Alexanders Albumtipp der Woche: Manfred Maurenbrecher – Inneres Ausland

 In CD-Tipp

Inneres Ausland – nichts zum Nebenbeihören! Wenn der geniale Liederzähler Manfred Maurenbrecher mit seiner herrlich rauen Stimme erdig bis bluesig die Gedankenfluten loslässt, heißt es Innehalten und Mitdenken, Mitfühlen. Maurenbrecher gelingt, was guten Liederschreibern gelingt – wir suchen und finden uns selbst in seinen Liedern. (Alexander Kinsky)

Das im März 2020 bei Reptiphon veröffentlichte Album gibt sich vielfach balladesk bis bluesig, mit seinen erdigen Arrangements, tlw. nur das Klavier bzw. klavierdominierte Klänge, tlw. sogar mit Chor.

Ja, es sind Zuhörlieder, textintensive Genau-Hinhörlieder, man sollte unbedingt ganz genau hinhören, es gibt da so viel zum Überdenken, Weiterdenken, Handeln. Musik und Text stammen fast ausschließlich von Manfred Maurenbrecher selbst.

Das Dunkel von mir, die Ballade vom Zuhausesein im eigenen Dunkel, ist gleich ein ganz starker Opener.

Nun erfahren wir herzlich und liebevoll beobachtet, wen aller Der Chor zu einen vermag.

Im März 2020 erschütternd brandaktuell ist der Erdrutsch. Beschrieben wird der Neuanfang nach einem solchen. Der Trend- und Zukunftsforscher Matthias Horx zeichnet dieser Tage, ein kostenlos durchs Netz wandernder Text, das Bild einer klüger gewordenen Menschheit nach der Corona-Krise, die Chance, sich zu besinnen. Mit markanter 70er Jahre Jazzrock-Gitarre in der Band hofft auch Maurenbrecher auf die mahnende Wirkung großer Katastrophen.

Es geht aber auch augenzwinkernd witzig und bewusst etwas banaler: Egal welches Problem, „da muss ´ne Schüttmulde her“, dann meint man klappt alles. Ja wenn das so ist…

Wie viele Herzen noch entpuppt sich als kleines ganz großes, ganz inniges Klavierlied. Ich beziehe es auf Flüchtlinge – das ist eines der poetischsten, liebevollsten, großartigsten, einfühlsamsten Lieder zu diesem Thema, eine geerdet B-durige Ballade, die eine ganz wunderbare universelle Verbundenheit vermittelt und die unbedingt in den Kulturschatz der großen zeitlosen Lieder der deutschsprachigen Liedgeschichte aufgenommen werden muss, die von Haydn und Schubert über Wolf und viele andere bis zu den besten Liedermacherliedern reicht.

Jubilare wiederum ist eine Lebensrückblickklavierbluesballade, sie zieht Bilanz, gewürzt mit Zeitgeschichte – aber vor allem ist es auch ein Liebeslied.

Jetzt auf einmal geht’s mahnt: Klimabewusster leben bitte!

Woraus sich die Neonaziszene rekrutiert, blättert Solche Leute braucht die Heimat als beinharte Sozialanalyse auf – erschreckend wichtig sind solche Lieder, und in ihrer feinfühligen Beobachtung absolut ins Schwarze treffend.

Puppen ist ein politisch noch konkreterer Rap zum Thema Flüchtlinge, aus der Sicht der Rassisten – da bleibt einem das Lachen endgültig im Halse stecken, ein eminent wichtiges Lied, zum leider so wichtigen Gefrieren ob solcher Vorurteile.

Auf der Fähre nach Tassos bringt die Momentaufnahme eines Rucksacktouristen auf einer griechischen Fähre – was für ein zu Herzen gehender Liedmoment.

Maurenbrechers leierkastenmannartige Lenau-Vertonung Die drei Zigeuner lässt wieder ganz anders innehalten und nachdenken über die drei Menschentypen, die hier vorgestellt werden.

Jetzt gibt Maurenbrecher sich aber überraschend sogar dem Tanzreigen einer Gavotte hin.

Wölfe in Brandenburg heißt den Wolf ebenda willkommen – es täte so gut, würde sich der Mensch nicht andauernd über die Natur erheben, umso erfreulicher ist so ein solidarisches naturverbundenes tierliebendes Lied, das tut so gut. Vielleicht ist dieser Wolf ein Nachfahre von Ludwig Hirschs Wolf aus dessen erster LP “Dunkelgraue Lieder“ (1978).

Ob Aufstehen etwas mit der von Sahra Wagenknecht initiierten Bewegung zu tun hat, wird nicht erklärt. Für sich genommen ist es ein großartiges Motivationslied, im zermürbenden Moloch des demotivierenden Alltags nicht zu verzagen, sich nicht auffressen zu lassen, sondern aufzustehen – vgl. Georg Danzers „Morgenrot“ aus der LP „Ein wenig Hoffnung“ (1978) und Konstantin Weckers „Revolution“ aus der CD „Ohne Warum“ (2015).

Der Rest ist Mut kommt als heiter-augenzwinkerndes kleines Nimmsleichterlied daher, mit feinen Choreinwürfen.

Und das Album wird mit einer letzten schönen poetischen Klavierballade abgerundet, ein Herbstmoment Ewigkeit, viel mehr als eine banale Herbstschnulze.

Was für ein tiefgehendes, gescheites, liebevoll ehrliches, anrührendes, in so vielen Facetten nachdenkenswertes Album!

Im Booklet finden sich alle Liedertexte in bestmöglichem Schrifttyp und Fotos von den Studioaufnahmen.

Eine letzte Bitte: Bitte liebe Liederbüchermacher nehmt Wie viele Herzen in alle bedeutenden gemischten Liederbücher auf, dort gehört dieses Lied hin.

Die Homepage von Manfred Maurenbrecher: https://maurenbrecher.com/

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