Alexanders Albumtipp der Woche: Christine Maria Rembeck – Dahinter die Stille
Volkslieder, spirituelle Lieder und Literaturvertonungen in eigenen Fassungen und Vertonungen hat die in Wien, Leipzig und Paris ausgebildete Sopranistin, Gesangspädagogin und Rhythmikerin Christine Maria Rembeck für ihre dritte CD großteils am Klavier in Berlin Anfang 2017 für das Label Incipit Novum eingespielt und Anfang 2018 veröffentlicht. (Alexander Kinsky)
Muss man die Lieder die Christine Maria Rembeck hier vorlegt stilistisch einordnen? Falls man es tut kann man von Einflüssen des klassisch-romantischen Klavierkunstlieds, des Minimalismus etwa eines Michael Nyman und des Irish Folk sprechen. Ist nicht aber die Einordnung auf einer anderen, wissenschaftlich kaum fassbaren Ebene, ungleich besser aufgehoben? Die CD betitelt sich „Dahinter die Stille“. Und genau da kann man ansetzen – sowohl textlich als auch musikalisch versuchen die Lieder, den Raum hinter der Oberfläche zu öffnen, den stillen Raum des Seins an sich.
An den kunstliedhaft ernsthaften Gesangsstil der Interpretin mag man sich gewöhnen müssen, sofern er nicht sofort anspricht. So kann es aber mit vieler Musik gehen. Es lohnt, dranzubleiben und in die Tiefe zu gehen, sich auf die Tiefenstruktur der Texte einzulassen sowie auf die fast ausschließlich harmonisierenden Klavierzerlegungen der sanften Begleitung.
Christine Maria Rembeck singt die 15 Lieder der CD in mehreren Sprachen, zwischen irischem Folk und Kärntner Mundart, zwischen spirituellen Mantras und hoher Literatur.
Bei einem Lied spielt eine Klarinette mit, bei dreien (davon eines ohne Klavier) ist Percussion im Einsatz.
Die Aufnahme wirkt sehr sympathisch spontan, unverfälscht, ehrlich, fast wie improvisiert, auf jeden Fall inspirativ wie aus einem Guss.
Literaturvertonungen gibt es von Eduard Mörike, Eva Strittmatter und Rainer Maria Rilke. Kann, darf man Rilke überhaupt vertonen? Grundsätzlich gilt ja auch hier – man darf es so lange nicht (weil große Lyrik unantastbar scheint), bis man es tut. Und Christine Maria Rembeck nimmt die Verantwortung sehr, sehr ernst, sie findet für ihre Rilke-Vertonungen „Wiegenlied (Vor dem Einschlafen zu sagen)“ und „Vor lauter Lauschen“ schlichte, erstaunlich unkünstlich inspirierte Melodien, die die Texte – ja, wirklich – allemal noch enorm zu bereichern vermögen.
Eine ganz eigene Aura hat auch ihr Mantra-Lied „Tumi Bhaja Re Mana“, aus der Kirtan-Tradition inspiriert, einem südasiatischen Wechselgesangsstil mit mythisch-spirituellen Reimen.
Und „Francesco“, ein italienisch gesungener Beitrag zum Nachdenken über die Liebe, bringt wieder eine andere, ganz spezifische Note hinein, und noch einmal anders erklingt etwa das Traditional „Ay, Linda Amiga“, oder das sephardische „Ajugar“, ein Brautsegen nur mit Gesang und Percussion.
Äußerlich kann man recht gut zwischen Volksliedern, religiösen Liedern und Kunstliedern die Literatur vertonen unterscheiden, aber „Die Stille dahinter“ eint die Welten dieser Lieder zu aus einem harmonischen Humus Kommenden.
Ein ganz besonderes Schmankerl ist der auch K&K-stilecht empfunden am Klavier gespielte und dazu herzhaft gesungene Geburtstagsgruß mit Lehár, die Lippen dieser lustigen Witwe schweigen gottseidank nicht, sondern auch dieses Ständchen geht ungemein zu Herzen.
Die CD wurde immerhin nominiert für den Preis der Deutschen Schallplattenkritik.
Und was bleibt? Dahinter die Stille. Wesentliches also.
Die Homepage vom Christine Maria Rembeck: https://www.christine-maria-rembeck.de/Home
Das Label für neue spirituelle Musik Incipit Novum: http://www.incipit-novum.com/