70 Milliarden Euro-Hilfe für Griechenland: aber für wen eigentlich?

 In FEATURED, GRIECHENLAND, Holdger Platta, Über diese Seite

230. Bericht zu unserer Spendenaktion „Helfen wir den Menschen in Griechenland!“ Meine Sache ist überhaupt nicht, Nachrichten zu verschweigen, die womöglich positiv für Griechenland sind. Aber was hat es tatsächlich mit diesen positiven Nachrichten auf sich? Wem sollen da immense Hilfsgelder, von denen urplötzlich die Rede ist, zugutekommen? Auffällt jedenfalls: dazu schweigt sich die Presse aus. Grund genug, dass zumindest wir hinweisen wollen auf Informationslücken, die zu beklagen sind. Holdger Platta

Liebe HdS-Leserinnen und liebe HdS-Leser,

sagen wir es so: dass ich in meinem letzten Bericht – gleichsam mit Euch gemeinsam – auf fünf Jahre GriechInnenhilfe zurückzublicken versuchte, hat während der Zeit danach durchaus zu einem guten neuen Spendenergebnis geführt. Überwiesen von 6 LeserInnen unter Euch gingen 640,- Euro auf unserem Konto für diese Spendenaktion ein (allerdings deutlich übertroffen von dem Hilfsergebnis in der Woche davor: 8 SpenderInnen hatten da 1.125,- Euro für unsere Aktivitäten auf unserem Spendenkonto eingezahlt).

Natürlich danke ich auch dieses Mal im Namen des gesamten Organisationsteams den UnterstützerInnen sehr! Wobei auch wir nicht aus den Augen verlieren, dass die Folgen der Covid-19-Bekämpfung vielen von Euch ganz stark zusetzen, gerade auch materiell.

Auf knapp 2.000,- Euro ist unser Hilfsfonds für die notleidenden Menschen in Griechenland wieder angestiegen – und damit auch die Chance gewachsen, verarmten GriechInnen helfen zu können, die wir bei unseren letzten Aktionen erst einmal beiseitelassen mussten. Wie schmerzlich das für uns war und immer noch ist, schrieb ich ja ebenfalls in meinem Fünf-Jahres-Rückblick. Zumindest ein Stück weit werden wir das in den nächsten Tagen und Wochen korrigieren können. Ich werde Euch darüber berichten.

Generell hat sich die Lage in Griechenland während der Zwischenzeit natürlich nicht verbessert – mit einem einzigen Lichtblick, über den ich Euch abschließend noch informieren werde.

Im Mittelpunkt steht selbstverständlich auch in diesem beliebten Ferienland bis auf weiteres das Krisenmanagement, das dieses Groß-Ereignis mit der Benennung „Corona-Epidemie“ mit sich gebracht hat.

Nach den Rekordzahlen aus dem Vorjahr im Tourismusbereich hat – soll ich sagen: selbstverständlich? – das Geschehen um die sogenannte „Corona-Krise“ herum auch in diesem östlichen Mittelmeerstaat den Fremdenverkehr fast völlig zum Erliegen gebracht. Im Mai dieses Jahres (neuere Angaben liegen noch nicht vor) sind die Urlauberzahlen um 97,7 Prozent zurückgegangen, die Einnahmen im Tourismusbereich sogar um 99,2 Prozent – dies jedenfalls die offiziellen Zahlen der Bank von Griechenland. Fast kann man also sagen: zumindest ausländischer Tourismus fand in Griechenland während des Mais 2020 nicht mehr statt. Wobei ich an dieser Stelle hinzufügen möchte: ein Tourismus, der ohnehin zu großen Teilen lediglich den internationalen Tourismusunternehmen und Hotelketten zugutekam. Über die Niedriglöhne, über den Charakter der Saisonarbeit in diesem Wirtschaftssektor habe ich ja bereits in den Vorjahren immer wieder berichten müssen. Griechische Arbeitskräfte hatten ohnehin nur wenig davon.

Vermutlich auch aus diesem Grund ist in Griechenland die Arbeitslosigkeit – ich spreche hier von der registrierten Arbeitslosigkeit – erneut stark angestiegen. Laut der staatseigenen Statistikbehörde ELSTAT stieg die „saisonal bereinigte“ Arbeitslosenquote im Mai dieses Jahres auf 17 Prozent insgesamt an (die Vergleichszahl aus dem März 2020, zu Beginn des Corona-Geschehens, lag noch bei 14,5 Prozent). Vor dem Hintergrund der nach wie vor desolaten Sozialhilfesituation in Griechenland wiederum also eine brachiale Verschlimmerung der Katastrophenlage für Millionen Menschen in diesem gepeinigten Land.

Damit, so ebenfalls dieselbe Staatsbehörde ELSTAT, liegen wirtschaftliche Ungleichheit und Armutsrisiko in Griechenland immer noch „weit höher als in anderen westeuropäischen Ländern“ (so die „Griechenland Zeitung“, GZ, vom 22. Juli dieses Jahres) – die neuesten Entwicklungen nach 2018 sind bei dieser Angabe noch nicht einmal erfasst!

Uns nichtgriechische Beobachter aus dem Ausland geben dabei die neuesten Umfrageergebnisse, was das Parteien-Ranking in Hellas betrifft, immer wieder neue Rätsel auf. So teilt die GZ in ebenderselben Ausgabe vom 22. Juli des Jahres mit, dass die „Nea Dimokratia“ (ND), die Partei des ultrakonservativen Premierministers Kyriakos Mitsotakis, bei neuesten Umfrageergebnissen weit vor der SYRIZA rangiert (von den anderen Parteien in Griechenland ganz zu schweigen).

Einer Erhebung des Meinungsforschungsinstitutes „Marc“ zufolge (vom 16. Juli des Jahres) würde bei Parlamentswahlen jetzt die ND mit 41,6 Prozent aller Stimmen rechnen dürfen, die SYRIZA lediglich mit 20,4 Prozent. Selbst vier von zehn SYRIZA-Wählern sollen nach dieser Umfrage mit der Arbeit des ND-Chefs Mitsotakis „zufrieden“ sein. 58,1 Prozent aller griechischen WählerInnen würden bei Direktwahl für den Ultrakonservativen votieren, nur 24,8 Prozent für SYRIZA-Chef Alexis Tsipras.

Nicht auszuschließen ist, dass dabei ein Beschluss der Staats- und Regierungschefs in Brüssel eine Rolle gespielt hat, verabschiedet auf einem Treffen vor knapp vierzehn Tagen dort, bei dem auch Kyriakos Mitsotakis zugegen war. Demzufolge sollen – aufgrund der „Corona-Pandemie“ – 70 Milliarden Euro an „EU-Aufbauhilfe“ nach Griechenland fließen, darunter 19 Milliarden Euro als „Zuschüsse“ sowie 12,5 Milliarden Euro als „Kredite“.

Von meiner Seite sei allerdings angemerkt: wofür und/oder für wen diese Gelder in Griechenland ausgegeben werden sollen, dazu kein Wort in dem dies betreffenden GZ-Bericht vom 29. Juli des Jahres! „Prinzip“ Hoffnung“ also in der Gestalt eines blinden Vertrauensvorschusses?

Alle bisherigen Erfahrungen mit der Mitsotakis-Politik lassen jedenfalls nicht vermuten, dass dieser Geldbetrag von 70 Milliarden Euro dem ärmsten Bevölkerungsdrittel in Griechenland zugutekommen wird oder auch “nur” der Sanierung des kaputtreglementierten griechischen Gesundheitssystems. Zu befürchten ist mithin, dass den von uns betreuten Menschen diese gigantische Auslandshilfe nicht helfen wird: weder der arbeitslosen Panagiota K. mit ihren drei Töchtern noch Laura, die ganz dringend neue, sehr teure, Gehhilfen benötigt, weder dem arbeitslosen Schauspieler Alexander aus Athen, der immer noch auf seine erste Pensionszahlung wartet, seit fast einem Jahr schon, noch den Geschwistern Andreas und Dionysis, deren einer eine neue Gaumenspange benötigt und deren anderer ununterbrochen auf eine teure Spezialdiät angewiesen ist.

Sprach ich zu Beginn meines Berichtes von einem „Lichtblick“ für Griechenland? – Stimmt! – Aber es fragt sich halt: „Lichtblick“ für wen? Ich jedenfalls gebe zu, dass ich den Optimismus, der in den exzellenten Umfrageergebnissen für Kyriakos Mitsotakis zum Ausdruck kommt, nicht einmal im Ansatz teilen kann. Fünf Jahre GriechInnenhilfe haben uns das Gegenteil gelehrt. Und auch nach Entgegennahme solcher Nachrichten mit 70-Milliarden-Euro-Wert stellt sich bei mir keinerlei Zuversicht ein. Deshalb also:

Helfen wir weiter den Menschen in Griechenland, und helfen wir genau jenen Menschen weiter, an denen bisher alle „Staatshilfen“ mit unerbittlicher Konsequenz vorbeigegangen sind!

Weshalb ich auch wieder bei  meinem Spendenaufruf bin:

Wer uns Gelder für unsere Hilfe für Menschen in Griechenland zukommen lassen will, der überweise uns diese bitte unter dem Stichwort „GriechInnenhilfe“  auf das Konto:

Inhaber: IHW

IBAN: DE16 2605 0001 0056 0154 49

BIC: NOLADE21GOE

Wer eine Spendenbescheinigung benötigt – ab 201,- Euro erforderlich –, wende sich bitte an unseren Kassenwart Henry Royeck, entweder unter der Postanschrift Sültebecksbreite 14, 37075 Göttingen, oder unter der Mailadresse henryroyeck@web.de.

Mit herzlichen Grüßen und allen meinen guten Wünschen

Euer Holdger Platta

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