Anarchisch Kochen

 In Spiritualität, Vermischtes
Schmackhafte vegetarische Küche ist machbar, Herr Nachbar!

Schmackhafte vegetarische Küche ist machbar, Herr Nachbar!

Reis mit wechselnden Gemüsesorten, vorherrschende Geschmacksnuancen: Ingwer und Knoblauch. Dazu zusätzlich einen gemischten Salat, was mit beträchtlichem Schnipselaufwand verbunden ist – diese Komponenten charakterisieren die Kochkunst von HdS-Autor und connection-Urgestein Wolf Schneider. Tatsächlich schmeckt das ganz ausgezeichnet, was Redakteur Roland Rottenfußer mehrfach am eigenen Leib erfahren durfte. Warum das hier relevant ist? Wolf Schneider schreibt natürlich nicht einfach einen Koch-Artikel, er knüpft daran umfangreiche spirituelle und philosophische Betrachtungen mit auch politisch hoher Relevanz. Anarchisch kochen? Kann man Essen auch autoritär zubereiten? Nun, die Welle der Kochshows und die Rezeptflut auf allen Kanälen legen nahe, dass der Deutsche auch beim Kochen eine straffe Führung bevorzugt. Wolf Schneider begehrt auf: durch radikale Rezept-Verweigerung.

Seit ein paar Jahren ist das Fernsehen voller Kochsendungen und der Buchmarkt voller Kochbücher. Sogar traditionell spirituelle Verlage haben sich auf Kochbücher verlegt. Aber was hat denn Kochen und die Zubereitung von Nahrung mit Spiritualität zu tun?Egal, es verkauft sich. Und ist das nur ein deutsches Phänomen? Nein, auch in italienischen und spanischen TV-Programmen fand ich schon vor Jahren eine Kochsendung nach der anderen, so als würden die Menschen sich auf einmal nicht mehr für Politik interessieren, nur noch fürs Kochen. Und das in Deutschland! Wo doch bei uns einst galt: Gegessen wird, was auf den Tisch kommt, und man die Franzosen belächele ob ihrer Obsession mit der Zubereitung ihres Essens (die konnten aber auch selbstironisch sein: la grande bouffe, von 1973).

Ernährungswahnsinn

Seit jenem extremen Hype hat der Nahrungswahnsinn in meinen Kreisen ein bisschen nachgelassen, immerhin ein bisschen. Ernährung ist für viele jedoch immer noch eine Ersatzreligion. Dass Ernährung wichtig ist – dazu gehören auch die Landwirtschaft und der Umgang mit den Böden, der Erde – das ist ja unbestritten. Und auch der Lokalismus gehört dazu, als Reaktion auf die Globalisierung. Aber dass Fernsehköche – übrigens hauptsächlich Männer – heutzutage nationale Stars sind, die man kennen muss, das geht zu weit, finde ich. Mensch werde wesentlich, schleudere ich diesen Besessenen entgegen!

Als Hobby ist der Kochwahnsinn so verzeihlich wie der Fußballwahnsinn, aber nicht als Ersatz für die Beschäftigung mit dem Wesentlichen: Liebe und Tod, Geld und Gesundheit, Macht und Ohnmacht, Krieg und Frieden. Der Tod kommt früh genug. Wenn es ans Sterben geht und du über selbstgemachte Nudeln, Tiramisu und deine spezielle Variante des Veganismus oder Lowcarb nicht hinausgekommen bist, ist es zu spät.

Mein Outing

Dagegen zu wettern hilft aber nichts. Deshalb werde ich jetzt populistisch: Sollt ihr doch haben, wonach ihr verlangt! Diskussionen ohne Ende hab ich erleiden müssen zu Fragen wie der, ob ich nun Vollveganer bin oder nur Tendenz-Veganer. Und das bei meinem strengen Vegetarismus – dem Himmel und den Trends sei’s gedankt, dass ich das heute nicht mehr verteidigen muss. Seit fast vierzig Jahren esse ich kein Fleisch, Fisch oder Geflügel mehr – für mich nicht erwähnenswert, für andere schon.

Nun aber zur Sache: Heute werde ich mich outen mit der Art, wie ich mein Essen zubereite. Nicht nur meines, auch das in meiner WG, denn dort hat mir meine Mitbewohnerin die noble Aufgabe übertragen, jeden Tag das gemeinsame Essen zuzubereiten. Das war ihr Wunsch: Sie hält die Wohnung sauber, ich kaufe ein und koche. Oh, wie gerne ich das mache! Normalerweise mache ich das Essen für 13 h, für zwei bis vier Personen. Mindestens zu zweit sind wir hier fast immer. Oft kommen Gäste dazu, manchmal sind wir dann auch mehr als vier. Wenn nicht so viele kommen, haben wir für den Abend noch was übrig, oder für den nächsten Tag, dann mache daraus eine Restaufbereitung mit ein paar neuen Zutaten.

Dass ich mich mit diesem persönlichen Outing für jeden psychodiagnostisch Gebildeten vor aller Welt nackt ausziehe, nehme ich dabei in Kauf. So nackt wie die täglichen Nutzer von Facebook? Mindestens.

Rekreation beim Essenzubereiten

Den Vormittag verbringe ich viel am Laptop: Mails erledigen (bei dreißig bis fünfzig pro Tag ist das weniger halb so viel wie in Connection-Zeiten, also geradezu entspannend); Texte schreiben für Spuren, Ursache&Wirkung, KGS Berlin, die Osho Times und andere; das Verwalten der Connection AG und das meiner eigenen Angelegenheiten. 12 Uhr Mittag rückt währenddessen näher, Vorfreude! Dann endlich darf ich aufstehen und in der Küche mit Gemüse hantieren, das ist so viel sinnlicher und körperlich erfüllender als das Betippen einer Tastatur. Das Gemüse, Obst und Getreide duftet, während ich es mit nackten Händen anfasse, schneide, teilweise erhitze, mische, würze und dabei immer wieder davon koste.

Zeitmanagement

Eine Stunde darf das Zubereiten dauern, mehr nicht, das habe ich mir als Ziel gesetzt. Nicht immer kann ich das einhalten, meist aber schaffe ich es. Sogar dann, wenn ich für sechs Leute etwas zubereite, falls ich mir vorher ein paar Sachen zurechtgelegt, teils auch eingeweicht habe. Für sechs Leute Essen zu machen dauert ja nicht doppelt so lange wie für drei. Wenn ich das Getreide oder die Hülsenfrüchte am Vortag zum Einweichen in Wasser gebe, reduziert das die Kochzeit um die Hälfte oder; bei Kichererbsen zum Beispiel sogar noch viel mehr.

Drei Teile hat das Essen

Jetzt bin ich schon mitten drin, bei den Einzelheiten: Kichererbsen, Mungbohnen, gelbe Linsen, lecker! Auch Ingwer, Knoblauch, Zitrone gehören zu meinem Standardrepertoire. Meist besteht mein Essen aus drei Teilen: Reis oder sonst ein Getreide, gerne auch Buchweizen oder Kartoffeln, das ist der ‚Kohleydrateteil‘, das sättigt. Dazu gebratenes oder gedünstetes Gemüse, meist im Wok zubereitet; was zum Garen länger braucht (Auberginen, Karotten), kommt zuerst rein, was weniger braucht (Broccoli, Tomaten) oder durch Erhitzung zu sehr zerstört wird (Ingwer, Zitrone) später. Als Drittes gibt es eine Schüssel mit Rohkost – eine Mischung aus rohem Obst und Gemüse, dazu Olivenöl, ein bisschen Honig, Zitrone (kein Essig!), Salz, oft streue ich ein bisschen frisch geriebenen schwarzem Pfeffer drüber. Manchmal auch mit geriebenem Ingwer, ich bin ein Ingwer-Fan.

Frisches Gemüse, Tee, Sahne

Dosennahrung verwende ich nicht – eine seltene Ausnahme sind eingelegte Mandarinen für Pfannkuchen, für die ich dann auch Eier nehme. Ich verwende frisches Gemüse und Obst, teils bio, teils nicht (Faustregel: Bio darf maximal doppelt so viel kosten wie nicht-Bio). Bei Hülsenfrüchten und Getreide nehme ich Trockenware aus dem Naturkostgroßhandel. Priorität beim Einkauf gebe ich Lokalem, bin dabei aber nicht dogmatisch. Käse und Eier kaufe ich fast wie nie ein, es sei denn für meine Mitbewohner/in. An Milchprodukten verwende ich fast nur Schlagsahne, als Zugabe zu meinem geliebten Assamtee, ein Schuss davon gerne auch ins morgendliche Müsli, womit ich auch den Vitamin-B12-Bedarf erledigt hätte. Bei Sahne bin ich wählerisch, es muss gute, frische Sahne sein, von Kühen, die auf Wiesen grasen, ab besten außerdem bio; haltbar gemachte Sachne schmeckt schrecklich. Veganer Ersatz … geht so; für mich als Fan von guter Kuhsahne aber nur zweite Wahl.

Nüsse

Ich bin ein großer Fan von Nüssen! Das Leckerste, was es gibt, sind die gerösteten Haselnusskerne (Achtung, Schleichwerbung!) im Rapunzel Original Müsli, das ich seit ungefähr tausend Jahren jeden Morgen esse; sogar beim Überwintern auf La Palma habe ich mir dort dieses Müsli besorgt. Walnüsse – im Garten des Connectionhauses steht ein riesiger Walnussbaum, der so viel trägt, dass die Vorräte manchmal ein ganzes Jahr gereicht haben; heuer waren sie leider schon im Frühjahr aus, im Oktober kommen die neuen. Sonnenblumenkerne sind für mich der 1a-Unterwegssnack, außerdem ein Muss fürs Müsli und für viele Salate. Am allerleckersten sind sie leicht angeröstet (gebräunt, nicht geschwärzt) in der Pfanne; sie brauchen dafür kein Öl, einfach in die Pfanne legen genügt, auf niedrigste Flamme, nach circa zehn Minuten bekommen sie einen braunen Teint und diesen wunderbaren Duft. Macadamia-Nüsse, Cashew, Paranüsse, auch alles das sind Leckereien und, ja, auch Erdnüsse! Die sind unfassbar billig (das gilt übrigens auch für Sonnenblumenkerne), und dabe sooo lecker! Es müssen aber die richtigen sein (für mich zur Zeit die von Penny in der blauen Tüte). Ich gebe sie gerne dem Wok-Gemüse bei, oft auch der Rohkost. Fast ebenso gerne Sesam, am besten geröstet; ab und zu auch Kürbiskerne, die sind aber deutlich teurer.

Rezepte? Nein, danke

Jetzt das Entscheidende: Ich koche nie nach Rezept. Ich habe nicht mal eine Küchenwaage, auch keinen Messbecher. Ich besitze keine Kochbücher, und noch nie habe ich mir ein Rezept ausgeschnitten oder von irgendwem notiert. Stattdessen schau ich mir die Sachen an, die zu verarbeiten sind, befühle sie, schnuppere daran, koste sie (auch die zu garenden Sachen vorab im Rohzustand). Ich brauche keine Rezepte, ich will sie nicht. Ich habe sonst im Leben schon genug zu lesen und an Vorschriften zu befolgen, bei deren Nicht-Einhaltung Schaden entsteht – beim Einrichten eines Computers oder Smartphones zum Beispiel. Ich will nicht auch noch beim Kochen Anleitungen befolgen müssen, übrigens auch nicht beim Massieren. In beiden Fällen bringt das Folgen der Intuition bessere Ergebnisse – ein paar Grundkenntnisse vorausgesetzt.

Priester einer heiligen Handlung

Ich bin kein IS-Fan und kein Hooligan, als Rezeptverweigerer bin aber auch ich Extremist: Ich kann mich nicht einmal wirklich gut in den Menschentyp des Rezeptbefolgers hineinversetzten. Hier zeigt sich offenbar ein Mangel an Empathie. So oft habe ich damit geprahlt, dass »nichts Menschliches mir fremd« sei, aber hier, da setzt es aus: Der Typ des Rezeptbefolgers ist mir fremd. Erst muss man lesen – ich vermeide das Lesen, wo ich kann. Dann muss man Wiegen und Zählen, das finde ich ebenso schlimm. Es gibt Bereiche, in denen Messgenauigkeit wichtig ist, sogar auch das Einhalten von Rastern: in der Buchhaltung, in der EDV, in vielen Bereichen des Handwerklichen – ein Bett sollte 1.40 oder 1.60 breit sein und nicht 1.50, sonst passen die handelsüblichen Matratzen und Spannbetttücher nicht. Aber beim Essen zubereiten? Nein, danke. Da folge ich dem, was die Nahrungsmittel mir durch ihr Aussehen, ihren Geruch und Geschmack, ihre Weichheit oder Härte mitteilen. Da bin ich in einer Art Zwiesprache mit der Nahrung. Wir verständigen uns, bevor es so weit ist, dass wir zum Akt schreiten, dem Maithuna, dem Einverleiben. Die Pflanzen opfern sich, ich bin dabei ihr Priester, ich bringe sie zum Altar. Auch wenn ich vor dem Essen kein Gebet spreche und auch nicht vor dem Zubereiten: Zubereiten und Essen sind für mich heilige Handlungen.

Lagern und Züchten

Ich mag auch das Betreuen der Vorräte. Sie müssen klar übersichtlich gelagert sein, die Verfallsdaten beachtet, und es dürfen da keine Schädlinge rankommen können. Nachreifendes Obst muss zum genau richtigen Zeitpunkt ‚geernet‘ werden, nicht zu früh und auf keinen Fall zu spät, kurz vor dem Verfall ist es am süßesten.

Ich züchte mir auch gerne Sprossen am Küchenfenster: Mungbohnen, Sonnenblumenkerne, Kichererbsen. Die müssen täglich mindestens zwei Mal gewässert werden und ‚geernet‘ ehe sie zu bitter werden. Im Frühstadium sind sie so süß, dass ich sie manchmal auch zwischendurch aus der Schale nasche.

Wein trinken

Und noch was – wo ich mich hier schon auf eine Weise exhibitioniere, dass jeder Profiler damit seine Freude haben dürfte – auch in Sachen Weintrinken bin ich ein Freak, Exot und aus der Reihe Tanzender: Ich trinke ab und an abends gerne ein bisschen trockenen Rotwein. Schätzungsweise weniger als ein Achtel (ich messe das ja nicht). Bis ich durch bin mit einer Flasche, das dauert; wenn kein Besuch kommt, manchmal Wochen, deshalb lagere ich die Flasche in der Kühlschranktür. Und, was noch schlimmer ist: Ich trinke den Wein gerne vermischt mit heißem Wasser. Ungefähr zur Hälfte heißes Wasser, die andere Hälfte Rotwein aus dem Kühlschrank, die Temparatur ist dann die von gut trinkbaren Tee. Und das bitte aus einem getöpferten Becher, nicht aus einem Glas, ein Becher mit gutem Stehvermögen, unten breit, gut zum Anfassen, darin der heiße Wein, ahhhh ….

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