Alexanders CD-Tipp der Woche: Roger Stein – Alles vor dem Aber
Textlich im Anspruch und Niveau an Tucholsky, Kästner und Kreisler anschließend, musikalisch der natürlichen Inspiration folgend, die gute griffige Lieder ausmacht, überrascht Roger Stein auf seiner auf Konstantin Weckers Label Sturm & Klang im September 2018 erschienenen CD „Alles vor dem Aber“ thematisch einmal mehr höchst originell. (Alexander Kinsky)
Der Deutschschweizer Autor, Musiker, Liedermacher, Singer-Songwriter und Komponist studierte in Wien klassischen Gesang, Theaterwissenschaft, Germanistik und Philosophie und promovierte zum Thema „Das deutsche Dirnenlied im literarischen Kabarett von 1901–1933“.
Bereits während der Studienzeit war er künstlerisch sehr vielseitig aktiv, unter anderem als Autor, Schauspieler, Lied- und Bühnenkomponist. Seit 2006 bildet er mit Sandra Kreisler zusammen die Musikformation Wortfront. 2013 erschien bei Sturm & Klang Roger Steins erste Solo CD „Lieder ohne mich“. Roger Stein begleitet sich bei seinen durchwegs selbst geschriebenen Liedern am Klavier.
Roger Stein hat einen herrlich sensibel durchschauenden sozialen Blick, der sprachlich versiert sanften Zynismus auskostet und der so nebenbei dem Sein im Schein ganz wunderbare Poesie abzugewinnen versteht. Wenn es ums Messen, ums Warten, um den Blick vor das Aber, um Detlef mit der Mitleidsmasche bei den Frauen, um die Gesichter aus dem Nichts die vorbei fließen, um die Überwachung oder um die unkritische Mehrheit (in einem Duett mit Suchtpotential Julia Gámez Martin) geht, reißt er der Wohlstandsgesellschaft sprachlich brillant und musikalisch bewusst eingängig und freundlich mit außergewöhnlich inspiriert wirkenden melodischen Einfällen die Masken herunter.
Vielleicht kann man einige Lieder auch als Kabarettchansons bezeichnen, etwa die Hits „Alles vor dem Aber“, „Reihenhausgesicht“, „Pensionierte Punks“ oder auch „Wenn ich mal Rentner bin“.
Wie Oasen in diesem bunten, sprachlich so fein gesponnenen und musikalisch so verführerisch inspirierten Liedkaleidoskop wirken die persönlicheren Lieder zwischendurch. Egal was man sagt – „du“ fehlst heute. Und im Überall hält man sich halt auch ans „du“. Und als sie jung waren, hatte sie allerlei Aufbruchsideen, aber das ist lange her.
Der Hit schlechthin ist natürlich das (Anti)„Hochzeitslied“. Auch jemand der sicher nie zu heiraten gedenkt erträumt sich das nun plötzlich, allein nur um bei der Hochzeitsfeier dieses Lied hören zu dürfen.
Das Lieblingslied des Schreibers dieser Zeilen ist freilich wieder einmal jenes, das sich in diesem Sammelsurium bester deutschsprachiger Chansons am wenigsten in den Vordergrund schiebt, es ist das naturhaft poetische im besten Sinn kunstliedhafte Lied „Septemberwinde“.
Die Homepage von Roger Stein mit CD-Bestellmöglichkeit: https://www.roger-stein.de/