Ministerielle Mitleidsbekundung für einen Mörder in Griechenland
41. Bericht zu „Patenschaft für Panagiota“ Ich gebe es zu: mein Entsetzen darüber, was vor zwei Wochen in Griechenland geschah, ist immer noch größer als die Freude darüber, dass Ihr uns wieder ein etwas besseres Spendenergebnis beschert habt. Aber der Reihe nach. Holdger Platta
Liebe HdS-Leserinnen und liebe HdS-Leser,
ja, es stimmt, während der letzten Woche gingen wieder mehr Spenden auf unserem Hilfskonto für notleidende GriechInnen ein: aus seinem Urlaub heraus teilte mir unser Kassenwart Volker Töbel mit, dass 120,- Euro an neuen Unterstützungsgeldern an uns überwiesen worden sind, von drei HelferInnen unter Euch. In den sieben Tagen davor waren es nur 50,- Euro gewesen, die wir unserem Aktionskonto gutschreiben durften, 50,- Euro, die uns ein Dauerspender zur Verfügung stellte. Damit stehen uns nunmehr 762,45 Euro für unsere Hilfsbedürftigen in Griechenland zur Verfügung. Ich danke den drei SpenderInnen sehr!
Anzumerken an dieser Stelle allerdings ist: allein in der letzten Woche erreichte mich eine zusätzliche, eine neue Hilfsbitte in der Höhe von 770,- Euro (Kontostand zu diesem Zeitpunkt: 642,45 Euro). Leider – ich betone: leider – konnten wir dieser Hilfsbitte nicht zustimmen, einer Bitte, deren Erfüllung bedeutet hätte, dass wir den Kreis der Menschen, denen wir noch zu helfen vermögen, hätten erweitern müssen, ohne allen aus diesem Kreis dann wirklich noch helfen zu können. Erweiterung des Hilfsbedürftigenkreises, das hätte bedeutet, dass wir die Mietzahlungen für Panagiota – in der Höhe von 350,- Euro pro Monat – gefährdet hätten. Und ich räume ein: ganz verstehe ich nicht, wieso diese Bitte – für sich genommen selbstverständlich ohne jede Einschränkung berechtigt! – überhaupt an uns herangetragen wurde. Selbst hochverdiente Mithelfer in unserem Team scheinen sich nicht kontinuierlich darüber zu informieren, was uns derzeit noch möglich ist und was nicht. Das ist quälend für uns, die wir entscheiden müssen. Und eine Erklärung für diese unbegreifliche Anfrage steht bis heute noch aus.
Ebenfalls nicht unproblematisch ist darüber hinaus der Umstand, dass ich ein weiteres Mal nichts, aber auch gar nichts mitteilen kann über die Wohnungssuche von Panagiota, gar nichts auch darüber, wie es der Familie um Dionysis geht. Selbstverständlich weiß ich aus Mails, ganz persönlich an mich gerichtet, dass Euch solche Informationen sehr interessieren würden (mir selber ergeht es ja ebenfalls so), und ich vermute, das dürfte generell typisch für Hilfsaktionen unserer Art sein, dieses durchaus auch persönliche Interesse am Wohlergehen der Menschen, denen wir zu helfen versuchen. Was wäre menschlicher als das? Aber ich kann an Mitteilungen nur weitergeben, was ich an Mitteilungen erhalte und was damit auch für Euch zur Verfügung steht. Doch es liegen mir keine weiteren, keine neuen Mitteilungen vor. Ich kann an dieser Stelle nur um Nachsicht bitten.
In Griechenland selber scheint sich fortzusetzen, was nunmehr schon seit Wochen Gegenstand meiner Kritik am Verhalten der griechischen Regierung ist. Wieder und wieder stellt das Kabinett der „Neudemokraten“ unter Beweis, dass Katastrophenvorsorge und Katastrophenbewältigung die griechische Regierung nicht wirklich interessiert. Jüngstes Beispiel dafür – eine Tatsache, die auch in Griechenland heftig diskutiert wird: von insgesamt 22 Hubschraubern, die in Griechenland zur Rettung von Menschen eingesetzt werden sollten, die Opfer der Überschwemmungen aus ihrer Notsituation zu befreien, waren lediglich drei Helikopter in der Lage dazu. Man vermutet deshalb, dass bei den anstehenden Kommunalwahlen in Griechenland die Partei des Ministerpräsidenten Kyriakos Mitsotakis, die „Nea Dimokratia“, erheblich schlechter abschneiden wird als vor einigen Monaten bei den Wahlen zum neuen griechischen Parlament. Welchen anderen Parteien das zugutekommen wird, scheint völlig offen zu sein. Hoffen kann man nur, dass nicht gerade die rechtsextremistischen Parteien davon profitieren werden!
Es ist nicht das einzige Versagen, das zu erheblicher Kritik in Griechenland geführt hat – und man fragt sich, geradezu entsetzt, wer da so alles im neuen ultrakonservativen Regierungskabinett einen Ministersessel besetzen durfte. Doch der Reihe nach:
Vor zwei Wochen ist der 36jährige Antonis Kargiotis ums Leben gekommen, ein Passagier, der in Piräus ein Fährschiff nach Kreta betreten wollte. Der betreffende Grieche – die Inlandspresse berichtet, dass Kargiotis unter einer geistigen Behinderung gelitten haben soll – war von einem Besatzungsmitglied der „Blue Horizon“ einfach ins Wasser gestoßen worden, geriet in den Sog des Wasserpropellers und ertrank. Und wie lautete der Kommentar des zuständigen Ministers für Handelsschiffahrt Miltiadis Vorvitsiotis dazu:
„Wir trauern um das unglückliche Opfer, wir trauern aber auch um jene, die ihre Arbeit machten“ (Hervorhebung im wörtlichen Zitat durch Kursivdruck: HP).
Eine Mordtat wird umgedeutet zu „Unglück“ und „Arbeit“, die Mordtat eines einzelnen wird in die Anonymisierung eines Plurals geschickt (= „jene“). Es ist einfach ungeheuerlich. Und das einzige, was „positiv“ an diesem Geschehen genannt werden könnte: der betreffende Minister trat inzwischen zurück (nein, er wurde nicht rausgeschmissen aus dem Kabinett, er trat nur zurück!), und inzwischen ermittelt auch die Staatsanwaltschaft.
Von irgendeinem Kommentar des regierenden Ministerpräsidenten Kyriakos Mitsotakis zu diesem furchtbaren Kommentar des Ministers für Handelsschiffahrt ist mir bis zur Stunde nichts bekannt. Das Opfer selber, Antonis Kargiotis, wurde inzwischen auf Kreta beerdigt, in Heraklion. Die Anteilnahme der Bevölkerung soll groß gewesen sein. Doch meine Frage lautet gleichwohl:
Wie können solche Menschen wie Miltiadis Vorvitsiotis überhaupt Minister werden? Was unterscheidet solche Menschen noch von den Mitgliedern der faschistischen „Morgenröte“ (inzwischen als „kriminelle Vereinigung“ verboten), aus deren Reihen ein Parteigenosse am 18. September 2013 den linken Hiphop-Musiker Pavlos Fyssas ermordet hatte, in Keratsini, einem Ortsteil eben jener Hafenstadt Piräus, wo nunmehr ein Schiffspassagier durch eine Mordtat ums Leben kam? – Ich gebe zu: da mischen sich ins eigene Entsetzen auch völlige Fassungslosigkeit, unsagbarer Zorn und hilflose Wut. Da fällt es schwer, nicht selber abzustürzen in Gefühle der Unmenschlichkeit.
Umso wichtiger deshalb, festzuhalten an den Geboten der Empathie und Humanität. Stellen wir uns dem Unrecht in den Weg, durch Hilfe und Kritik! Und lasst uns in diesem Geiste, in diesem guten Geiste, weiter zusammenarbeiten, mit allem, was uns möglich ist – zugunsten der notleidenden Menschen in Griechenland! Deshalb auch heute mein Aufruf zum Schluss: helft! Und das bedeutet konkret:
Wer von Euch uns Gelder für unsere Hilfe für Menschen in Griechenland zukommen lassen will, der überweise uns diese bitte unter dem Stichwort „Panagiota“ auf das Konto:
IBAN: DE16 2605 0001 0056 0154 49
BIC: NOLADE21 GOE
Inhaber: IHW
Wer eine Spendenbescheinigung benötigt – ab 201,- Euro erforderlich –, wende sich bitte an Volker Töbel, entweder unter der Postanschrift Tewaagstraße 12, 44141 Dortmund, oder unter der Mailadresse vtoebel@web.de.
Mit herzlichen Grüßen
Euer Holdger Platta