstorbenen Heilerin in seiner ehemaligen Nachbarschaft, die er als kleiner Bub oft besucht hatte und der er bei der Heilarbeit zuschauen durfte. Sie legte einfach nur die Hände auf und betete. Diese Heilerin habe oft zu den Leuten gesagt, wenn diese ihre Gebrechen schilderten: „Das bildest du dir nur ein!“ Er selbst habe sich über diesen Satz sehr gewundert, aber aus unerklärlichen Gründen wären seine Schmerzen (wenn ihn der Vater wieder einmal stark misshandelt hatte) oft auf dem Heimweg verschwunden, so als hätte er sich das Ganze tatsächlich nur eingebildet gehabt.

Georg Lory, mein Lehrer in Sachen Gebetsheilung, sagte zu mir: „ Die Leute kommen zu uns, weil sie jemanden brauchen, der fest an die Kraft Gottes und an die Wirkung von Gebeten glaubt. Wenn du selber aber nicht wirklich und ohne Zweifel daran glaubst, dass deine Gebete helfen und dass Gott uns hilft und durch uns wirkt, wie soll das dann funktionieren?“

Ich bin diesbezüglich immer noch ein etwas zwiespältiger Mensch. Ein Teil von mir hat intuitiv ein ganz tiefes und unerschütterliches Vertrauen. Dieser Teil von mir kann sich bedenkenlos hingeben und glaubt unerschütterlich an das Gute und daran, dass es Kräfte jenseits der uns bekannten Dimensionen gibt, die in und durch uns wirken, auch wenn wir sie nicht verstehen. Ein anderer Teil von mir, der intellektuelle „kluge“ Teil, der zweifelt oft sehr lange, braucht ausführliche Erklärungen und muss mittels Logik und mit Beweisen überzeugt werden. Beide Teile sind mir teuer.

Würde die „Zweiflerin“ in mir nicht existieren, dann wäre ich vermutlich ein leichtes Opfer von Scharlatanerie. Der Zweifel hilft mir auch dabei, mich von vermeintlich sicheren Erklärungen nicht mundtot machen zu lassen. Zweifeln hilft auch, das eigene Denken flexibel zu erhalten und immer wieder von Neuem nach noch besseren Lösungen zu suchen. Andererseits muss ich aufpassen, dass dieser Anteil nicht übermächtig wird und in mir zur notorischen Zweiflerin mutiert. Das würde dann nämlich das „intuitiv gläubige und fromme Kind“ in mir sehr stören, dieses Kind, das mir heilig ist, weil es mir Welten erschließt, die mein Verstand ablehnen würde, wenn er allein das Sagen hätte.

Meine Zen-Meisterin sagte einmal zum Thema Zweifeln sinngemäß: „Wenn wir eine Entscheidung zu treffen haben, dann ist es gut, vorher ausgiebig zu zweifeln und alle möglichen positiven und negativen Konsequenzen zu überdenken. Wenn wir dann aber schließlich zu einer Entscheidung gefunden haben, dann sollten wir aufhören zu zweifeln! Leider machen es viele Menschen umgekehrt. Sie treffen zuerst eine Entscheidung und zweifeln danach die Entscheidung immer wieder an.“

Wenn Sie sich also zum geistigen Heilen hingezogen fühlen, dann zweifeln Sie ruhig zunächst einmal. Wenn Sie aber nach reiflicher Überlegung die Entscheidung getroffen haben, das geistige Heilen für sich anzuwenden, dann lassen Sie den Zweifel bitte ruhen und beginnen Sie, dem „Großen Geist“ zu vertrauen, so gut Sie können.

Wenn wir uns selbst und anderen Wesen mit Gebeten und Meditation helfen wollen, dann brauchen wir also Vertrauen. Wenn wir in etwas Abstraktes wie „Gott“ oder die „Buddha-Natur“ unser Vertrauen setzen, dann ist das einerseits einfach, weil wir alle positiven und vertrauenswürdigen Eigenschaften in Gott oder die Buddha-Natur verlagern können. Andererseits ist es schwierig, weil das Abstrakte nichts „Wirkliches“ ist, nichts zum Anfassen, nichts objektiv Überprüfbares. Wenn wir unser Vertrauen dagegen in eine echte Person setzen und dabei alle für uns erstrebenswerten positiven Eigenschaften in diese Person hinein verlagern, dann können wir uns erst einmal sehr glücklich schätzen, dass wir eine solche Person gefunden haben. Sollte sich herausstellen, dass diese Person nicht allen unseren Ansprüchen gerecht wird? Wenn die spirituelle Meisterin womöglich gelegentlich Zigaretten raucht oder Wein trinkt? Oder wenn wir meinen, sie würde diejenigen Schülerinnen, die Geld und Rang und Namen haben, bevorzugen? Was geschieht dann mit unserem Vertrauen?

Vielleicht tun wir gut daran, uns bei dieser schwierigen Frage an einen uralten Meister halten, an Lao Tse, dessen Worte uns noch heute eine gute Richtung zu weisen vermögen:

Der Weise macht sich keine Sorgen
um sein eigenes Leben;
er macht sich die Bedürfnisse
der Menschen zu eigen.

Ich bin gut zu denen,
die gut sind,
aber ich bin auch gut zu denen,
die nicht gut sind,
denn so vermehre ich die Güte.

Ich vertraue den Menschen,
die vertrauensvoll sind,
und ich vertraue den Menschen,
die nicht vertrauensvoll sind,
denn so vermehre ich das Vertrauen.

Der Weise hält sich zurück
und ist bescheiden in dieser Welt.
Man sieht ihn, man hört ihn,
und er behandelt alle Menschen wie Kinder.

(Lao Tse: Tao-Te-King, Diogenes Verlag, Vers 49)

„… denn so vermehre ich das Vertrauen.“ Vertrauen ist eine Einstellung des eigenen Geistes, eine Methode, um Heilsames in der Welt zu bewirken. Gerade im Moment fällt mir beim Schreiben eine kleine Episode aus meiner Kindheit ein. Wir hatten Besuch von Verwandten, die zwei Töchter mitbrachten. Die jüngere der beiden Töchter war ausgesprochen hübsch und wurde allseits bewundert, weil sie so niedlich aussah. Beim Spielen stellte ich ihr plötzlich ein Bein, sie fiel hin und weinte. Ich war selbst erschrocken darüber, was ich da getan hatte, denn ich mochte das Mädchen ja auch. Der Vater der Kleinen hatte gesehen, dass ich ihr ein Bein gestellt hatte, und klagte mich an. Meine Mutter aber sagte im Brustton der Überzeugung: „Die Monika tut so etwas nicht!“ In meiner Verzweiflung beteuerte ich auch noch, ich hätte nichts Schlimmes getan, und hatte wegen der Lüge noch zusätzlich ein schlechtes Gewissen. Ich erinnere mich sogar daran, dass beim Lügen irgendwie alles in mir in Aufruhr geriet, es war so ein komisches Gefühl von innerlichem Durcheinanderwirbeln. Die Kleine beruhigte sich dann schnell, und wir spielten wieder einträchtig miteinander.

Aber noch heute kann ich mich daran erinnern, dass meine Mutter an das Gute in mir geglaubt hatte, obwohl ich es gar nicht verdient hatte. „Die Monika tut so etwas nicht!“ Ich glaube, ich habe von da an nie mehr wieder einem anderen Kind aus Eifersucht ein Bein gestellt. Ich war damals übrigens so jung, dass ich das Wort „Eifersucht“ noch nicht einmal kannte.

Zusammenfassend möchte ich in Bezug auf das Thema Vertrauen sagen:

Eine Heilerin übt sich darin, Vertrauen in spirituelle Kräfte zu setzen, ob diese nun Gott oder Buddha-Geist oder anders genannt werden. Sie lernt, diese Kräfte in sich selbst und zugleich über sich selbst hinausreichend zu erkennen und anzuwenden. Eine Heilerin strebt danach, eine vertrauenswürdige Person zu sein. Zugleich wird sie die Heilkraft als Selbstheilungskraft, als das Göttliche und die Buddha-Natur in ihren Patientinnen wahrnehmen und daran glauben, dass diese sich entfalten werden. Das ist die Vertrauensübung der Heilerin.

Eine Heilung Suchende übt sich darin, wenigstens ein kleines bisschen Zutrauen in die Kraft des Geistes zu fassen, die alles vermag, die ganze Galaxien entstehen und vergehen lässt und stets unzählige Möglichkeiten offenlässt. Die Suchende vertraut fest darauf, dass diese Kraft in ihr selbst zu finden ist und aktiviert werden kann. Zugleich gilt es, Vertrauen in eine andere Person, nämlich in die Heilerin zu setzen, selbst dann, wenn diese in ihrem Charakter nicht ganz so perfekt und unfehlbar sein sollte, wie es wünschenswert wäre. Wir sind ja alle in Entwicklung. Das ist die Vertrauensübung der Heilung Suchenden.

Mit einer solchen Grundeinstellung ist Raum für Heilung, wie auch immer sie geschieht. Wenn die Arbeit getan und Heilung geglückt ist, dann wird es so scheinen, als wäre dies ganz von allein geschehen.

Buchtipp: Monika Herz, „Sei still mein Herz, die Bäume beten“, Nymphenburger Verlag, 144 Seiten, 14 Euro

Einen Kommentar hinterlassen

Beginnen Sie mit der Eingabe und drücken Sie Enter, um zu suchen