Hannes Wader: Die Moorsoldaten
„Hier in dieser öden Heide/ Ist das Lager aufgebaut,/ Wo wir fern von jeder Freude/
Hinter Stacheldraht verstaut.“ Dieses Lied wurde zu Recht schon deshalb berühmt, weil darin KZ-Insassen der 30er-Jahre unmittelbar zu uns sprechen. Häftlinge des Konzentrationslagers Börgermoor sollen es geschrieben haben. Tatsächlich wurde das Lied von Gefangenen im Lager uraufgeführt. Wärter sangen mit, bevor es dann – was wenig überrascht – verboten wurde. Die „Moorsoldaten“ erlangten Berühmtheit weit über Deuschland hinaus. Es gibt unzählige Versionen in verschiedenen Sprachen. Natürlich ist Hannes Wader, sehr interessiert an traditionellem Liedgut, der ideale Sänger dafür.
Die SS hat unter Androhung schwerster Bestrafung das Singen dieses Liedes, dessen Melodie von dem sachkundigsten Chronisten dieser Zeit Rudi Goguel erschaffen wurde. Rudi Goguel schreibt in seinem Buch „Der Untergang der Cap Arcona“ eine schreckensvolle Episode der letzten Tage des „Tausendjährigen Reiches“. Goguel befand sich inmitten von Tausenden KZ-Häftlingen an Bord des Transportschiffes „Cap Arcona“, das am 3. Mai 1945 von britischen Kampfflugzeugen in der Lüneburger Bucht bombadiert und versenkt wurde. Mehr als 8000!!! KZ-Häftlinge sind dabei umgekommen, teils ertrunken, teils von SS-Mannschaften erschossen worden. Rudi Goguel ist einer der wenigen, die dieses Drama überlebt haben.–
Zurück ins Grauen….
Die Moorlager im Emsland…“Die Hölle im Moor“
Für die berühmten Antifaschisten, wie Carl von Ossietzky, Erich Mühsam, und den linken Strafverteidiger Hans Litten, dem der SA Sturm 33 („Mordsturm Maikowski“) nicht verzieh, daß er bei einem Gerichtsprozeß den Zeugen Adolf Hitlergegen die SA geführt und damit aufs Kreuz gelegt hatte, begann ein mörderisches und ein nicht enden wollendes Martyrium. Zwischen 1933 und 1945 gab es 15 Emslandlager (1) mit 260.000 Häftlingen. In erster Linie waren das politische Gefangene, Andersdenkende und alle die sich gegen Hitler stellten. Auch Homosexuelle, Sinti und Roma verschleppte man einfach dorthin. Lange vor Buchenwald, Bergen-Belsen, Auschwitz gab es diese Lager im Moor. Das war der Beginn der systematischen Menschenvernichtung, dort erprobten die Faschisten ihr System der Konzentrationslager. Neben Ossietzky waren der Kabarettist Werner Fink, der SPD-Funktionär Julius Leber, der Arbeiterführer Ernst Husemann und viele, die ich nicht alle aufzählen kann: leider. Unvergessen sind all die Ungenannten. 20.000 starben an Unterernährung , überlebten nicht die zermürbende Arbeit, die Schläge, Mißhandlung und ständigen Erniedrigungen.
Erich Mühsam verschleppte man auch hierher, bevor er in Oranienburg gefoltert, gequält und bestialisch ermordet wurde. Carl von Ossietzky nannte man den „Bonzen-Häftling und Erich Mühsam wurde „der rote Jude“ genannt. Beide hatte die SS auf dem Kieker, und so zwang man Carl von Ossietzky der als politischer Journalist schwere Arbeit nicht gewohnt war, täglich unter den unwürdigsten Bedingungen ins Moor zu schwerster Arbeit. Seine Mithäftlinge stellten sich wieder und wieder schützend bei jeder sich bietenden Gelegenheit vor Ossietzky, wenn die Waffen SS ihn piesakte und quälte, lenkten sie die Wut der Faschisten auf sich, und so kümmerten sie sich um den schwachen und kranken Freund Carl von Osietzky.
Wie soll man erinnern, wenn es nichts zu erinnern gab ? Vor Jahren, vor vielen Jahren machte ich mich im Zuge vor und nach der Namensgebung Carl von Ossietzky Universität auf den Weg zur „Hölle im Moor“ um zu gedenken und zu trauern um Carl von Ossietzky, um Erich Mühsam und ALLE! die dort ermordet und gefoltern und verscharrt worden sind. Ein Wort zu den russischen Kriegsgefangenen, die 1/3 weniger der sowieso kargen Mahlzeiten bekamen, die niemals ihre Heimat wiedersehen konnten, und deren Leben keinen Pfifferling Wert war. Der ungezügelte Hass lässt mich noch heute, wenn ich die Dokumente und Materialien, oftmals die Originale lese erschaudern. Nie wieder Faschismus!
Wo waren die Baracken der Ort wo der Mensch zum Unmensch hat werden können, wo die Stimmen meiner Mitmenschen unüberhörbar aus den Gräbern, den Wipfeln und dem rauschen der Bäume und des Windes mich erreichten, und ich starr vor Entsetzen war, als ich sah, dass alles aber auch alles abgerissen und plattgemacht, dem Erdboden gleich, und der Boden war getränkt mit dem Blut derer denen die Bundesrepublik ihre gelebte Geschichte gestohlen hat.
Zuletzt stand an dem Ort des Grauens – was für ein Zynismus – ein Bundeswehrdepot !!! Zutritt verboten !
Was also blieb erhalten von einem solchen grauenvollen Ort, der für Hunderttausende die Hölle bedeutete ? Ein Bundeswehrdepot ?!? Gibt es schlimmeres, wenn man seine Verachtung zeigen will ? Wortlos und tief erschüttert und voller Schmerz verließ ich diesen Ort.
Erst 1985 gelang es den kämpfenden Oldenburger Studenten, die für den Namen Carl von Ossietzky eine sehr lange Zeit kämpften (3) in Papenburg ein „Dokumentations- und Informationszentrum Esterwegen (DIZ)“ zu eröffnen. Nach der Strukturreform der Bundeswehr wurde endlich! auch der „Standort Esterwegen“ geschlossen, und man entschied eine Gedenkstätte zu bauen……
Doch wie gedenkt man, wenn keine Andenken mehr vorhanden sind ?
Eine tieftraurige Geschichte, voller Schlaglöcher der Geschichte, voller Gleichgültigkeit, voller Ignoranz und voller Unmenschlichkeit.
Es macht fassungslos – immer noch und wieder.
Das Moorsoldatenlied vom Schauspieler und Schriftsteller Wolfgang Langhoff und vertont von Rudi Goguel
In grenzenloser Liebe und Zuneigung.
mein langer inhaltstreicher Kommentar zum u.a. „Moorsoldatenlied“ hat die Redaktion doch wohl erreicht ?!?
Beste Grüße, Ulrike