Einstieg in den Ausstieg – Eine persönliche Bestandsaufnahme

 In FEATURED, Jens Fischer Rodrian, Kultur, Medien, Poesie

Der Liedermacher, Komponist und Gitarrist Jens Fischer Rodrian verlässt Facebook und andere „soziale“ Medien. Die Gründe: u.a. Zensur und Zusammenarbeit mit „unappetitlichen“ Konzernen. Auszusteigen, auch wenn es in gewisser Weise Verzicht bedeutet, ist ein Schritt hin zu mehr Unabhängigkeit – von einengenden Gewohnheiten und Scheinbedürfnissen, von Verbindungen mit Global Playern, mit denen kritische Menschen eigentlich nicht verbunden sein sollten. Der Autor bettet das Thema Ausstieg in einen größeren Zusammenhang ein. Er mahnt zu recht, dass wichtige Themen wie Krieg, Ausbeutung und Umweltzerstörung über  Corona nicht vergessen werden sollten. Und er fügt nachdenkliche „Poetry“ an. Jens Fischer RodrianImmer wieder sehne ich mich nach radikalen Veränderungen, um zu sehen, was passiert, wenn man sich von alten Gewohnheiten trennt.

Das Fasten, das ich vor fast drei Jahrzenten für mich entdeckt habe und immer wieder in unterschiedlichster Form anwende, war in der Hinsicht ein erster Versuch.

Der Einstieg in die vegetarische Ernährung folgte wenig später.

Kleine Herausforderungen, wie der Verzicht auf Alkohol für Monate oder auf die geliebte Zigarette für Jahre, sind kleine Wegbegleiter derselben Idee, um schleichenden Abhängigkeiten entgegen zu wirken.

Schon seit längerem steht der Verzicht auf alle „Zuckerbergplattformen“ an.

Ich möchte den potenziellen Nutzen dieser digitalen Dienste gar nicht klein reden. Für Künstler, die sich selbst promoten müssen, sind FB und Instagram oft hilfreich, so auch für mich – dachte ich. Die Frage, ob es dazu Alternativen gibt, habe ich mir in den letzten Jahren zu selten gestellt. Da genau diese Plattformen Zensur betreiben und mit einigen der unappetitlichsten Konzerne kooperieren, fiel die Entscheidung nicht schwer.

Corona bringt die hässlichsten Gesichter unserer bestehenden „Ordnung“ zum Vorschein.

Wie sehr die sozialen Medien zu den „Global Playern“ gehören und kritische Stimmen immer wieder mundtot zu machen versuchen, wird gerade jetzt deutlicher denn je. Auch YOUTUBE löscht zur Zeit ohne mit der Wimper zu zucken Beiträge, die nicht ins derzeitige Weltbild der Pharma-bzw. Tech-Industrie und der politisch Verantwortlichen passen.

Ich hoffe, dass sich diese Plattformen bald wieder Ihrer demokratischen Verpflichtung bewusst werden und Meinungsvielfalt uneingeschränkt zulassen.

Hier mein letzter Post, FACEBOOK Eintrag vom 24.10.20.

„Am 31.10.20 lösche ich all meine Profile auf FB, Instagram, Messanger und Whats App.

Klingt dramatisch, ist es aber nicht, kaum einer wird es merken.

Wenn Ihr mit mir in Kontakt bleiben wollt, auf wahnundsinn.com findet Ihr unter BLOG meine Essays, die musikalischen Stücke unter MUSIK und die lyrische Beiträge unter TEXTE. Wann ich mit meinem Soloabend in Eurer Nähe bin erfahrt ihr unter LIVE.      

Abgesehen davon arbeite ich weiter mit den Magazinen „Hinter den Schlagzeilen“ und „Club der klaren Worte“ zusammen.

Es ist nicht leicht, im digitalen Dschungel die geistige Hygiene zu bewahren. Der kritische Leser wird völlig berechtigt bemerken, dass man dann aber unbedingt bei YOUTUBE aussteigen müsse, denn auch da findet täglich Verunglimpfung und Zensur statt. Die Trennung von allen „Zuckerbergplattformen“ und von AMAZON ist nur ein erster Schritt.

Mir war und ist es ein Anliegen, in kontroversen Debatten fair zu bleiben. Falls ich dennoch dem einen oder anderen durch meine Haltung oder Kommentare zu Nahe getreten sein sollte, so geschah dies ohne Absicht und ich bitte das zu entschuldigen.

Danke für die vielen, klugen, oft kontroversen Debatten, die, wenn sie fair bleiben, immer eine Bereicherung sind. Auf die ein oder andere Beschimpfung oder Verurteilung hätte ich verzichten können, aber das Leben ist kein Wunschkonzert.

Neben der unbedingten Notwendigkeit, alle Details zur aktuellen Krise, sowohl auf wissenschaftlicher wie auch auf politischer Ebene, lückenlos aufzuklären, möchte ich mein Appell wiederholen, die wichtigen Themen nicht aus dem Auge zu verlieren, die schon vor März 2020 das Weltgeschehen mitbestimmt haben und seit Monaten medial nur noch eine untergeordnete Rolle spielen.

Dazu gehören neben Stellvertreterkriegen (wie aktuell im Jemen), vom Westen mitverursachte Flüchtlingskrisen, eine dringende Umkehr in der Umweltpolitik, die Ausbeutung vieler Länder (um unseren Wohlstand zu sichern) auch der Umgang mit investigativem Journalismus. Gern mahnen europäische Regierungen und Medien, dass Länder wie Russland oder China die Pressefreiheit mit Füssen treten, woran nichts klein zu reden ist. Trotzdem darf nicht unerwähnt bleiben, dass der Umgang mit Journalisten wie Julian Assange exemplarisch zeigt, wie ein Großteil westlicher Demokratien wirklich zu den Menschen steht, die um eine ernsthafte Aufklärung von Missständen bemüht sind. Der Fall Assange ist einer Demokratie in höchstem Maße unwürdig und zeigt einmal mehr, wie sehr wir vor der eigenen Haustür kehren sollten, anstatt mit erhobenem Zeigefinger auf andere Länder zu verweisen.

Ich wünsche uns allen, dass wir in den kommenden Jahren den kritisch fragenden Geist in uns hören, wenn er sich meldet und durch die gewonnenen Einsichten, durch Achtsamkeit und Toleranz, als Gesellschaft wieder zueinander finden werden.

Alles Liebe Euch – Jens“

 

Gleich zu Beginn der ersten Auftritte (2017) meiner  Konzertlesung WAHN & SINN  hatte ich ein Slam Poetry Text geschrieben,  der heute immer noch Teil meines Programms ist und gut zu dem „Einstieg in den Ausstieg“ passt.

 

Auflösung

Menschen kommen und gehen wieder
Und kommen doch wieder, so die Buddhisten
kommen in den Himmel, so die Monotheisten
reisen weiter, so die Atheisten
oder lösen sich auf, so die Nihilisten

Nichts bleibt so wie es war
und trotzdem macht ein Teil von uns so weiter
als ob die letzten Monate, Jahre,
Jahrhunderte nicht gewesen wären

Wir verdrängen um zu überleben
wir übersehen, weil es bequemer ist
wir überleben, weil es immer so war
in dem kurzen Zeitraum, in dem der Mensch die Erde belästigt

Vielleicht ist am Ende alles nur eine Illusion
wenn man den Physikern glauben darf gibt es Materie nicht
also auch uns nicht

Das hieße, dass uns jede Form der Auflösung egal sein dürfte
wenn zum Schluss der endlose Fall bevor steht
den wir gar nicht mit bekommen, weil es uns ja nicht gibt

Und wenn doch, dann nur für so kurze Zeit
das es vermessen, arrogant und vor allem albern ist
wie sehr wir den eigenen Nabel pudern und glauben,
dass das, was wir erschaffen, erdenken oder tun je von Bedeutung sein könnte

Kein Tier oder Baum wird uns je vermissen

Das zu ändern wäre die schönste Aufgabe hier
aber statt dessen machen wir uns die Erde zum Feind
zerstören das was uns nicht gehört
bereiten unser eigenes Begräbnis vor
und schreiben ein Requiem nach dem anderen

Was nützt uns der Verstand, wenn wir nicht wirklich verstehen
wenn wir am Ende jeden gegen uns aufgebracht haben – auch Gott
den wir so fürchten, wegen dem wir in die Schlachten ziehen
anstatt ihn in jedem Tier, jedem Baum, in uns selbst zu erkennen

Ob sich das jemals ändern wird?

(Ich glaube kaum und bleibe optimistisch.)

Anzeigen von 2 Kommentaren
  • A.K.
    Antworten
    Sehr schön!

    Lieben Dank!

  • c.g.
    Antworten
    chapeau, ich denke, nur so geht es.

    ich hoffe, dass es ihnen viele nachmachen.

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