Ab wann ist ein Trauma ein Trauma?

 In FEATURED, Gesundheit/Psyche

Muss es erst ein schweres Kriegstrauma sein? Missbrauch? Gewalt? Oder reicht es heutzutage schon, das ganz normale Arbeitsleben zu erdulden, um sich zu den Traumatisierten zu rechnen? Ist die Erlebniswelt materiell armer Menschen nicht schon per se traumatisierend? Und muss man ein Trauma überhaupt selbst erlebt haben oder kann man es quasi von seinen Vorfahren erben? Der Autor bedient sich hier einer launigen, eher satirischen Argumentationstechnik und scheint andeuten zu wollen, dass manche es auch damit übertreiben, jedes Wehwehchen als “Trauma” zu beklagen. Der Kern seiner Ausführungen jedoch ist ernst, und man erfährt tatsächlich einige Fakten zur “Traumalehre”. Bobby Langer

 

Ein wesentliches Merkmal des Traumas ist die empfundene oder tatsächliche Ausweglosigkeit für die Betroffenen. Bevor wir uns dieser Frage zuwenden, ist zunächst zu beantworten, warum überhaupt das Thema?

Die Chinesen kennen kein Trauma

Meine Vermutung, es handele sich um ein Zeitgeist-, wenn nicht gar Modethema, wird von Google unterstützt. Die Suchmaschine fördert dafür – im Februar 2022 – 228 Millionen Einträge zutage. Vermutlich ist die Menge auch der Tatsache geschuldet, dass dieses Wort im Englischen, Französischen, Italienischen und Spanischen gleich buchstabiert wird: the, le, il, el trauma; Zum Glück sprechen ChinesInnen von chuāngshāng, sonst müsste Google noch ein paar Hundert Millionen Funde drauflegen. Vermutlich.

Ob es eine statistisch relevante Menge traumatisierter ChinesInnen gibt? Denn der gemeine Chinese, von dem das Vorurteil sagt, er kenne ohnehin nur die Unterordnung, genieße sie geschichtsbedingt sogar, lässt sich demzufolge nicht einmal von einer Covid-Quarantäne traumatisieren. Zurück zur Eingangsfrage: Ab wann entsteht ein Trauma? Vorausgehen Schrecken, Entsetzen, Schock, Furcht, Bedrücktheit, ein Gefühl der Enge, Hilflosigkeit etc. Aber irgendwann kommt es zu einem Qualitätssprung. Et voilà: le trauma.

Hilft Vergesslichkeit gegen Traumata?

Zur Klarheit sei angemerkt: Trauma (Plural Traumen [so wie Samen, traumatisierter Stamm in Nordeuropa] oder Traumata [so wie Golgatha], nicht aber Traumas) wird nicht durch Viren verursacht, auch nicht durch Bakterien oder anderes, lästiges Kleinzeugs. Das Wort hat auch nichts mit „Traum“ zu tun, auch nicht mit Albtraum, sondern wurde von klugen Psychologen dem Griechischen entlehnt, wo trauma „Wunde“ bedeutet. Mediziner sprechen deshalb nicht von Wundlehre, sondern von wohlklingender von Traumatologie.

Ab wann entsteht denn nun ein Trauma? Sicher ist, dass persönliche Wahrnehmung und mentale Einordnung des Geschehens eine wesentliche Rolle spielen. In Ohnmacht kann geschehen, was mag, ich werde jedenfalls während der Zeit meiner Bewusstlosigkeit nicht traumatisiert. Man weiß, dass in der gleichen Situation manche Menschen traumatisiert werden, andere, die Resilienten, nicht. Es gab Menschen, die durch ihr mörderisches Handeln im Nationalsozialismus im Nachhinein so schuldbeladen waren, dass sie sich die Kugel gaben; andere wurden Ministerpräsidenten. Kann also Vergesslichkeit ein Heilmittel sein? So schön das wäre, die Wahrscheinlichkeit spricht dagegen.

TTT heißt hier nicht Titel, Thesen, Temperamente

Die nach dem 1. Weltkrieg entstandene Traumaforschung, die Psychotraumatologie, hat herausgefunden, dass es nicht nur individuelle, sondern auch kollektive Traumata gibt. Massenmorde und Genozide gehören dazu. Man kann der vergesslichste Professor der Welt sein – das Trauma bleibt und treibt im Unter- oder gar Unbewussten sein Unwesen. Das geht so weit, dass Traumata sich epigenetisch über Generationen fortpflanzen können, was in der Fachsprache die schöne Abkürzung TTT trägt (Transgeneration Transmission of Trauma). Nachgewiesen ist TTT zum Beispiel bei Holocaust-Nachkommen.

Zu einem TTT kommt es vermutlich immer dann, wenn eine massenhafte, bedrohliche Situation mit einer massenhaften Ausweglosigkeit einhergeht. Auf die Situation der amerikanischen Ureinwohner dürfte das zugetroffen haben, ebenso auf die Tutsi beim Genozid in Ruanda oder auf die Überlebenden des osmanischen Völkermords an den christlichen Armeniern in der Türkei. So stellt sich die Eingangsfrage „Ab wann ist ein Trauma ein Trauma?“ ganz neu: „Wie lange bleibt ein Trauma ein Trauma?“ Hier steckt die Psychotraumatologie noch in den Kinderschuhen.

Das Arme-Schlucker-Trauma

Eine Hypothese mag weiterhelfen: Erben reicher Vermögen sind weniger traumatisiert als die Kinder armer Schlucker. Die Erben nämlich haben vielerlei Möglichkeiten, mit Problemsituationen umzugehen, sie gar zu lösen. Arme Schlucker hingegen, und dazu zähle ich all jene, die arbeiten müssen, befinden sich in einer ausgesprochen traumatischen Situation, die sie obendrein nahezu ausnahmslos weitervererben; sie müssen mit körperlicher und geistiger Not und/oder gesellschaftlicher Ächtung rechnen, wenn sie nicht tüchtig arbeiten gehen. Sie verkaufen ein Drittel ihrer besten Lebenszeit, ein weiteres Drittel verschlafen sie, um genügend Kraft für das erste Drittel zu gewinnen, und das dritte Drittel nutzen sie, um das erste Drittel zu vergessen. Die traumatisierende Situation, Zivilisation genannt, bleibt nicht nur vorübergehend erhalten, sondern ein Leben lang.

Die ganze Menschheit ist betroffen

Es sieht also danach aus, als ob sich die Mehrheit der Bevölkerung der westlich organisierten Gesellschaften laufend traumatisiert. Die exponenziell steigenden Zahlen psychischer Störungen sprechen eine klare Sprache. Bleibt zu fragen: Wer denn, bitte schön, ist, rein statistisch gesehen, noch nicht traumatisiert? Meine Vermutung richtet sich auf unterentwickelte Homo-Sapiens-Gruppen, die sich in fernen Urwäldern oder Hochgebirgstälern verstecken, dort fröhlich vor sich hin jagen und sammeln, ackern und zeugen und den Segnungen der westlichen Zivilisation noch widerstehen. Erst wenn auch sie traumatisiert sind, werden wir sie anerkennend in die gezückten Messer der entwickelten Menschheitsfamilie laufen lassen. Wir sind ja keine Unmenschen.

Apropos Homo Sapiens: Die Genetiker haben uns beigebracht, dass wir auch Neandertaler-Gene in uns tragen. Aber: Wurde der Neandertaler nicht vom Homo Sapiens traumatisiert bis hin zur Auslöschung? Es gibt da noch viel aufzuarbeiten.

Anzeigen von 10 Kommentaren
  • Lucy L.
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    Ich finde die leichtfüßigen Ausführungen von Bobby Langer leider gar nicht amüsant. Vor zwei  oder drei Jahren wäre das vielleicht noch anders gewesen. Heute finde ich so etwas unangebracht, und eigenlich inakzebtabel, angesichts der vielen Menschen die unter den aktuellen Zuständen in diesem Land und weltweit leiden und verzweifelt sind. Das,  was wir gerade erleben ist leider kein Spaß, “Global Leader”, wie Schwab, Gates oder von der Leyen sind keine Hirngespinste, und das, was sie weltweit verursachen ,auch nicht, sondern bittere Wirklichkeit. So wie Herr Langer kann man wahrscheinlich nur schreiben, wenn man “seine Schäfchen ins trockene gebrach”t hat, und zB. keine Kinder hat, die täglich in der Schule drangsaliert und diffamiert werden, oder wenn man gerade seinen Job verloren hat, weil der “Impfstatus” nicht mehr gesellschaftskompatibel ist, oder weil man zu seiner Meinung steht, und nicht auf seine Grund- und Menschenrechte verzichten möchte.
  • Anja G.
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    Das ist mit Abstand der schlechteste Beitrag über Trauma(ta), den ich je gelesen habe!

  • Ulrike Spurgat
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    Danke Bobby Langer.

    Ein wirklich guter und entspannter Beitrag.

    Gehöre ich zu den Menschen die als  (schwerst)traumatisiert von Psychiatern, klinischen Psychologen, Psychotherapeuten mit psychoanalytischen Ansatz, Gestaltherapeuten “diagnostiziert” sind.

    Es wird Zeit, dass man den Begriff Trauma auf den Prüfstand stellt. Mittlerweile wird auch dieser Begriff inflätionär be- und genutzt.

    Das es schwere seelische Erschütterungen gibt die oftmals ein Leben lang als eine schmerzende Narbe sich immer wieder meldet daran kann es keinen Zweifel geben.

    Der Verfasser bemerkt aus meiner Sicht völlig zu Recht dass selbst Leben an sich von einigen als traumatisch erlebt wird. Nur ist es aber auch so, dass der Mensch mit Selbstheilungskräften grundsätzlich ausgestattet ist die ihm dann wenn es z.B. lebensbedrohlich wird eine konkrete Hilfe sein können.

    Die heutige Gesellschaft ist auf Vermeidung ausgerichtet. Vermeidung von Konflikten und auch von Schmerzen lässt wenige Grenzerfahrungen zu. Wie soll man denn erkennen wozu man im besten Sinne fähig ist wenn man mit Schmerz nie gelernt hat umzugehen ?  Leben aber heißt aus meiner Sicht, sich diesem in jedweder Hinsicht zu stellen; selbst dann, wenn es unerträglich und fast aussichtsllos erscheint. Umso mehr schätze ich solche Artikel wie diesen die die Kirche auch mal im Dorf lassen können ohne den Korrekten mimen zu müssen.

    Gehe ich davon aus, dass alles immer in ständiger Bewegung ist schließe ich traumatische Ereignisse mit ein. Selbst die dunkelste Stunde hat sechzig Minuten.  Die lange Zeit – es waren vier grauenvolle Jahre-weggeschlossen zu sein hinter dicken Mauern mit einem Raum der ohne Tageslicht uns allein, isoliert und wahrhaftigen Monstern ausgesetzt war und wo uns die Verzweiflung und Not aufgefressen hat und wenn wir Glück hatten uns nach 10 Tagen wieder ausgespuckt. Es waren traumatische Zeiten und auch heute gibt es diese Momente wo die Vergangenheit aufsteht und die Erinnerung beachtet werden will.

    Bobby Langer hat gut daran getan eine andere Sicht zu schreiben.

    Trauma hat viele Gesichter. Die Nähe mit anderen Menschen selbst wenn sie sich manchmal schwer aushalten lässt kann eine heilende Wirkung haben. Was übrig bleibt ist mit dem Schmerz und auch so manch dunkler Stunde leben zu lernen und all das zu akzeptieren als ein bleibendes Teil seiner Selbst.

    Und eine notwendige Differenzierung besonders Heute scheint angebracht zu sein.

     

     

     

  • Hope
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    Kann man nur verstehen, wenn man es selbst erlebt hat und das über Jahre. Und mit Erleben meine ich Wiedererleben über Jahre. Entweder bringt man sich in dieser Zeit um oder wartet bis die Tagalpträume ein Ende haben. Bei mir hat es zur Schwerbehinderung geführt.
    • Ulrike Spurgat
      Antworten
      Bin ich selber traumatisiert ? Ja ! Erlaube ich eine eigene Sichtweise auf traumatische Erlebnisse und Ereignisse ? Auch da ein deutliches Ja.

       

  • Hope
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    Fragen Sie auch mal Herrn Jens Wernicke vom Rubikon, der weiß auch, ab wann man traumatisiert ist. Hier spricht man über ihn:

    https://www.youtube.com/watch?v=bPGn9gORfZ8

  • Hope
    Antworten
    Ein “niedrigschwelliges” Angebot um zu verstehen, wann ein Trauma beginnt, findet man auch hier:

    https://www.youtube.com/watch?v=ee3VcHYIo7Y

  • Hope
    Antworten
    Schwere Traumata, je früher sie die Kindheit “überfallen”, prägen den gesamten weiteren Lebensweg. Manche kommen damit zunächst oder auch immer vielleicht gut klar, können gut verdrängen und leben mit ihrem Trauma bis zum Tod. “Ruht” das Trauma auf eine äußere menschliche Gewalteinwirkung kann das Trauma zum Lebensinhalt werden mit dem Ziel, es irgendwann loszuwerden. In dem Film ” Spiel mir das Lied vom Tod” https://www.youtube.com/watch?v=At5nYDFDzXw hängt sich der Traumatisierte sein Trauma, die Mundharmonika, symbolisch um den Hals mit dem Ziel, irgendwann sein Trauma loszuwerden. Hier wird das traumatisierte Opfer aber nicht zum Täter für andere, sondern nur zum Täter seines Täters. Das Opfer wäre vielleicht ohne sein Trauma ein guter Viehzüchter geworden.
  • Susanne Alpers
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    Sehr geehrter Herr Langer,

    die schlüssigste Definition von Trauma hatte mir vor Jahren ein Geflüchteter aus Mali gegeben. Er berichtete:

    Ich habe oft versucht nach Europa zu kommen. Einmal haben uns die Sicherheitskräfte in Marokko geschnappt und auf Kieslaster geladen. Sie sind mit uns in die Wüste Richtung Algerien gefahren und haben uns dort einfach ausgekippt, wie vergammelte Tomaten. Danach sind sie weg gefahren. Wir hatten kein Wasser, kein Essen, keine Ahnung, wo wir waren. Auf dem Weg raus aus der Wüste sind viele gestorben. Wir Anderen waren völlig am Ende, aber wir sind da raus gekommen.

    Irgenwann habe ich es tatsächlich nach Europa geschafft, auch  nach Deutschland. Ich bin sehr froh darüber. Hier höre ich oft, dass sich Leute als traumatisiert bezeichnen. Sie benützen den Begriff inflationär, für viele Arten von belastenden Erfahrungen, auch wenn es dafür eine Lösung gab und keine Narben zurück blieben. Manchmal denke ich, dass ein oder zwei Traumata hier zu einem gelebten Leben einfach dazu gehören. Das finde ich sehr sonderbar.

    Ich denke, dass dieser Mann das Thema Trauma am Besten auf den Punkt gebracht hat.

    Mit freundlichen Grüssen,

    Susanne Alpers

  • heike
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    Danke für diesen Artikel und die Kommentare.

    Ich denke, ein Trauma ist eine schwere Verwundung der Integrität des eigenen Inneren, die dazu führt, dass man nicht mehr in der Lage ist, selbstbestimmt in der Welt zu agieren. Man ist verletzt und versucht zu heilen oder die Verletzung wie eine abgestorbene Gliedmaße aus dem Bewusstsein zu amputieren, was man Verdrängung nennt. Ist die Verletzung sehr tiefgreifend, den Kern des Menschen angreifend, dann will der Mensch sterben, wozu es verschiedene Möglichkeiten gibt: man kann krank werden, sich totsaufen, eine Überdosis nehmen oder Suizid begehen.

    Gut nachvollziehen kann ich auch, was Bobby Langer über die Urvölker (und damit indirekt auch Menschen in unseren Breitengraden, die sich ein autarkes Leben, unabhängig von Fremdbestimmung durch Behörden und Gehirnwäsche durch Werbung, Medien und Zivilisationsbekehrungen zum Profitgewinn von wem auch immer (Waffen-, Auto-, Lebensmittel-, Arzneimittel-, Impfindustrie), wünschen).

    Der Mensch möchte einfach wieder ein Mensch sein dürfen, und nicht ein Stück Fleisch, das optimal, bestverwertbar und bestüberwcht eingegliedert werden soll in eine Menschheitsentwicklung, deren Sinn er nicht erkennen kann.

    Solange noch eine Sinngebung stattfinden kann, solange ist auch noch Hoffnung vorhanden. Und solange noch Hoffnung vorhanden ist, ist der Mensch bereit, Kräfte zu mobilisieren, die ihn wachsen lassen können. Aber dazu braucht man ein Ziel, ein Ziel, für das es sich zu leben lohnt. Alles andere ist nur vegetieren, man erhält seinen Körper am Leben, solange es eben geht, aber eine geistige Entwicklung gibt es nicht.

     

     

     

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