Anwaltsvereine fordern: Keine Zusammenarbeit und Partnerschaft mit dem Erdoğan-Regime

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Demonstration gegen den Kriegsverbrecher Erdogan in Nürnberg. Foto: anfdeutsch.com

„Die sofortige Beendigung der polizeilichen und justiziellen Zusammenarbeit mit der Türkei“ sowie „die Aufkündigung des sogenannten Flüchtlingsdeals“ fordern sieben deutsche und internationale Vereinigungen und Organisationen von Rechtsanwält*innen: Mit einer gestern veröffentlichten Pressemitteilung haben sich die Anwält*innen an ihre Regierungen gewandt und verlangen ein sofortiges Ende der Partnerschaft mit dem Regime in Ankara. Denn jede weitere Zusammenarbeit und Partnerschaft mit dem autoritären Regime in Ankara berge „die reale Gefahr der Verstrickung europäischer Behörden in Unterdrückung, Folter und Staatsterrorismus“, heißt es in der Erklärung. HdS veröffentlicht die Pressemitteilung im Wortlaut.

Und Carla de Ponte, die frühere Chefanklägerin des Internationalen Strafgerichtshofs in Den Haag fordert, dass der türkische Präsident Tayyip Erdogan wegen Kriegsverbrechen vor Gericht gestellt werden muss:

„Die jüngere Geschichte der Türkei ist durch die Zerstörung rechtsstaatlicher Standards nach innen und völkerrechtswidrige Aggression und Kriegsverbrechen nach außen geprägt. Weder die Bombardierung der eigenen Zivilbevölkerung in den Jahren 2015 und 2016, noch die Umgestaltung des türkischen Staates zu einer Präsidialdiktatur in den Folgejahren hatten eine entschiedene Reaktion der europäischen Regierungen zur Folge. Die Entlassung von mehr als hunderttausend Staatsbediensteten, die Inhaftierung hunderter Journalist*innen und Rechtsanwält*innen, die drakonische Verfolgung und Bestrafung der Wahrnehmung demokratischer Rechte, Wahlmanipulationen und die Nichtanerkennung von Wahlergebnissen, die Erdoğan nicht passen, wie auch der völkerrechtswidrige Angriff auf den syrisch-kurdischen Kanton Afrin, waren für die europäischen Regierungen kein Anlass, die Zusammenarbeit mit dem Erdoğan-Regime in Frage zu stellen. Ein unsäglicher Grund hierfür ist das mit Erdoğan geschlossene Bündnis zur Verhinderung der Weiterwanderung flüchtender Menschen nach Kerneuropa.

Die Unterzeichnenden fordern angesichts der aktuellen Geschehnisse in Nordsyrien ihre jeweiligen Regierungen auf, endlich die längst überfälligen Konsequenzen gegenüber dem die Menschenrechte und Völkerrecht mit Füßen tretenden autoritären Erdoğan-Regime zu ziehen.

Die Athener Rechtsanwältin Yiota Massouridou von der EDA erklärt: »Der türkische Staat hat seine völkerrechtswidrige Aggression gegenüber den nordsyrischen Kurdinnen und Kurden offen mit dem Ziel eines Bevölkerungsaustauschs begründet. Ein Staat, der ethnische ›Säuberungen‹ propagiert, in dem die grundlegenden Bürger- und Menschenrechte nicht gelten, in dem blanke Willkür herrscht und der Völkerrechtsverbrechen begeht, darf von keiner europäischen Regierung als Partner behandelt werden«.

Wir fordern:

♦ die sofortige Beendigung der polizeilichen und justiziellen Zusammenarbeit mit der Türkei,

♦ die Aufkündigung des sogenannten Flüchtlingsdeals sowie

♦ die Rücknahme jeglicher Verfolgungsermächtigungen in den Staatsschutzverfahren mit Bezug zur Türkei. Der türkische Staat in seiner aktuellen Verfasstheit kann weder Partner in der Flüchtlingspolitik noch Schutzobjekt deutschen Strafrechts sein.

Angesichts der politischen Verfolgung jeglicher Opposition, der gewaltsamen Unterdrückung der kurdischen Minderheit und der offenkundigen Zusammenarbeit des türkischen Staates mit Terrororganisationen wie dem Islamischen Staat, birgt die polizeiliche und justizielle Zusammenarbeit mit der Republik Türkei die reale Gefahr der Verstrickung europäischer Behörden in Unterdrückung, Folter und Staatsterrorismus.

Der Frankfurter (Main) Rechtsanwalt Stephan Kuhn vom Organisationsbüro der Deutschen Strafverteidigervereinigungen: »Nur durch den strikten Verzicht auf justizielle und polizeiliche Zusammenarbeit mit türkischen Behörden lässt sich ausschließen, dass durch Informationen deutscher Behörden Unterdrückungsmaßnahmen, Folter und Unrechtsurteile in der Türkei erfolgen. Umgekehrt dürfen deutsche Gerichte und Behörden keine Informationen verwenden, denen offenkundig der Verdacht anhaftet, durch rechtsstaatswidrige Methoden gewonnen worden zu sein. Die Bundesregierung darf ein solches Regime durch Nichts unterstützen«.

* Avocats Européen Démocrates | European Democratic Lawyers (AED/EDL)
* Çağdaş Hukukçular Derneği | Progressive Lawyers Association
* European Association of Lawyers for Democracy & World Human Rights (ELDH)
* Komitee für Grundrechte und Demokratie e.V.
* Organisationsbüro der Strafverteidigervereinigungen
* Republikanischer Anwältinnen- und Anwälteverein e.V. (RAV)
* Vereinigung Demokratischer Juristinnen und Juristen e.V. (VDJ)“

Der Druck auf das Schweigen der europäischen Regierungen über die Kriegsverbrechen des türkischen Staates bzw. die Fortsetzung der Zusammenarbeit klagt auch die Schweizer Juristin Carla de Ponte an: Die ehemalige Chefanklägerin des Internationalen Strafgerichtshofs in Den Haag forderte kürzlich, dass der türkische Präsident Tayyip Erdogan wegen Kriegsverbrechen in Nordsyrien/Rojava angeklagt werden müsste. Zum Hintergrund der Kriegsverbrechen und zum Zusammenhang zwischen dem EU-Türkei-Deal und dem völkerrechtswidrigen Angriffskrieg des türkischen Regimes gegen die selbstverwaltete Region Rojava in Nordsyrien bieten folgende Artikel der kurdischen Nachrichtenagentur anf informative Artikel:

https://anfdeutsch.com/aktuelles/carla-del-ponte-erdogan-sollte-angeklagt-werden-14950
und
https://anfdeutsch.com/hintergrund/der-eu-tuerkei-deal-und-die-invasion-in-nordsyrien-15609

 

 

 

 

Anzeigen von 3 Kommentaren
  • Ruth
    Antworten
    Moral, Anstand, Respekt, Wertschätzung, Mitgefühl, Würde, das sind Vokabeln, die für viele bedeutungslos geworden sind!

    Mich wundert es nicht, wenn Entscheidungen getroffen werden, die später weitreichende Konsequenzen beinhalten und einer Erpressbarkeit Vorschub leisten.

    „Eine Hand, wäscht eine andere Hand“ – Problem gelöst, sicher nicht!

  • Peter Boettel
    Antworten
    Dieser Druck sollte vor allem gegenüber Außenminister Maas ausgeübt werden, weil dieser sich fast schon entschuldigt, wenn er gegenüber den türkischen Machthabern gegen die Inhaftierung von deutschen Journalisten, Anwälten u.a. „protestiert“. Wie oft wird in der Türkei der Botschafter einbestellt, wenn jemand etwas gegen den widerlichen Despoten äußert.

    Von Merkel ganz zu schweigen, sie lässt alles geschehen, bietet Geld an, leistet Wahlhilfe und verhält sich wie eine Untergebene. Schließlich regiert Erdogan ja schon nach Deutschland hinein.

    Es ist zum Heulen.

    • Volker
      Antworten
      Merkel soll doch Rüstungstechno verkaufen, was sonst, etwa Schnickschnack wie Demokratie und Menschenrecht? Dafür drückt sie gerne ein Auge zu, und Mutti drückt schon fleißig in allen Richtungen. Dafür darf sie kanzlern, mit ihrem GroKo-Team ominöser Pappnasen.

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