Alexanders Albumtipp der Woche: Heinz Rudolf Kunze – Der Wahrheit die Ehre

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Ein Herz für Flüchtlinge, eine Anklage gegen die perversen Mächtigen, für ein riesiges Erwachen und die furchtbare Situation eines ausweglosen Nahost-Attentäters – Heinz Rudolf Kunze überzeugt auf seinem im Februar 2020 erschienenen Studioalbum „Der Wahrheit die Ehre“ vor allem politisch, aber auch spirituell. (Alexander Kinsky)

Heinz Rudolf Kunze ist ja auch schon ein Urgestein der Deutschrockszene im besten Sinn, aktiv wie eh und je. Der Schreiber dieser Zeilen hat ihn erstmals 1985 mit dem Top-Hit Dein ist mein ganzes Herz wahrgenommen. Damit konnte er allerdings weniger anfangen, wohl als geborener Wiener allzu sehr verdorben mit dem gleichnamigen Franz Lehár-Operettenhit. Die Vielseitigkeit Kunzes ist schon zu bewundern, es gibt deutsche Herman van Veen Texte von ihm und die deutschen Libretti zu den Musicals „Les Misérables“ und „Miss Saigon“. Für ein 2019 erschienenes Buch hat Kunze auch 101 Bruce Springsteen Texte ins Deutsche übertragen.

Nun also das immerhin schon 37. Studioalbum, erschienen im Februar 2020 bei Meadow Lake Music – und das überrascht: kräftig auftrumpfend, musikalisch zwischen aufgedrehtem Deutschrock und eher Balladeskem, vor allem aber textlich ungemein stark. Kunze geht wichtige, brennende Themen mit großer Leidenschaft an, er nimmt sich kein Blatt vor dem Mund und zeigt sich bei aller vehementer Deutschrockpower als zutiefst sensibler, mitfühlender Zeitgenosse, ja die Vehemenz steigert vieles zum atemlos intensiven Aufschrei der Seele.

Beim Opener Der Prediger denkt der geborene Wiener: Walulisos gibt es offenbar überall! „Waluliso“ (1914-1996) nannte sich ein Wiener Friedensaktivist-Original – Waluliso steht für Wald, Luft, Licht und Sonne. Seine Standardkleidung und – ausrüstung: weiße Toga, ein Stirnkranz aus Olivenzweigen, ein Hirtenstab und ein Apfel.

Völlig verzweifelt vor Glück sinniert der Künstler über den Umgang mit Ruhm. Dann entlarvt er uns messerscharf als Spießgesellen der Lüge.

Thematisch leider unbedingt notwendig ist die Anklage aller Flüchtlingseinreisegegner – Mit welchem Recht erheben sie sich derart menschenunwürdig.

Nach der Beziehungsballade Nimm mit mir vorlieb und dem Impuls, mit dem Mantra Heute ist gut das Jetzt zu leben, berührt die Ballade Nackter Fischer als Würdigung des einfachen Fischerlebens.

Zwei der stärksten und wichtigsten Lieder folgen nun. Als Pervers entlarvt Kunze die Mächtigen. Identifizieren will und kann er sich hingegen Wenn du ohne Liebe bist, mit den Alleingelassenen. Das ist die nächste vor allem textlich starke Ballade.

Ich bin so müde will auch mal das Älterwerden zulassen, und dann wird es zwischendurch auch mal grotesk-tragikomisch, wenn ein abgetauchter Bankräuber beklagt, Ein sorgloses Leben, aber mit der Aktion seine Geliebte verloren zu haben.

Die drei Top-Kracher ballen sich am Ende des Albums, da übertrifft sich Kunze noch einmal.

Die Zeit ist reif „für ein riesiges Erwachen“, und das kommt mit dieser großen Ballade durchaus spirituell rüber.

Wir geben nun Der Wahrheit die Ehre, über sechs Minuten lang, im Countryfeeling, wie ein Road Movie, aber der Text hat es in sich – er handelt von einem Nahost-Attentäter, in den sich der Sänger hineinversetzt, in dessen tragisches Einzelschicksal. Das erreicht (textlich komplexer angelegt) nahezu die Eindringlichkeit von Hannes Waders Es ist an der Zeit.

Die Dunkelheit hat nicht das letzte Wort schließlich schwingt sich melodisch fast opernhaft wie textlich noch einmal ungewöhnlich direkt spirituell zur grandiosen Abschlusshymne des Albums in diesen Zeiten grassierenden Rassismus und stetiger Entfremdung auf: „Das Licht das in der Seele wohnt, das ist am rechten Ort. Die Dunkelheit hat nicht das letzte Wort.“

Produziert wurde das Album von Udo Rinklin, Musik und Texte verantwortet Kunze selbst, nur Heute ist gut und Die Zeit ist reif wurden von Kunzes langjährigem musikalischen Weggefährten Heiner Lürig komponiert.

Völlig verzweifelt vor Glück, Mit welchem Recht, Pervers, Wenn du ohne Liebe bist, Die Zeit ist reif, Der Wahrheit die Ehre und Die Dunkelheit hat nicht das letzte Wort – allein diese Lieder kommen ungemein stark, vor allem textlich!

Wenn ein Künstler mit 63 Jahren so ein starkes Album vorlegt, dann darf man sich sehr auf noch ganz viele weitere Lieder freuen.

Heinz Rudolf Kunzes Homepage: https://www.heinzrudolfkunze.de/

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