Appell an die Delegierten des Parteitags der LINKEN in Erfurt
Die Zwanziger Jahre dieses Jahrhunderts entwickeln sich zum gefährlichsten Jahrzehnt der Geschichte. Die ökologischen Zukunftsgefährdungen, sozialer
Sprengstoff und die militärischen Bedrohungen des Lebens erlegen der Linken, der
Friedensbewegung, der Ökologiebewegung, den Gewerkschaften und den weiteren
Bewegungen für die Zukunft eine bislang nie dagewesene Verantwortung auf. Es
geht um nicht weniger als den Fortbestand der Zivilisation. Frieden-links-Initiative
Die Atomkriegsgefahr war laut SIPRI seit dem Kalten Krieg nie größer, die amerikanischen Atomwissenschaftler haben ihre „Weltuntergangsuhr“ auf 100 Sekunden vor Mitternacht vorgestellt.
Die LINKE ist die einzige Partei im Bundestag, die an der Seite dieser Bewegungen
ihre Stimme für Diplomatie, eine sozial–ökologische Zeitenwende und für eine Abkehr
aus der Hoch– und Atomrüstung. Daraus ergibt sich die Verantwortung der LINKEN,
auf eine Friedensordnung hinzuwirken, die Militärbündnisse wie die Nato überwindet.
Mit der Militarisierung der Politik der Spannungen in allen Erdteilen ist die Nato, die
weit mehr als die Hälfte der Weltrüstungsausgaben verantwortet, mit den Überlebensinteressen der Menschheit unvereinbar.
Der Angriff Russlands gegen die Ukraine bricht so, wie die mit Waffen aus dem NATO–
Gebiet eröffneten Kriege in der Region zwischen den Ölförderländern in der Golfregion
und dem nördlichen Afrika Völkerrecht. All diese Gewaltakte bewirken unendliches
Leid, Tod und Fluchttragödien, und sie untergraben die Hoffnung auf eine gerechte
und ökologisch überlebensfähige Zivilisation.
Doppelte Standards der einseitigen Kritik nur an Russland sind ein zentrales Element
der Propaganda für Hochrüstung und Eskalation durch die NATO und ihre Lobby.
Die NATO–Führungsmacht USA, hat durch Kündigung und Nichtverlängerung von
Verträgen zur Rüstungskontrolle und Abrüstung die Lage in Europa weiter destabili–
siert. Die Priorität auf schwere Waffen statt Diplomatie verschlimmert die Katastrophe.
Damit gehen NATO–Staaten das Risiko eines nuklearen Infernos auch ohne einen
Atomkrieg ein: Die 15 ukrainischen Atomreaktoren benötigen eine zuverlässige
Kühlung mit einer ununterbrochenen Wasser– und Stromversorgung. Das Risiko war
allen Seiten bekannt, weshalb die Nato Im Mai 2014 eine Gruppe von Experten nach
Kiew entsandt, um die damals nach dem Staatsstreich illegale Übergangsregierung
im Umgang mit den Atomanlagen im Kriegsfall zu beraten. Das unkalkulierbare Risiko,
das von diesen Anlagen im Krieg ausgeht, verbietet allerdings jede Eskalation, da es
eine Bedrohung nicht nur für die Menschen vor Ort, sondern in ganz Europa darstellt.
Seit dem 24. Februar übergeht das Nachrichtenmanagement der Nato und ihrer
Lobby alle Entwicklungen im Vorfeld des Krieges in der Ukraine. Die Propaganda
blendet z.B. die Warnungen aus, die auch westliche Strategen wie George F. Kennan,
Ex–US–Verteidigungsminister McNamara und Perry, CIA–Chef Burns und führende
Entspannungspolitiker wie Klaus von Dohnanyi, Egon Bahr und Erhard Eppler seit
Beginn der Nato–Osterweiterung ausgesprochen hatten. Zitat von Erhard Eppler:
„Hier geht es nicht darum, ob westliche Politiker – mündlich gegebene – Versprechen
gebrochen haben, es geht lediglich um die Schilderung der Tatsachen. Dass diese
Fakten in Washington oder Berlin andere Gefühle wecken als in Moskau, versteht
sich von selbst. In den USA zeigen sie, dass man den Kalten Krieg gewonnen hat. In
Moskau fühlt man sich etwa so, wie man sich in Washington fühlen würde, wenn
Mexiko oder gar ein abtrünniges Texas ein Militärbündnis mit Russland abgeschlossen
hätte.“ Erhard Epplers Erinnerung an die Kuba–Krise, den bislang gefährlichsten
Moment der Geschichte, ist nicht zufällig. Die NATO riskierte und riskiert mit der Ost–
erweiterung das Risiko einer finalen Katastrophe der Menschheit, und sie verkauft
das als Verteidigung der ‚regalbasierten Ordnung‘, die in Wahrheit ihr Unrecht des
Stärkeren ist. Die Gefahr ist seit der Kuba–Krise nie so groß gewesen wie jetzt.
Mit der NATO–Osterweiterung, die u.a. gegen die von der Schlussakte der Konferenz
für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa angestrebte Friedensordnung gegen–
seitiger und damit gemeinsamer Sicherheit steht, ersetzt die Nato das Völkerrecht
zunehmend durch das Unrecht des Stärkeren.
W. Selinskyj, der noch im Mai verkündet hatte, der Krieg sei nur diplomatisch lösbar,
sieht sich inzwischen durch westliche Waffen dazu ermutigt, Verhandlungen abzu–
lehnen, ehe die Ukraine keinen Sieg auf den Schlachtfeldern errungen hat. Anfang
Juni verkündete er, seine Landsleute kämpften für ‚Frieden, Sieg, Ukraine‘. Er über–
geht die darin enthaltenen Gefahren für die Zivilisation. Militarisierung führt die Welt
in den Abgrund. Es gibt nur eine Zukunft in Frieden oder keine, Diplomatie oder ein
blutiges Ende, aus dem ein Flächenbrand zu werden droht.
Alle Kriegs– und Waffen–Einsätze der Bundeswehr haben die Welt immer weiter von
dem Ziel einer in Frieden überlebensfähigen Zivilisation entfernt. Sie haben alle das
Gegenteil von dem erreicht, was basierend auf dem Prinzip gegenseitiger kollektiver
Sicherheit den Frieden hätte sichern können. Nato–Staaten sind für die häufigsten
Völkerrechtsverstöße seit dem Ende des Kalten Krieges (Jugoslawien, Irak, Libyen
etc.) verantwortlich.
Jenseits der gewaltigen konventionellen und atomaren Aufrüstung stellen 400 Atom–
reaktoren Zeitbomben in Kriegssituationen dar, zwingen zu einer Friedenspolitik, die
sich der Präambel des 2+4–Vertrages orientiert, in der sich die Signatarstaaten darauf
geeinigt haben, auf eine Friedensordnung hin zu arbeiten, in der die Sicherheits–
interessen „eines jeden“, also auch die der Ukraine und Russlands Berücksichtigung
finden.
Die Rüstungskonzerne in den Nato–Staaten drängen die Politik zu einer immer
weiteren Bewaffnung der Staaten, zu immer mehr und immer ausgefeilteren und
gefährlicheren Arsenalen, die das Potential einer finalen Katastrophe in sich bergen.
Ihre Profite und Aktienkurse erreichen seit dem Ukraine–Krieg immer neue Rekord–
marken. Sie und die fossile Industrie sind Kriegsgewinnler, die auf einen langen Krieg
spekulieren. Ihre Profitstrategie fördert auch die Zunahme von Konflikten innerhalb
der Staaten, denen die Mittel für die Daseinsvorsorge im weitesten Sinne fehlen
Die Linkspartei des Erfurter Programms ist in dieser globalen und nationalen Situation
unverzichtbar als Partner der alternativen Bewegungen für Frieden, Solidarität und
Ökologie – als Alternative zum Kurs der Militarisierung der anderen Bundestagsparteien.
Die inner–/außerparlamentarische Opposition ist heute so gefordert, wie lange nicht.
Die Frieden–links–Initiative:
Reiner Braun, Berlin, International Peace Bureau, Kampagne Stopp Air Base Ramstein
Wolfgang Gehrcke, Berlin, Mitglied des Gesprächskreises Friedens– und Sicherheitspolitik der Rosa–Luxemburg–Stiftung
Heike Hänsel, Tübingen, Die LINKE
Ulla Jelpke, Berlin, Mitherausgeberin von ‚Ossietzky‘, Mitglied u.a. in ‚Sea–Watch‘
Kristine Karch, Düsseldorf, Co–Sprecherin internationales Netzwerk ‚No to war – No to
NATO‘, Kampagne Stopp Air Base Ramstein
Prof. Dr. Karin Kulow, Berlin, Nahost– und Islamwissenschaftlerin, Konfliktforscherin
Ekkehard Lentz, Bremen, Sprecher Bremer Friedensforum
Pascal Luig, Berlin, NaturwissenschaftlerInnen–Initiative Verantwortung für Frieden und
Zukunftsfähigkeit e.V. (NatWiss), Kampagne Stopp Air Base Ramstein
Dr. Alexander Neu, Rhein–Sieg–Kreis, Politologe
Willi van Ooyen, Frankfurt/M., Aktivist der Friedens– und Sozialforumsbewegung,
Bundesauschuss Friedensratschlag, Ostermarschbüro
Prof. Dr. Norman Paech, Hamburg, emeritierter Professor für Politikwissenschaft und für Öffentliches Recht, Bündnis für Gerechtigkeit und Frieden zwischen Israelis und
Palästinensern (BIP)
Karl Heinz Peil, Frankfurt/M. Friedens– und Zukunftswerkstatt e. V., verantwortlicher
Redakteur des ‚Friedensjournal‘
Christiane Reymann, Berlin, Publizistin
Prof. Dr. Werner Ruf, Edermünde, Politikwissenschaftler und Friedensforscher, Kasseler Friedensforum, Mitglied des Gesprächskreises Friedens– und Sicherheitspolitik der Rosa–Luxemburg–Stiftung
Bernhard Trautvetter, Essen, Mitbegründer Netzwerk Schule ohne Bundeswehr NRW,
Sprecher Essener Friedensforum, VVN–BdA, GEW
Dr. Winfried Wolf, Michendorf, Chefredakteur Zeitung gegen den Krieg