Alexanders CD-Tipp der Woche: Max Prosa – Mit anderen Augen
Max Prosa, 1989 in Berlin geborener Singer-Songwriter, legt im Juli 2019 auf seinem eigenen Label Prosa Records mit seinem fünften Album eine verblüffend vielschichtige, vielfach sogartig in ihren Bann ziehende Liederreise eines Suchenden vor. (Alexander Kinsky)
Da sind diese Liedanfänge: Ich lauf durch mein Babylon, ich folge meinen Freunden, ich lauf auf der Straße, dort vor dir ruht ein weites Meer, am 23. Juli setzte ich mich in einen Zug und fuhr die Schienen hinab, ich suche nach einem Funken vom höheren Glück, es wird wieder warm ich bin schon eine Weile hier, ein Schatten liegt heut´ Nacht auf meiner Seele, ich such´ verlassene Straßen und laufe sie entlang…
Da ist diese Stimme des Sängers, die sich als beseelte Seele ganz verschließt und ganz entblättert, die hoffend verzweifelt und verzweifelt hofft.
Da ist – jetzt schon genannt, weil es so wichtig ist – das Schreibmaschinenschriftbild mit den handgeschriebenen Korrekturen der Liedertexte im Booklet. Diese Texte leben, es gibt noch Texte die leben, wirklich leben, ob man sie liest oder hört.
Da ist der Liederschreiber, der fast alles selbst komponiert und textet und sich die feinsinnigsten, kreativsten Mitmenschen ins Studio holt, an jedem Lied eine Individualität zu entfalten, die vierzehn Mal völlig neu aufhorchen lässt. Wie diese Lieder leben, aufleben, wie sie „sind“! Ist das Chanson-Pop? Deutschpop mit Niveau? Egal, wozu muss man das einordnen, es ist hochkreativ und authentisch.
Und welchen Sog viele dieser Lieder entfalten, den Sog des nicht wie bei kommerziell ausgerichteten Popproduktionen raffinierten Arrangements, sondern den Sog des musikalisch inspirierten, grundehrlich und damit spannend suggestiven Aufbaus und Arrangements.
Der Sog zieht uns mit mit dem Suchenden, mit nach Babylon in seine Wandlung, dann ist er ein Sog des Hingezogenseins, plötzlich einer des Fiebers im Getrenntsein, später ein Aufschrei des am Ozeangrund versunkenen Individuums, noch später ein autistischer Sog einer anderen, vergangenen Welt, schließlich einer im Gleichnis der Lebensprojektionen und zweimal ein philosophischer: oft ist man zu kompliziert, und wie wenig fixieren lässt sich echte, ganz tiefe Verbundenheit zweier Menschen.
Die Themen tausender Lieder werden kreativ völlig neu und individuell belebt. „Was lebt“ ist ein Trost- und Mutmachlied, es sagt die Kraft liegt in einem selbst. „Du fehlst“ beschreibt wieder, wie man nach einer Trennung nicht vom Anderen loskommt. „Das Leben ist schön“ ist ein massiver Denkanstoß zum Ungleichgewicht in der Welt, das vordergründig politischste Lied des Albums.
Des Schreibers Lieblingslieder kristallisieren sich sofort beim ersten Durchhören heraus. Die wunderschöne klavierdominierte Ballade „Fieber“ bleibt fiebrig im schmerzlichen Getrenntsein. „Ich suche nach einem Funken vom höheren Glück“ besticht mit seinem sanft suggestiven Drive. „Hollywood“ geht sofort aber sowas von zu Herzen und unter die Haut, berührt ganz, ganz tief, dieses Liebes- und Solidaritätslied für alle, die unten bleiben, geerdet, vielleicht vielfach scheiternd. Und dann ist da auch noch die das Album würdig abschließende Mitmenschlichkeitshymne „Brüder und Schwestern“.
Konstantin Wecker Kenner lesen unter den Mitwirkenden an dem Album die sich bei Konstantins „Wut und Zärtlichkeit“ Tournee 2011 bis 2013 abgewechselt habenden Multiinstrumentalisten Tim Neuhaus und Jens Fischer Rodrian. Wer bis hierher gelesen und damals die Tour erlebt hat kann sich spätestens zu diesem Zeitpunkt vorstellen, welches Niveau die musikalische Produktion hat und wird sie vielleicht „mit anderen Augen“, Ohren, Mitgefühl, Verblüffung, Hochachtung und Begeisterung hören.
Die Homepage von Max Prosa: https://www.maxprosa.de/news/