Am Literaturkamin (4)

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Das heftigste Bild eines Lebens

Holdger Platta, in memoriam H.M. und G.P.

(Anmerkung der Redaktion: Alle LeserInnen dürfen mitraten, welche AutorInnen, die Holdger Platta zu seinem Gedicht inspiriert haben,  sich hinter diesen Initialen verbergen. Die Auflösung wird am kommenden Montag verraten)

 

 

Ich lebe hier unter einem Dach

mit einer Liebesgeschichte, der Schnee

auf den Ziegeln ist mein täglicher Nachbar,

und jede Woche besucht mich eine Taube vom rötlichen Kirchturm.

 

Das Husten müßten Sie hören,

es führt mitten hinein in süße Musik,

und wenn der Briefträger nicht so aufstampfen würde,

bei seinen Gängen die Treppe herauf,

 

ich hätte ihm längst schon einen Fesselballon

mitgegeben zur Post, damit die Concierge

sich endlich ein Haarteil zu kaufen vermöchte

aus blauschwarzer Schönheit für ihre beginnende Glatze.

 

Vom Freund sehe ich stets als erstes, vollkommen verkleckst,

das oben verschlossene Ofenrohr, wenn er

die Treppe herauftanzt, seinen Zylinder,

und als zweites das neueste heftigste Bild seines Lebens.

 

Da kreisen zwar freundlich Krähen über dem Dach,

die Sonne entzündet den Schnee in allen Farben der Welt,

aber darunter stirbt langsam, Sie hören es doch

(das Husten eines Liebesabschieds), das kränkelnde Mädchen.

 

Und der Hunger fliegt dann in jeden Mund,

und die Kälte läßt alle zittern bis zu den Tränen hinauf,

und der Schnee beginnt wieder zu fallen, ganz blau,

mitten hinein in eine nächtliche Stadt voller Musik.

 

(Auflösung des “Rätsels” aus dem Gedicht vom vorigen Montag: Charles Dickens)

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