Alexanders EP-Tipp der Woche: Twerdy – Minalia

 In CD-Tipp

Nicht nur wer aufgrund einer verblüffenden Verkettung glücklicher Umstände überraschend gut produzierten sanften Folkpop mag, für den lohnt es sich, die Songs der Wiener Straßenmusikerin Twerdy zu entdecken. (Alexander Kinsky)

Veronika Twerdy kommt aus der Umgebung von Wien, hat Songwriting in Bristol studiert, viele Jahre mit einem VW-Bus durch Europa reisend als Straßenmusikerin gelebt und ist 2019 eine 32jährige alleinerziehende Mutter ihrer zweijährigen Tochter Malia und in Wien mittlerweile schon ein richtiger „U-Bahn-Star“.

Der Schreiber dieser Zeilen hat sie am Wiener Westbahnhof (wo man von der U6 zur U3 umsteigt) erstmals wahrgenommen, wo sie mit ihrer fast noch mädchenhaften, eher zerbrechlichen, dabei ganz natürlich anmutig wirkenden Stimme und ihrem Gitarrenspiel besonders viele Menschen zum Innehalten brachte.

Da musste die bei dieser Gelegenheit angebotene EP „Minalia“ (Twerdyrecords 2018) mit, und die knapp über 15 Minuten mit ihren fünf englischsprachigen Songs verblüffen dann doch – die selbst produzierte und im Juni 2018 veröffentlichte EP wurde hochprofessionell in London aufgenommen, auf internationalem Niveau.

Die Arrangements der von Twerdy selbst geschriebenen Songs überzeugen mit akustischen und E-Gitarren, Klavier, Orgel, Perkussion, Schlagzeug, Bass, Cello, Irischer Harfe und Backing Vocals.

Wie kommt jemand wie Twerdy zu so einer ausgefeilten Produktion? Auf klassischem Wege – über ein Demo, das in London bei Grammy-Gewinner Matthew Lawrence landete. Der hat immerhin schon mit Adele, Amy Winehouse, U2, Lady Gaga und Beyonce gearbeitet – und war sensationell bereit, für ganz wenig Geld hier einmal was noch Besseres zu tun, nämlich fünf Songs einer völlig unbekannten Österreicherin zu produzieren.

Die ersten vier Songs („Passing Through“, „Paradise Flowers“, „Secret“ und „Summer Dream“) hören sich produktionstechnisch edel differenziert und gleichzeitig total ehrlich an, aber noch mehr aufhorchen kann man mit dem letzten Song „Mother and Father“, der geht speziell textlich extrem unter die Haut. Die Sängerin dankt ihrer Mutter darin fürs Alleinerziehen und klagt gleichzeitig ihren Vater an, die Familie im Stich gelassen zu haben – ob bewusst oder ungewollt bleibt aber offen. Was fühlbar ist, ist der Schmerz. Möglicherweise (es liegt nahe) gibt sie mit diesem Song auch ihrer Tochter die Stimme.

Im September 2019 wirkte Twerdy bei „The Voice of Germany“ mit. Was tut man im neuen Jahrtausend nicht alles, um mehr Öffentlichkeit zu erreichen, hier eben mit verbal onanierenden Coaches aus der Popszene die sich mit so etwas noch mehr krumm und blöd verdienen und einem sich buchstäblich auf Knopfdruck oberflächlichstem Tränendrüsentreiben hingebenden Publikum auszusetzen. Für ein Solo und ein Duett vor großem Publikum hat es für Twerdy gereicht, immerhin. (Siehe dazu aber eben auch Reinhard Meys großartiges Lied „Larissas Traum“.)

Vielleicht hört ja jemand demnächst auf irgendeinem U-Bahnhof in Wien oder anderswo sanften Folkpop mit zerbrechlich-ätherischer Stimme und Gitarrenspiel dazu. EPs hat Twerdy sicher dabei.

Twerdys Homepage: http://www.twerdy-music.com/

 

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